Die Inschriften der Stadt Ingolstadt

4. Die Schriftformen

Die Inschriftenüberlieferung setzt in Ingolstadt erst relativ spät ein, das früheste, nur kopial überlieferte Stück stammt aus dem Jahr 1307, das älteste Original aus dem Jahr 1349 (Nr. 2, zur Schrift siehe dort). Dieses Stück ist das einzige erhaltene Stück in Gotischer Majuskel. Ein zweiter in Gotischer Majuskel gestalteter Inschriftenträger, die sog. Antlaßglocke der Münsterkirche von 1408 (Nr. 10), stammt aus der Klosterkirche Biburg und ist somit für die Ingolstädter Inschriftentradition nur beschränkt verwertbar.

Gotische Minuskel

Bei den ältesten erhaltenen Inschriften in Gotischer Minuskel handelt es sich um die im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts gefertigten Inschriften der Stadttore (Nr. 3, 4, 6). Ebenfalls dieser Gruppe zuzuordnen ist die Bauinschrift des Hauses Theresienstr. 4 (Nr. 5). Gemeinsam ist all diesen Stücken die Verwendung querrechteckiger Kalksteintafeln als Inschriftenträger. Die älteste Inschrift am Älteren Feldkirchner Tor ist auf Grund ihres Erhaltungszustandes und ihres Anbringungsortes inschriftenpaläographisch nur eingeschränkt zu beurteilen. Auffällig ist die Verwendung von dem Alphabet der Gotischen Majuskel entnommenen Versalien. Einheitlich erhaben zwischen Stegen gearbeitet sind die Inschriften des Hardertores (Nr. 4), des Kreuztores (Nr. 6) und des Hauses Theresienstr. 4 (Nr. 5). Alle Inschriften zeigen eine locker spationierte Gotische Minuskel mit einer Tendenz zur Anbringung von Zierstrichen an Bogenenden, so beim s und am unteren Bogen des g , aber auch rechts am Balken des t sowie eine Umwandlung des e-Balkes zu einer über das obere Bogenende hinausragenden und manchmal nach oben umgebogenen Zierlinie. Die Bauinschrift des Jüngeren Feldkirchner Tores (Nr. 21) ordnet Liedke einer Gruppe von Bauinschriften in der Auftraggeberschaft Ludwigs im Barte zu, deren Werkstatt er in Ingolstadt vermutet. Sie ist vertieft gearbeitet und verwendet Versalien, auffällig ist hier das z aus drei übereinander gesetzten Quadrangeln, von denen das unterste in einem Bogen ausgezogen ist, eine g-Form die auf der Zeile steht und a mit einer Tendenz zur Ausrundung bei der Verbindung von senkrechtem und unterem Teil des gebrochenen unteren Bogens.

