Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 87 Pfk. Zur Schönen Unserer Lieben Frau 1505

Beschreibung

Sterbeinschrift auf dem Epitaph des Johann Permetter, genannt Adorf. Innen, Nordseite, östlich des Eingangs zur Sakristei in der Wand. Hochrechteckige Platte. Im unteren Teil Schriftfeld (I) mit Inschrift in fünf Zeilen. Die Schrift ist erhaben, der Mittellängenbereich ist durch eine vertiefte Leiste gekennzeichnet, über die Ober- und Unterlängen in eine jeweils ebenso breite, nicht eingetiefte Fläche hinausragen. Über der Inschrift Relief in zwei Zonen, unten: liegendes Skelett, von Würmern und Kröten zerfressen. Darüber Lehrszene: unter einem Architekturrahmen links der Verstorbene, auf dem Katheder stehend, dozierend, an den Katheder gelehnt Wappenschild, vor ihm auf einer Bank mit Pult zwei in Büchern mit vertiefter Schrift, schwarz gefasst (II), lesende Schüler, auf einer Bank an der im unteren Teil getäfelten Wand, die im oberen Teil mit einem Ornamentmuster geschmückt ist, weitere lesende Schüler, ein weiterer Schüler stehend. Darüber Gottesmutter auf einer von Engeln gehaltenen Wolke, dem Christuskind eine Traube reichend, über ihrem Haupt halten Engel eine Krone. In den Ecken über der Architektur zwei sitzende und lesende Figuren, links Hl. Hieronymus mit dem Löwen, rechts Hl. Thomas von Aquin. Rotmarmor. Reste von goldener Fassung (19. Jh.?) bei der Inschrift, beim Stern des Wappens, dem Band unter Mariens Thron und ihrer Krone.

Maße: H. 287 cm, H. (Schriftfeld) 59 cm, B. 149 cm, Bu. 5,5 cm (I), 2,2 cm (II).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© BAdW München, Inschriftenprojekt [1/3]

  1. I.

    Adorff · Me · Genuita) · Docujta) · Lipss(ia)a) · Theologiea) ·Ecclesieq(ue) / · Gradum · Tradjdjt · Auripolisa) ·In · Grege · Pastor · / Erama) · Fidei · Mysteria · pandens ·Grex · Maneta) · At · / Ductor · Peste · Furente · Cadit ·/ Moritur · Anno · Chr(ist)i · 1505 · Sexto · Non(as) · Octobr(is) ·

  2. II. Auf dem linken Buch:

     In prin/cipio / E[r]atb) / [verb]umb) // etc) verbu(m)

  3. Auf dem rechten Buch:

     erat

Übersetzung:

Adorf hat mich gezeugt, Leipzig mich gelehrt, Würden der Theologie und der Kirche verlieh mir Ingolstadt. Der Herde war ich ein Hirte, die Sakramente des Glaubens spendend. Die Herde bleibt, aber der Führer fällt durch die wütende Pest. Gestorben im Jahre Christi 1505 am sechsten Tag vor den Nonen des Oktober. (I) Am Anfang war das Wort und das Wort. (II)

Bibel- und Schriftstellerzitat(e):

  • Nach Vitae Vergilianae 35f. (I); Io 1, 1. (II)

Versmaß: Distichen. (I)

Datum: 1505 Oktober 2.

Wappen:
Permetter1).

Kommentar

Halm wollte das Epitaph Hans Beierlein dem Mittleren zuschreiben, diese Zuschreibung nehmen auch Reindl und Hofmann auf, dem widersprach Schädler, der seinerseits eine Zuschreibung an einen Ingolstädter Meister propagierte. Einen allerdings in seinem Schaffen anders einzugrenzenden Ingolstädter Meister vermutet auch Liedke2). Der Schriftbefund lässt jedenfalls in den Einzelformen keine direkte Übereinstimmung mit Beierlein erkennen, auch die Auswahl der sehr viel zahlreicher eingesetzten und bewegteren Versalien weist in eine andere, wohl mehr dem Buchschriftlichen Bereich zuzuordnende Tradition.

