Inschriftenkatalog: Landkreis Jena
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 39: Landkreis Jena (1995)
Nr. 224 Ziegenhain, Wallfahrtskirche vor 1591
Beschreibung
Inschriften unter den Gemälden auf der inneren Rückwand des spätgotischen Altarwerkes (Schrein und Flügel); die Flügel im 19. Jh. auf den oberen Emporen,1) jetzt hinter dem barocken Kanzelaltar im Chor aufgestellt. Die durch flachdreiseitige Nischen, in denen einst die Figuren standen (im Schrein fünf, in den Flügeln je drei), gegliederte Rückwand des Altarwerkes zeigt, auf den Goldgrund gemalt: im Schrein links Opferung Isaaks, in der Mitte Kreuzigung Christi, rechts der Auferstandene mit der Kreuzesfahne; im linken Flügel: Jüngstes Gericht (Christus auf der Weltkugel zwischen Maria und Johannes); im rechten Flügel: Erhöhung der ehernen Schlange. Unter den Gemälden, jeweils über die gesamte Breite, dreizeilige Inschriften in 20–21 cm hohem Schriftfeld: (A) im Mittelschrein, (B) im linken, (C) im rechten Flügel; (D) der Titulus am Kreuzstamm. Stark abgeblättert; der linke Teil der Inschrift (A) ist durch den Kanzelaltar verdeckt und unzugänglich.
Maße: Flügel: H. ca. 220 cm (Innenmaß), B. 190 cm; Mittelschrein: H. ca. 220 cm, B. 280 cm; Bu. 5–6 cm.
Schriftart(en): Fraktur, schwarz auf weißem Grund gemalt, in (D) Kapitalis, schwarz auf Goldgrund gemalt.
- A
[Jesus Christus ist] umb unser sünde willen dahin gegeben / [und umb unser] gerechtheit willen wider auferstanden2) / [Der tod ist verschlungen in dem sieg.] tod wo ist dein [stachel]3)
- B
Wen des menschen Sohn kommen wirt in seiner h[e]rlikeit So werden / vor ihn alle volcker [versa]mlet werden, und wirdt Sie von ein[an]der scheid[e(n)] / [wie] der [hirte die schafe von] den Böcke[n scheidet]4)
- C
Also wi[e Mose in der w]üsten [eine sc]hlan[gen erhöhet hat, also muß] / des menschen [S]ohn er[höhet] werden [auf] das alle [die] a[n ihn] glauben nicht / verloren werden sündern das [ewi]ge [leben] haben5)
- D
I N R I6)
Anmerkungen
- So BuKTh Jena, 232.
- Röm. 4,25.
- 1 Kor. 15,55; vgl. Jes. 25,8.
- Matth. 25,31–32.
- Joh. 3,14–15.
- Joh. 19,19.
- Zur Baugeschichte der Wallfahrtskirche in Ziegenhain, vgl. Nr. 79.
- Bergner 1897, 335.
- Glaue 1924, 3; Heß 1861, 39 hielt sie gar für frühgotisch.
- BuKTh Jena, 232.
- Bergner 335.
- Vgl. Nr. 345.
- Nr. 345156.
- Wir wissen nicht, welcher Umstand dazu führte, daß die Tafeln im letzten Jahrzehnt des 16. Jh. zum Objekt der ungezählten „Narrenhände“ wurden; vielleicht hatte man das Altarwerk damals versetzt und damit diesen zugänglich gemacht. Da kaum angenommen werden kann, die Gemeinde hätte dies bei erst jüngst angebrachten Malereien geduldet, darf man vielleicht an eine frühe Entstehungszeit (2. V. 16. Jh.) denken.
Nachweise
- Hallof 1991, 19–20.
- Vgl. Hess 1861, 39.
- BuKTh I (Jena), 1888, 232.
- Bergner 1897, 335.
- Glaue 1924, 3.
- Mühlmann 1981a, 190.
Zitierhinweis:
DI 39, Landkreis Jena, Nr. 224 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006k0022403.
Kommentar
Der spätgotische Schnitzaltar der Wallfahrtskirche in Ziegenhain blieb durch die Ereignisse der Reformation unvollendet; ob die Figuren bereits fertiggestellt waren und später abgetan worden sind, oder ob, was weniger wahrscheinlich ist, nur der Schrein geliefert worden war, läßt sich nicht mehr klären. Nach dem Ende der Wallfahrten und dem Versiegen der Einnahmen für das nunmehr zur Dorfkirche gewandelte Gotteshaus7) wurde das Altarwerk mit Malereien versehen, die ganz dem reformatorischen Bildprogramm mit der Gegenüberstellung von Sünde und Erlösung, Verheißung und Erfüllung verpflichtet sind. Die Erhöhung der ehernen Schlange und die Kreuzigung stellen ein solches Bildpaar dar. Bergner8) glaubte, daß den Ziegenhainer Bildern noch eine „mittelalterliche Schablone“ zugrunde läge, und verwies auf die Illustrationen der Biblia pauperum mit ihrer Gegenüberstellung von Altem und Neuem Testament; auch Glaue spricht von „alten Vorlagen“.9) In der Tat sind die stark konturierten Zeichnungen merkwürdig altertümlich. Lehfeldt datierte die Bilder in das 17. Jh.,10) Mühlmann und Bergner dagegen früher („vielleicht kurz nach der Reformation“).11) Doch dürfte die Schrift mit den zur Fraktur tendierenden Minuskeln in spätere Zeit weisen. Die Gemälde sind ohne Rücksicht auf die vorhandenen Nischen, die geschnitzten Baldachine und eingepreßten Muster (Nimben) so aufgebracht worden, daß die einzelnen Figuren vor den Goldgrund gesetzt sind. In den Untergrund sind, beginnend mit dem Jahre 1591, zahllose Kritzeleien eingeritzt worden,12) die sich über die gesamte Altarwand verteilen. Es läßt sich nicht sicher nachweisen, daß die Malereien derartige Graffiti überdeckt hätten; aber offenbar sind diese in der ersten Zeit respektiert worden. Der früheste datierte Eintrag (auf der Brust des auferstandenen Christus) stammt aus dem Jahre 161713) und liefert den terminus ante quem.14)