Inschriftenkatalog: Stadt Ingolstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 99: Stadt Ingolstadt (2017)

Nr. 39 Paris, Musée de Cluny 1472

Beschreibung

Stifterinschrift der Anna Hofmann und Künstlerinschrift des Hans Greiff auf dem Reliquiar der Anna Selbdritt. Musée de Cluny (Inv. Cl. 3308), 1861 von der Galerie Soltikoff für das Museum erworben. Soltikoff kaufte das Reliquiar aus der Sammlung Debruge-Duménil. Aus dem Kloster St. Johann im Gnadenthal (?). Heilige Anna auf einem Thron unter einem gotischen Baldachin sitzend, auf ihren Knien links Maria, rechts das Jesuskind, zwischen ihnen ein Kästchen zur Aufnahme der Reliquie. Das Reliquiar steht auf drei Löwen. Auf der Rückseite die Fertigungs- und die Stifterinschrift.

Beschreibung und Text nach Abbildungen in Ingolstadt II, Maße nach Erlande-Brandenburg, Musée national.

Maße: H. 48,6 cm, B. 21 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. hanns greiff golczsmid hat gemacht / anna hofmanin . rentmaisterin / das pild sant anna vnd zbay paczein / vnd bigeta) als · ix · marck fir gold / silber vnd lon gestet · x gvlden reinis / geschechen an sant micheltag · m · cccc · / vnd · lxxii · iar

Datum: 1472 September 29.

Kommentar

Die Lesung der Inschrift weist bei der Angabe des Lohnes des Goldschmieds eine Schwierigkeit auf. Die Angabe in römischen Zahlzeichen wurde sehr unterschiedlich gelesen, mal als X mal als C. Die bisherigen Editoren der Inschrift haben sich über diese Lesung offensichtlich keine Gedanken gemacht, da teilweise sogar in ein und derselben Publikation beide Lesungen geboten werden. Die Höhe des Schmiedelohnes einzuschätzen ist nicht einfach, besonders bei Goldschmieden findet sich meist eine kombinierte Abrechnung von Material und Arbeitslohn, häufig noch kombiniert mit dem Tausch vorhandener Edelmetallstücke. Der Lohn variiert zudem stark abhängig vom Renommee des Künstlers. Eine vergleichende Durchsicht mit den Freisinger Domcustosrechnungen der Zeit lässt eher einen Lohn von 10 Gulden rheinisch realistisch erscheinen, aber ganz kann auch eine Bezahlung von 100 Gulden nicht ausgeschlossen werden. Die Angabe des Arbeitslohnes auf dem Stück lässt eine außergewöhnlich hohe Summe nicht unwahrscheinlich erscheinen1).

Johann Hofmann ist zwischen 1447 und 1480 mehrfach als Rentmeister im Oberland Neuburg-Ingolstadt belegt2). Er und seine Frau Anna sind durch eine Urkunde des Stadtarchivs bereits für das Jahr 1449 in Ingolstadt belegt3). Anna stammte aus der Familie Heuberger (Haeberger). Ihr Bruder war der Manchinger Pfarrer Wilhelm Heuberger, der 1472 eine Messe an der Moritzkirche stiftete4). Anna Hofmann spendete regelmäßig für das Kloster St. Johann. So gab sie neben Essen und Trinken 22 fl. für den Bau des Regelhauses, 10 fl. für den Kirchenbau, einen Kelch, drei Messgewänder, vier Altartücher, ein Messbuch, zwei Engelsstäbe und zwei Leuchter sowie weitere Kirchenzier. Auch die Übergabe eines silbernen Bildes der Hl. Anna, also des Reliquiars, ist durch die Aufzeichnungen des Klosters belegt5). Auffällig ist, dass die Inschrift keinen Hinweis auf eine geplante Stiftung enthält, die Figur des Goldschmieds hingegen sehr prominent in der Inschrift auftritt, vielleicht war das Stück ursprünglich für den privaten Bereich als Hausaltärchen vorgesehen und wurde erst später dem Kloster übergeben6). Nach dem Tod des Johann Hofmann heiratete Anna in zweiter Ehe Hanns Schreyer, mit dem sie noch weitere Stiftungen an St. Moritz und St. Sebastian vornahm (vgl. Nr. 102).

Hans Greiff war vermutlich der Sohn eines gleichnamigen Ingolstädter Bürgers, seine Brüder waren der Spitalkaplan Sixtus Greiff (vgl. Nr. 92) und der Zöllner Martin Greiff. 1474 wurde er in den Äußeren Rat gewählt, ab 1486 ist er Pfleger des Reichen Almosens, ab 1493 ist er als Mitglied des Inneren Rats belegt, zwischen 1498 und 1501 war er mehrfach Bürgermeister, noch 1516 ist er in Steuerlisten genannt7). Für Hans Greiff sind neben dem Reliquiar noch zahlreiche weitere Werkstücke belegt, darunter z. B. ein Deckelpokal aus dem Ingolstädter Ratssilber, der sich heute im Bayerischen Nationalmuseum (Inv. Nr. MA 3635) befindet8).

Textkritischer Apparat

  1. Sic, für wieget.

Anmerkungen

  1. Vgl. Ramisch, Freisinger Domcustosrechnungen z. B. Nr. 9.506, 7.353, 7.076. Für Hinweise zur Einschätzung der Geldsumme sei Hubert Emmerig, Institut für Numismatik und Geldgeschichte, Universität Wien, herzlich gedankt.
  2. Vgl. Ettelt-Schönewald, Kanzlei 559-562.
  3. StadtA Ingolstadt Urkunde A 447 vom 19. August 1449; weiterer Beleg 1461, vgl. Ettelt-Schönewald, Kanzlei 561.
  4. Vgl. dazu Hofmann, Geschichte I, 660.
  5. Vgl. Hufnagel, Franziskanerinnenkloster 249.
  6. Der Bestimmungsort des Stückes wurde – wohl ohne Kenntnis der Akten des Klosters Gnadenthal – diskutiert. Vorgeschlagen wurde eine Stiftung für die Annakapelle der Moritzkirche oder die Annenmesse des Hl.-Geist-Spitals, dafür finden sich jedoch keine Unterlagen, vgl. Goldschmiedearbeiten 49f.
  7. Vgl. Kuhn, Altingolstädter Goldschmiede 21- 24; Hofmann, Geschichte I, 528. Zum Reichen Almosen ebd. 651ff.
  8. Vgl. zu einer Werkliste Meininghaus, Goldschmiedemerkzeichen 146.

Nachweise

  1. Labarte, Description 476 Nr. 304; Sommerard, Musée des Thermes 405, Nr. 5015; Kuhn, Altingolstädter Goldschmiede 7, 23f.; Ingolstadt II, 27 (Abb. 14); Hofmann, Geschichte I, 702-704 (m. Abb. nicht der Inschrift); Erlande-Brandenburg, Musée National 105, Nr. 121 (m. Abb. nicht der Inschrift); Nixon, Mary’s Mother 21-27.

Zitierhinweis:
DI 99, Stadt Ingolstadt, Nr. 39 (Christine Steininger), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di099m018k0003903.