Eine epigraphische Beurteilung der Denkmäler des 15. Jahrhunderts wird häufig durch den Erhaltungszustand erschwert, so sind die älteste Grabplatte des Münsters für Arnold den Barbier (†1428, Nr. 16) und die durch ihr ungewöhnliches Format auffällige Rotmarmor-Grabplatte für Barbara Sentlinger (†1444, Nr. 24) so abgetreten, dass sich eine Beurteilung der Inschriften verbietet. Verwitterung betrifft die außen angebrachten Platten wie die der Münchner Haldnerwerkstätte zugeschriebene Platte für Conrad Endelshauser († 1444, Nr. 25). Auch bei der erhabenen Inschrift für Margareth Ekenthaler (†1446, Nr. 26) kann nicht sicher festgestellt werden, ob die zum Teil wie mit Zacken verziert wirkenden Schäfte sich tatsächlich dem Willen des Steinmetzen oder nicht doch dem Verwitterungsprozess verdanken. Die Inschrift zeigt jedenfalls äußerst [Druckseite 32] auffällige a-Formen: während der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens in einem nach links gewendeten eingerolltem Zierstrich ausläuft, wird auf den rechten Teil des gebrochenen Schafts eine kleine nach rechts eingerollte Zierlinie oben aufgesetzt. Ein ähnliches Zierelement findet sich nach links eingerollt auch am linken Schaft des h. Die älteste Platte der Franziskanerklosterkirche, das Rotmarmor-Denkmal für Ulrich Gurr und seine Ehefrau (gefertigt vor 1471, Nr. 35), bietet eine ausgeprägte Gotische Minuskel mit einer deutlich über das Maß der sonstigen Gemeinen erhöhten a-Form, der rechte Teil des oberen gebrochenen Bogens nimmt die gesamte Höhe des Oberlängenbereichs ein, der linke Teil ist in eine geschwungene, bis auf die halbe Höhe des Mittellängenbereichs reichende Zierlinie, die in einem an den Schaft angelehnten Kringel endet. Die gleiche runde Abschlussform ziert auch die Fahne des Schaft-r. Eine Tendenz zum Dekorativen, die mit einem durchgehenden Gestaltungsprinzip verbunden ist, zeigt sich auch in der Verwendung derselben Form an den Zierlinien eines jeweiligen Wortabschlusses, wenn der letzte Buchstabe in einem Schaft endet. Ein eigenhändiges Werk des Matthäus Roritzer ist die Grabplatte für Johannes Mainberger (†1475, Nr. 42); ihre Beschriftung entspricht genau dem für diese Werkstatt erarbeiteten Schriftkanon83). Sie stellt damit einen der wohl häufigen Ingolstädter Denkmalimporte dar. Während dieses Denkmal zu den hochrangigen Arbeiten des 15. Jahrhunderts in Ingolstadt gehört, ist eine weitere Gruppe von Denkmälern in Gotischer Minuskel, die Umschriftplatten für an der Münsterkirche wirkende Geistliche (1460–1480, Nr. 32, 38, 48), wohl eher mit lokalen Werkstätten in Verbindung zu bringen, ohne dass alle Stücke einer Hand zugewiesen werden könnten. Auch hier findet sich die Gotische Minuskel mit ihrer streng normierten Form der Gemeinen, Varianzen gibt es vor allem bei Einsatz und Gestalt von Versalien und Trennzeichen sowie beim Einsatz von Zierelementen. Deutlich davon unterschieden ist das Denkmal für Nikolaus von Regensburg (†1478, Nr. 46), auch das Denkmal für Jörg Reisacher (†1458, Nr. 53) steht deutlich in einer anderen Schrifttradition, ebenso das Denkmal für Peter von Castell-Frankoysch (†1488, Nr. 57). Das Epitaph für Andreas Wungst in St. Moritz (†1494, Nr. 67) zeigt eine hochniveauige Inschrift mit einer auffälligen Ausgestaltung der in die Trennleisten ragenden Ober- und Unterlängen und einer Neigung zu verspielten Formen bei Kürzungszeichen. Ein Vergleich mit der Inschrift des Plümel-Epitaphs am Münster (datiert 1499, Nr. 73), der sich auf Grund der kunsthistorischen Zuschreibung beider Stücke an eine Werkstätte nahelegen würde, ist wegen des schlechten Erhaltungszustands dieses Stückes, auch beim Heranziehen älterer Aufnahmen, kaum möglich. Unterschiedlich ist auf jeden Fall die Gestaltung der Schriftzeilen, die beim Wungst-Epitaph zwischen Leisten gesetzt sind, worauf das Plümel-Epitaph verzichtet. Das Denkmal für Wolfgang Schram (†1499, Nr. 72), das eine sehr gitterförmige Gotische Minuskel mit dem ersten Vorkommen eines kastenförmigen a in Ingolstadt zeigt, nähert sich wieder den Steinen im Umfeld der Münsterbauhütte an, wobei die Gotische Minuskel hier, im Gegensatz zu den älteren Stücken, modernere Formen aufweist, so z.B. das Schluss-s bei des heiligen , aber auch die Zierformen bei i-Punkten, den zu einer Linie umgeformten e-Balken und den Zierlinien bei den Balken von t und f. Ebenfalls wohl aus der heimischen Denkmalproduktion, nicht aber aus dem Münsterbauhüttenumfeld stammt die Grabplatte für Georg Zingel (vor 1508, Nr. 83). Die Gotische Minuskel dieses Stücks ist weit lockerer spationiert, charakteristisch ist vor allem die Form des g . Der untere Bogen ist zu einer geschwungenen, parallel unter den oberen Buchstabenkörper gesetzten Linie aufgelöst, der Schaft des g reicht in die Oberlänge und kreuzt den zum Deckbalken umgeformten oberen Bogenabschnitt. Die Grabtafel für Elspet und Ursula Plenk (†1502, Nr. 85) steht in der Tradition des Wungst-Epitaphs ohne dessen Meisterschaft erreichen zu können. Interessant ist dieses Stück, da beide Beschriftungen mit zehn Jahren Abstand vermutlich die Schriftentwicklung einer Ingolstädter Werkstatt bei streng vorgegebenem Gestaltungsschema nachvollziehen lassen. Der weniger tief eingehauene Nachtrag zeigt insgesamt einen bewegteren Schriftcharakter, die Struktur ist weniger Gitterförmig. Sehr konservativ zeigen sich die beiden Denkmäler aus dem Umfeld der Familie Hahnenkempel-Ehinger in der Sebastianskirche (†1504 bzw. 1507, Nr. 86, 94). Beide Denkmäler, die wohl aus einer Werkstatt stammen, zeigen eine Gotische Minuskel ohne jegliche Zierformen. Auf einem ganz anderen Niveau bewegt sich das Denkmal für Johannes Permetter (†1505, Nr. 87), wenn hier tatsächlich eine Ingolstädter Werkstatt tätig war, wie von der Kunstgeschichte mehrfach vorgeschlagen, so ist der hier tätige Meister was seine Schriftgestaltung anbelangt, jedenfalls nie mehr auf gleicher Gestaltungshöhe tätig geworden. Die in der Franziskanerkirche befindlichen Denkmäler für Georg Kaiser (†1510, Nr. 98) und Hans Knebel (†1518, Nr. 110) stehen beide in der Tradition altbayerischen Kunstschaffens, [Druckseite 33] ohne dass auf Grund der Gestaltung der Inschriften Hände oder Werkstätten erkannt werden können. Anders steht es um die Denkmäler der Familie Esterreicher (um 1520, Nr. 114, 116). Hier hat der Ingolstädter Stephan Rottaler beide Werke signiert.

