Inschriftenkatalog: Landkreis Jena
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 39: Landkreis Jena (1995)
Nr. 36 Reinstädt, Dorfkirche St. Michaelis 1445
Beschreibung
Zwei Fragmente einer Bauinschrift, eingelassen in die Mauer des Turmes in Höhe des ersten Geschosses, innen. Quader aus gelblichem Sandstein. Fragment (A) an der Ostwand hinter der Eingangstür in das Turmgeschoß; Fragment (B) an der Südwand unter der Treppe, kopfstehend, wurde 1978 von H. Weinhold entdeckt.1) Inschrift auf Fragment (A) in vertieften Bändern, die Zeilen durch flachen Steg getrennt; in Z. 1 links, in Z. 2 rechts Rand. Inschrift auf Fragment (B) in vertieftem Feld, ein Steg zwischen den Zeilen ist nicht erkennbar; unten und rechts abgebrochen, in Z. 1 links Rand.
Maße: (I) H. 26 cm; B. 73 cm; D. 48 cm; Bu. 9,5 cm; (II) H. 25 cm; B. 40 cm; D. nicht meßbar; Bu. 10 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel, erhaben.
- I
Anno d(omi)ni mo ccocc/xlv i(n) die ciriaci
- II
e(st) co(m)pletu(m) – – – / .... – – –
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1445, am Cyriacus-Tag, ist vollendet ...
Datum: 8. August 1445.
Anmerkungen
- Mühlmann 1981b, 264 Anm. 8.
- Vgl. BuKTh Kahla, 149–152; Bergner 1894, 558–563; Bergner 1894a, 75–82; F. Lehmann, in: MVGA Kahla 7, H. 1, 1927, 42–51; Weber 1935, 86; Mühlmann 1981b, 263.
- An den Bergfried denkt Bergner 1894, 561.
- S. Einleitung, S. XIV, Anm. 9.
- Vgl. Nr. 58.
- Löbe 1891, 664.
- Bergner 1894a, 79 rechnet nicht mit einer Zerstörung im Bruderkrieg. Er sieht in der Inschrift von 1445, von der er nur das Fragment (I) mit der Datierung kannte, das Jahr des Umbaues der alten Burganlage zur gotischen Kirche, muß den Chor (vgl. Nr. 77) „kurz vorher“ datieren, und weiß dann mit der Inschrift am Turm, Nr. 52, nichts Rechtes mehr anzufangen (möglicherweise Erhöhung des Turmes oder erneuter Umbau des Langhauses).
- Mühlmann 1981b, 263–265.
- Mühlmann 1981b, 263 und Abb. 27. Die Inschrift lautet: ∙ an(n)o ∙ do(min)i ∙ mO ccccO ∙ xlvO ∙ i(n) / vigilia ∙ s(anc)ti /∙ ciriaci ∙ p(er) ∙ aud'a ∙ kreb'; der Schluß ist noch ungedeutet: p(er) aud(iend)a krebre, „um des häufig zu Hörenden willen“, will Mühlmann.
- Da die beiden Orte zum Archidiakonat Beatae Mariae Virginis Erfurt gehörten, will Mühlmann den Konsekrator mit dem Erfurter Weihbischof Hermann, Titularbischof von Cytrus, eingesetzt 1435 und bis 1452 urkundlich faßbar, identifizieren.
- Wegen der drei Worte am Schluß p(er) aud(iend)a krebre (s. Anm. 9) glaubt Mühlmann, „hier keine Bauinschrift“ vor sich zu haben, „sondern vielmehr den Hinweis auf die Weihe“ (a. O. 264).
- A. O.: „... daß die vom 8. August 1445 in Reinstädt nicht als Bauinschrift in Anspruch genommen werden kann“.
- Es ist müßig zu spekulieren, ob man die Inschrift, wenn sie den Baubeginn angezeigt, an ihrer Stelle belassen hätte.
Nachweise
- Bergner 1894a, 79.
- Mühlmann 1954, 12.
- Mühlmann 1967, 45.
- Mühlmann 1981b, 264 und Photo Abb. 26 (I) und 28 (II), Nachzeichnung Abb. 37 (I) und 38 (II).
