Inschriftenkatalog: Landkreis Jena
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 39: Landkreis Jena (1995)
Nr. 111† Löbstedt, Dorfkirche 1511
Beschreibung
Inschriften auf der größten der drei Bronzeglocken,1) die im Jahre 1860 umgegossen wurde. Inschrift (A) einzeilig um den Hals, die letzten Worte darunter; (B) am Schlag, in den vier Himmelsrichtungen.
Nach Wette.
Schriftart(en): Gotische Minuskel. Worttrennung durch Kreuze (?).2)
- A
Anno + d(omi)n⟨i⟩a) + m + ccccc + xi +vox + mea + vox + vite + vos + voco + ad + sacra + venite+ o + s(ancta) + Maria + Magdalena + pit + got + vor + mein + volk + wen +/b) man + mich + leuten + ⟨i⟩stc)
- B
3)+ ihsd) + // + nazarenvs + // + [rex]e) + // + ivdeorvm +
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1511. Meine Stimme ist die Stimme des Lebens. Ich rufe euch: Kommt zum Gottesdienst.4) O Heilige Maria Magdalena, ...
Versmaß: Leoninischer Hexameter (A).
Textkritischer Apparat
- Dnne Wette.
- Die letzten vier Worte nach Wette „einwendig darunter“.
- zct Wette.
- = iesus.
- „ganz verblichen“ Wette.
Anmerkungen
- Nach dem Kunstdenkmälerinventar (BuKTh Jena, 184) gab es um 1885 drei Glocken von 1860, 1701 und 1760; Wette 1756, 363–364 dagegen kennt drei Glocken von 1511, 1701 (Johann Rose) und 1672 (Hans Berger in Weimar). Nach den Kirchenakten von Löbstedt (im Stadtkirchenarchiv Jena) wurden 1917 zum Einschmelzen abgegeben: Glocke von 1860 (776 kg), von 1701 (310 kg); die kleinste Glocke von 1760 (120 kg) wurde „für die Bedürfnisse des Gottesdienstes“ zurückgestellt.
- Wette druckt ohne weitere Bemerkung zwischen den Worten Kreuze; vgl. aber die Rosenberger-Glocke Nr. 117, wo kleine Kleeblätter zwischen den Worten stehen.
- Io. 19,19.
- Oder: Ich rufe euch zum Gottesdienst; kommet!
- Bergner 1896, 229; zu Marcus Rosenberger, vgl. Nr. 117.
- So auf Nr. 132 von 1522; ferner auf der Glocke in (Unter-)Renthendorf üb. Stadtroda von 1507 (Bergner 1896, 196 Nr. 11; beim Brand der Kirche 1958 gesprungen, jetzt im Kirchgarten liegend, s. H. Weinhold, Kirchen um Stadtroda, Berlin 1980, 52 Abb. 33), die ebefalls den Titulus auf dem Glockenrand aufweist. Auch auf der Glocke in Thränitz üb. Gera, BuKTh XXV (Weida), 1897, 81 Nr. 1.
- Bergner 1896, 187 Nr. 30: Anno dni mo ccccco xii vox mea vox vite vos voco ad sacra venite O S(anctus) Georgivs ora pro nobis. Ferner 1510 in Braunsdorf b. Zeulenroda, BuKTh XXIV (Auma), 1897, 198 Nr. 1.
- In wörtlicher Entsprechung DI 19 (Göttingen). Nr. 29 von 1402. Ein sehr früher Beleg ist DI 17 (Lkrs. Haßberge), Nr. 3 (M. 13. Jh.): + VOX ∙ EGO ∙ SVM ∙ VITE ∙ VOCO ∙ VOS ∙ ADORARE ∙ VENITE (Nr. 87 von 1510 mit dem simplex orare, wie auch DI 1 (Main- und Taubergrund), Nr. 460, 15./16. Jh.). Auf drei Glocken im Krs. Hassberge von 1448, 1513 und 1518 (Nrr. 36, 91, 96) wird der Schluß zu cristum laudare venite verändert, wie auch auf der Glocke DI 18 (Lkrs. Bamberg), Nr. 76, von 1492.
- Für den Schluß voco vos, ad sacra venite gibt es ebenfalls Beispiele bereits aus dem 14. Jh.: BuKTh XIII (Allstedt), 1891, 47 in Niederröblingen: DV(M) TRA(H)OR AVDITE VOCO VOS AD SACRA VENITE, und ebenso eine Minuskelglocke des 15. Jh.(?), BuKPrSa XXVII (Querfurt), 1909, 178.
- DI 17 (Lkrs. Haßberge), Nr. 107 (von 1524), aus dem ehemaligen Benediktinerkloster Obertheres: O comites vitae Dominum meditando venite. Entfernt vergleichbar ist eine Hilliger-Glocke von 1610 in Ortrand, BuKPrSa XXVIII (Liebenwerda), 1910, 197: ME RESONANTE DEI RESONET TVBA SANCTA VENITE; der mittelalterliche Reim ist hier freilich aufgegeben.
Nachweise
- Wette 1756, 363.
- Bergner 1896, 206 Nr. 2.
Zitierhinweis:
DI 39, Landkreis Jena, Nr. 111† (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006k0011106.
Kommentar
Bergner wies die Glocke dem Gießer Marcus Rosenberger zu,5) veranlaßt durch den für diesen Gießer offenbar typischen Spruch O ... bit(te) Gott für mein Volk, wenn man mich leuten ist.6) Mit dessen Glocke von 1512 in Tautenburg (Nr. 117) hat die Löbstedter ferner die vier Worte des Titulus zwischen Kreuzen auf dem Glockenrand gemeinsam. Die Kombination eines Fürbitte-Spruches mit dem Glockenvers Vox mea ... venite begegnet auch auf der Glocke in Thalbürgel b. Eisenberg von 1512,7) von Bergner ebenfalls Rosenberger zugeschrieben. Offenbar war der Meister in diesen beiden Jahren in der Umgebung Jenas tätig. Der Vers selbst weist schon durch seinen Reim auf das 13./14. Jh., und er läßt sich in der Tat mit verschiedenen Abwandlungen durch fast vier Jahrhunderte verfolgen,8) wobei ihm als konstantes Merkmal der Imperativ venite am Schluß bleibt.9) Er verliert auch in der Zeit der Reformation nicht an Interesse, wie Versuche beweisen, die alte Form mit neuem Inhalt zu füllen.10)