Mit den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts beginnt auch in Ingolstadt das allmähliche Eindringen von Frakturelementen in die Gotische Minuskel, auf den kleinen Grabplättchen für Johannes Rechenschink (†1531, Nr. 136) und Conrad Schaider (†1534, Nr. 144) finden sich das einstöckige a und eine Tendenz zu Verlängerung von Anstrichen z.B. beim v am Wortanfang, auch eine Aufgabe der Gitterförmigkeit ist bereits zu erkennen, ansonsten herrscht jedoch der Formenkanon der Gotischen Minuskel mit seinen Brechungen vor. Das langsame Eindringen der Fraktur zieht sich in Ingolstadt bis zur Mitte des Jahrhunderts hin, auch das Grabtäfelchen für Johannes Eck (†1543, Nr. 166) zeigt in einer Gotischen Minuskel Frakturelemente wie einen mandelförmigen Buchstabenkörper bei o und rundem d, ebenso die nur im Photo überlieferte Priestergrabplatte des Jakob Schaider (†1551, Nr. 203†). Daneben bleibt bis in die 1550er Jahre die Gotische Minuskel präsent, nicht nur bei Grabplättchen wie dem des Wolfgang Denkel (†1540, Nr. 162), sondern auch bei größeren Denkmälern wie dem für Caspar Vogt und seine Frau (†1541, Nr. †163) oder dem Loy Hering zuzuweisenden Denkmälern für Hieronymus Tettenhamer und seine Ehefrau (datiert vor 1543, Nr. 170), Georg Schober (†1547, Nr. 187), Johann von der Leiter (†1547, Nr. 188) und Jörg Helnhauser (†1548, Nr. 194), dem Denkmal für Hans Reisolt und seine Frau (†1548, Nr. 196) oder dem Denkmal für Matthäus Zilgast (entstanden vor 1544, Nr. 171). Die Gotische Minuskel zeigt sich bei diesen Denkmälern als etablierte Schrift in vielfältigen Ausprägungen, teilweise mit einer Tendenz ins behäbig Runde wie beim Zilgast-Denkmal, teils in einer streng gitterförmigen Variante, wie z.B. beim Waldeisen-Denkmal (†1546, Nr. 174). Dabei zeigen Einzelformen durchaus eine Weiterentwicklung, die jedoch nicht immer den Weg Richtung Fraktur weisen. Einzelformen auf den Denkmälern für Anna Maria Riederer zu Parr (†1553, Nr. 207) und Georg Weber (†1554, Nr. 212), die vermutlich aus der gleichen Werkstatt stammen, zeigen das gleiche Phänomen. Einen ganz anderen Weg geht z.B. die Wappengrabtafel des Malers Melchior Feselen (†1538, Nr. 157). Streng dem Formenkanon der Gotischen Minuskel und der gitterförmigen Struktur verhaftet, wird diese Schrift aufs höchste stilisiert. Noch in den 1560er Jahren findet sich die Gotische Minuskel in sehr konservativen Formen auf Grabdenkmälern der Sebastianskirche; so auf dem Grabdenkmal für die Töchter des Georg von Schaffhausen (†1561, Nr. 221), und auf dem allerdings sehr abgetretenen Denkmal für Hans und Barbara Hedl (†1563, Nr. 231) sowie dem des Sebastian Siber und seiner Familie (†1563, Nr. 237). Auch wenn die gitterförmige Struktur hier einer lockeren Spationierung gewichen ist, folgen die Einzelformen streng dem System der Auflösung von Rundungen in Brechungen, o zeigt sich als Parallelogramm, ebenso die Buchstabenkörper von b und d sowie g, der obere Bogen des zweistöckigen a zeigt einen rechten gebrochenen Teil an dem ein runder Zierstrich angeschlossen ist. 1568 findet sich das letzte Steindenkmal in Gotischer Minuskel. Die Inschrift für Jörg Weinmaister und seine Ehefrauen (Nr. 259) zeigt einen äußerst konservativen Duktus. Es handelt sich um eine höchst disziplinierte Gotische Minuskel. Einzig und allein die Versalien zeigen modernere, der Fraktur entnommene Elemente. Der Gestaltungswillen des Steinmetzen zeigt sich nicht zuletzt durch die vorhandene Linierung und die Vorzeichnung des streng eingehaltenen Gitterschemas der Schäfte. Nur wenige Elemente entlarven die Schrift als späte Ausprägung, so z. B. der ausgerundete letzte w-Schaft, der Anschwung bei v am Wortbeginn und die stachelförmige Ausformung des zweiten Schaftes bei ij.