Zitierhinweis:
DI 39, Landkreis Jena, Nr. 36 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006k0003604.
Kommentar
Der Zusammenfügung der beiden Fragmente, von denen (A) schon lange, (B) erst seit kurzem bekannt ist, stehen weder äußerliche (Material, Abmessungen, Schrift) noch, wie zu zeigen ist, inhaltliche Gründe im Wege; erst durch den gegenseitigen Bezug gewinnt die Inschrift ihre Bedeutung für die Baugeschichte der Reinstädter Wehrkirche. Diese ist bislang nur unvollkommen untersucht worden.2) Insbesondere ist das Verhältnis der ehemaligen Burg, von der nur die Kemenate in der Gestaltung des 15. Jh. (vgl. Nr. 28) noch erhalten blieb, zu der wenige Meter entfernten Kirche unklar, deren Turm ursprünglich frei gestanden haben muß, wie das umlaufende Sockelgesims lehrt. Vielleicht war er einmal Teil der alten Reinstädter Burg.3) Zu Beginn des 15. Jh.(?) wurde aus Teilen der Burg die Kirche in spätgotischem Stil erbaut; dabei wurden die Wehrmauern in das Langhaus einbezogen und der Turm eingebunden. Die Inschrift von 1445 scheint den Abschluß zu dokumentieren. Ein Jahr später brach der „Sächsische Bruderkrieg“4) aus (1446–1451), der sich sehr bald schon gegen die Besitzungen seiner Anstifter selbst, der Brüder Apel und Busso Vitzthum, wenden sollte. Hz. Wilhelm (1445–1482) verkaufte die ihm 1447 von Apel Vitzthum zwangsweise überlassene Kemenate und zugehörigen Dörfer im Jahre 1448 an seinen Kriegshauptmann und Wagenmeister Heinz von der Pforten.5) Den traurigen Zustand der Gebäude belegt dessen Klage gegen die Erben Hz. Wilhelms, von denen er 1140 Gulden für die Besserung der Kemenate und der Güter in Reinstädt einforderte.6)
Um die Kirche wird es nicht besser gestanden haben. So dauerte es sicher auch einige Jahre, bis sie als Wehrkirche wieder aufgebaut war.7) Im einzelnen läßt sich das Baugeschehen nicht mehr dokumentieren. Der Chor war durch die Inschrift Nr. 77 datiert, die nicht mehr zu entziffern ist. Das Langhaus wurde offenbar durch das Vorblenden von Strebepfeilern zur Einwölbung vorbereitet, die dann aber unterblieb. Schließlich hat man auch den Turm aufgestockt und wiederhergestellt. Für den Beginn dieser Arbeit nennt eine Inschrift (Nr. 52) das Jahr 1473; hierzu stimmt es gut, daß die ältere der beiden Glocken (Nr. 53) drei Jahre später gegossen worden ist.
Mühlmann,8) dem die bislang intensivste Behandlung der Inschrift von 1445 verdankt wird, wies als erster auf einen möglichen Zusammenhang zwischen deren Datum (8. August 1445) und der Sakramentsnische in der 6 km entfernten Kirche von Meckfeld b. Blankenhain hin, die durch eine Inschrift auf den 7. August 1445 datiert ist.9) Das Zusammentreffen der beiden Daten erklärt er mit dem „Dienstweg“ eines durch die Lande von Kirche zu Kirche ziehenden Weihbischofs.10) Hierbei bemüht er sich, die beiden genannten Inschriften als Weihedaten zu erweisen. Das überzeugt weder für die Meckfelder11) noch für die Reinstädter Inschrift,12) weil er nicht nur auf künstliche Weise Bauabschluß und Weihe voneinander trennt, sondern auch die Zusammengehörigkeit der beiden Fragmente (A) und (B) gegen den Augenschein leugnet.13)
Der ursprüngliche Standort der Inschrift ist unbekannt. Bei der im Jahre 1473 begonnenen Wiederherstellung des Turmes wurde sie zerschlagen und die Fragmente als Spolien an entlegener Stelle verbaut.