Johann Permetter, der sich nach seinem Geburtsort im Vogtland Adorf nannte3), hatte in Leipzig die Artistenfakultät besucht und Theologie studiert. Er war Magister und Baccalaureus formatus als er sich am 13. April 1472 an der Hohen Schule immatrikulierte. Ab 1473 war er Pfarrer der Kirche Zur Schönen Unserer Lieben Frau und Professor der Theologie an der Ingolstädter Universität, deren erster Promovend er war. Er war ein Anhänger der Via antiqua4), die Werke des Hl. Hieronymus (Vulgata) und des Hl. Thomas von Aquin (Scholastische Theologie) bildeten die Grundlage seiner Lehrtätigkeit. Beide Kirchenlehrer sind deshalb auch auf seinem Epitaph abgebildet. Permetter bestimmte die Geschicke der Universität in deren Anfangsjahren als einziger Ordinarius der Theologischen Fakultät und vielfacher Rektor der Universität entscheidend mit; dass er kaum Schriften hinterließ, nimmt daher nicht Wunder. Daneben füllte er auch sein Amt als Pfarrer des Münsters mit großer Hingabe aus. Er starb an der Pest, wie Mederer angibt, weil er seine Seelsorgetätigkeit trotz des Kursierens der Seuche fortführte5). Hierauf verweist auch der Text des Epitaphs. Permetter stiftete zwei Bildfenster für die Münsterkirche (vgl. Nr. 70, 90) und zwei Stipendien für Theologiestudenten am Georgianum6). Neben seinem Epitaph gab es noch ein Holzepitaph, und eine Grabplatte an seinem Bestattungsort im Chor vor dem Hochaltar im Münster (vgl. Nr. 88† und 89†) sowie eine Gedenktafel in der Hohen Schule (vgl. Nr. 91).

Textkritischer Apparat

  1. Es folgt als Worttrenner ein Doppelpunkt.
  2. Durch die Hand des Schülers verdeckt.
  3. Auf der rechten Buchseite.

Anmerkungen

  1. Sechsstrahliger Stern.
  2. Vgl. Halm, Studien I, 127ff; Reindl, Loy Hering 99.
  3. Adorf, Vogtlandkreis/Sachsen.
  4. Vgl. dazu zuletzt: Hoenen, Wegestreit, passim.
  5. Zur Matrikel vgl. Pölnitz, Matrikel 1472, 11,18; vgl. auch Biographisches Lexikon 2, dort zur älteren Literatur.
  6. Vgl. Schmid, Georgianum 36; Real, Stipendienstiftung 40-43.

Nachweise

  1. Clm 2105 fol. 53v-54r; Oefeleana 300 p. 126f.; Cgm 3017 fol. 4v; Rotmar, Annales fol. 71v; Rotmar, Almae fol. 96; Mederer, Annales I, 68ff.; Gerstner, Frauenkirche 62 (teilweise Edition); Ostermair, Stadtpfarrkirche 24; Schmid, Georgianum Abb. 10; Verdière, Histoire 30 (teilweise Edition); Fischer, Stadtpfarrkirche 15 (teilweise Edition); Kdm OBB I (Ingolstadt) 34f.; Halm, Studien I, 126-129 (m. Abb.); Schädler, Epitaphe 45-49; Hofmann, Porträts 17f., 21f.; Liedke, Überlegungen 47-56; Liedke, Augsburger Sepulkralskulptur III, 92, Abb. 77; Hofmann, Porträts 17-22; Koller, Grabsteine 48-50 (m. Abb.); DiB I.1 (Ingolstadt) CLVII (Abb.); Steininger in: Brandl, Liebfrauenmünster 224, Abb. 32.

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 87 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0008708.