Der Gestaltungswillen des Auftraggebers zeigt sich auch in der darunter gesetzten lateinischen Stifterinschrift in einer ebenso streng durchformten Kapitalis.

Die in Ingolstadt vorhandenen Metalldenkmäler in Gotischer Minuskel (Nr. 31, 75, 166) stammen alle aus Nürnberg und sind der Vischerhütte und ihrem Umfeld zuzuweisen.

In Holz ist die Beschriftung der Trägerstangen der Zunftstangen (Nr. 97) in einer charakteristischen Konturschrift und die Inschriften aus einem Gestühl der Hohen Schule (Nr. 58) sowie die Zierschriften bei den Jesusmonogrammen der Parlatoriumstür in St. Johann im Gnadenthal (Nr. 76).

Unter den erhaltenen Bildfenstern mit Inschriften in Gotischer Minuskel sind die heute auf mehrere Museen verteilten Scheiben aus dem Kreuzgang des Franziskanerklosters zu erwähnen (Nr. 107, 128), die der Augsburger Glasmacherschule zuzuweisen sind. Das auffälligste Bildfenster mit Inschriften in Gotischer Minuskel ist das Achsenfenster des Münsters (Nr. 130). Hier ist jedoch eine Beurteilung der Inschrift auf Grund der Renovierungsmaßnahmen des frühen 20. Jahrhunderts nicht zielführend.

Frühhumanistische Kapitalis

Die Frühhumanistische Kapitalis ist in Ingolstadt nur in wenigen Beispielen, weniger als Textschrift, denn als zusätzliche Zierschrift belegt. Neben dem ältesten Beispiel, der Gebetsanrufung auf einem Steinrelief in St. Moritz (vermutlich aus dem Jahr 1492 Nr. 66) gibt es noch den durch die Initialen dargestellten Engelsgruß auf dem Relief für Andreas Wungst (†1494, Nr. 67) und die Namensbeischriften der Wappen auf dem Grabmal Georg Kaisers und seiner Ehefrauen (†1510, Nr. 98). Alle diese sehr kurzen Inschriften zeigen Leitbuchstaben der Frühhumanistischen Kapitalis wie epsilonförmiges E. Die aus Pergament ausgeschnittenen Apostelnimben der Zunftstangen der Ingolstädter Fischerzunft (datiert 1509, Nr. 97) zeigen zahlreiche durch Material und Technik bedingte Sonderformen. Die Basis dieser besonderen Schriftgestaltung ist eindeutig den Frühhumanistischen Schriften zuzuordnen.

Kapitalis

Die älteste Inschrift in Kapitalis ist das 1511 datierte, gemalte Grabdenkmal für einen Alexander (Nr. 100). Eine weitere, dem Ingolstädter Maler Melchior Feselen zuzuweisende, gemalte Kapitalis-Inschrift wird in das Jahr 1524 datiert (Nr. 121). Sie folgt dem Buchstabenkanon der Kapitalis, zeigt aber eine auffällige Gestaltung durch extreme Haar- und Schattenstriche. Das älteste Steindenkmal mit einer Inschrift in Kapitalis ist das 1526 geschaffene Epitaph für Wolfgang Peysser (†1526, Nr. 126). Auch hier ist das verwendete Material zu bedenken, da die erhabenen Buchstaben nicht aus dem Denkmal herausgearbeitet sind, sondern vermutlich aus Gips oder ähnlichem Material geformt und auf die Platte aufgesetzt wurden. Die einheitliche Ausformung der einzelnen Buchstaben lässt den Einsatz von Modeln vermuten. Die erste steinmetzmäßig gearbeitete Kapitalisinschrift, allerdings nur mit einem kurzen Text, findet sich auf dem Wappenstein des Georg Hauer (datiert 1526, Nr. 127). Sie zeigt eine Tendenz zu Buchstabenverbindungen und Enklaven. Die erste längere Inschrift in Kapitalis befand sich auf dem nur durch ein Photo überlieferten Epitaph für Georg Schwebermair (wohl vor 1530 entstanden, Nr. 134†). Es handelt sich um eine eigenhändige Arbeit des Eichstätter Bildhauers Loy Hering und entspricht in ihrer Schriftgestalt genau dem heringschen Formenkanon84). Gar nicht in der Tradition einer klassischen Kapitalis stehen die Denkmäler für Margaretha Schellnecker (†1531, Nr. 137) und Hans Demel und seine Ehefrau (entstanden zwischen 1530 und 34, Nr. 145). Beide zeigen A-Formen mit verkürztem Schrägrechtsbalken und längerem linksschrägen Balken. Das Schellneckerdenkmal daneben eine besonders auffällige runde T-Form am Wortanfang, die aus einem Bogen, verbunden mit einem senkrecht durch den Bogenscheitel geführten Schaft, besteht, das Demel-Denkmal ein oben spitzes, zweistöckiges Z. Die Schriften stehen in einer Tradition, die mehr einer zunehmenden Reinigung der Übergangsschriften als dem Neuanfang in der Wiederaufnahme klassischer Vorbilder zuzuordnen ist.

Deutlich an klassischen Vorbildern orientiert ist hingegen die Inschrift auf dem Grabdenkmal für Georg Hauer (gesetzt 1532, Nr. 139). Besonders die erhaben ausgeführte Inschrift des bekrönenden Medaillons (I) kennt klassische Vorbilder: die Linksschrägenverstärkung ist konsequent durchgeführt, die Cauda des Q ist stachelförmig gebildet, auch O zeigt eine Bogenverstärkung. Die Buchstabenformen auf den Spruchbändern sind hingegen zwar dem Kanon der Kapitalis entnommen, aber streng linear ausgeführt. Ebenfalls in der Tradition der klassischen Kapitalis steht das Denkmal für Christoph Langenmantel (†1538, Nr. 156). Schon die Disposition des als reines Schriftdenkmal gestalteten Wanddenkmals lehnt sich an antike Vorbilder an. Der Formenkanon der klassischen Kapitalis prägt das Schriftbild. Dennoch fallen einige Eigenwilligkeiten auf, die diesem Vorbild widersprechen, so tragen die I durchwegs Punkte, Satzzeichen werden eingesetzt, AE wird durch einen am unteren E-Balken angesetzten Zierhaken ausgedrückt, in PIISSIMO wird I und J für II gesetzt. Erst 25 Jahre später folgt mit der Wappentafel für Rudolf Zoanetti (Nr. 236) das nächste in Kapitalis ausgeführte Denkmal. Die Beschriftung folgt einigen Vorstellungen der klassischen Kapitalis, wie der Linksschrägenverstärkung, weicht aber in manch anderem auch davon ab, so tragen z.B. die I Punkte. Am Auffälligsten ist jedoch die Unsicherheit in der Ausführung. Einer noch sichtbaren Vorlinierung und Vorzeichnung wurde nicht immer gefolgt, teilweise ist die Ausführung einzelner Buchstaben nicht geglückt, so ist bei A der Schräglinksbalken [Druckseite 35] manchmal kürzer als der Schrägrechtsbalken, bei N berühren sich linker Schaft und Schrägbalken nicht an der vorgesehenen Stelle. N wirkt grundsätzlich zu breit im Verhältnis zu anderen Buchstaben. Die Mittelbalken von H und A sitzen auf unterschiedlicher Höhe.

Streng an klassischen Vorbildern orientiert ist die Inschrift auf dem Denkmal für Friedrich Staphylus (†1564, Nr. 243). Auf der Basis der klassischen Kapitalis beruht die Inschrift auf dem Denkmal für Adam Landau (†1573, Nr. 282): die Linksschrägenverstärkung sowie die Formen von D und O folgen den klassischen Vorbildern, auch das M mit gelegentlich kurz über der Grundlinie endendem Mittelteil zwischen geraden Seitenhasten entspricht zwar nicht dem Kanon, zeigt aber eine Orientierung in diese Richtung. Ebenso findet sich – eigentlich zum ersten Mal in Ingolstadt – eine durchgehende Ausbildung von Serifen. Dennoch zeigt sich das Denkmal schon auf dem Weg zu neueren Formen. Gänzlich unklassisch sind die Behandlung der E-Balken mit verkürztem Mittel- und Deckbalken sowie die Gestaltung der Cauda des R , die unter die Grundlinie geführt wird. Auffällig ist außerdem S, das häufig nach rechts aus der Achse gekippt ist, und die Aufnahme von Satz- und Trennzeichen aus dem mittelalterlichen Schreiben, außerdem wird zum ersten Mal eine schrägliegende Kapitalis benutzt.

Das Denkmal für Wolfgang Gotthard und seine Familie (ca. 1564, Nr. 247) steht in einer anderen Tradition. Die hier angewendete Schrift mit ihren punktierten I, dem R mit einer weit nach rechts unter die Zeile ausschwingenden Cauda, den teilweise mit deutlichen Serifen versehenen oberen Bogenenden bei S und B zeigt einen Gestaltungswillen, der sich gerade nicht am Vorbild der klassischen Kapitalis orientiert.

Neben diesen hochniveauigen Inschriften finden sich in Ingolstadt auch zahlreiche Beispiele einer eher handwerklich wirkenden Kapitalis, die sich hauptsächlich durch eine starke Linearität und schmal spationierte Buchstabenfolgen auszeichnet, ohne dass diese Ähnlichkeiten auf eine Hand oder Werkstätte hinweisen. Ein gutes Beispiel für diese Inschriften ist das Denkmal für Jörg Laist und seine Ehefrauen (entstanden vor 1578, Nr. 295); neben der ungewöhnlichen Kombination von Kapitalis und Deutsch als Inschriftensprache fällt hier besonders der Nexus litterarum zwischen A und R ins Auge. Ähnlicher Grundtenor und eine auffällige G-Form, die aus Bogen und nach links durchgebogener Cauda gebildet wird, zeigen die Denkmäler für Hermann Böttcher (†1579, Nr. 302) und Laurentius Sifanus (†1579, Nr. 304) sowie das Weihwasserbecken der Franziskanerkirche (gefertigt 1581, Nr. 311).

Auch unter diesen niederniveauigen Inschriften gibt es Denkmäler, die stärker am klassischen Ideal orientiert sind. So benutzt das Denkmal für Anna Sophia Weilhamer (†1582, Nr. 313) zwar die oben geschilderte G-Form, hier ist die Inschrift aber wieder breiter angelegt, gelegentlich findet sich ein Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, auch wenn von einer durchgängigen Konzeption nicht die Rede sein kann.

Auf ähnlichem Niveau zeigen sich auch die Denkmäler aus den Händen der Zoia-Familie (Nr. 299, 309, 315, 320), auch hier findet sich eine enger spationierte lineare Kapitalis.

Eine Bauinschrift an einem der ehemaligen Seminargebäude Ingolstadts eröffnet den Reigen der Kapitalisinschriften des 17. Jahrhunderts (Nr. 371). Die Inschrift – schon von ihrer Bestimmung her anders konzipiert als die Grabinschriften – zeigt eine vom klassischen Ideal hergeleitete Kapitalis, die allerdings auch für ihre Entstehungszeit typische Charakteristika bietet. So wird gerne das Mittel der Buchstabenvergrößerung bei tragenden Worten benutzt. Die auf der Zeile angebrachten Trennpunkte fungieren teilweise zusätzlich als Kürzungszeichen. Daneben tritt hier zum ersten Mal in Ingolstädter Kapitalisinschriften vermehrt das sogenannte Epigraphische Kürzungszeichen auf. Die runden Buchstaben O, Q, C sowie G mit in die Bogenlinie eingestellter Cauda sind beinahe kreisrund ausgeführt. Der D -Bogen füllt fast das ganze Zweilinienschema aus. Auffällig ist die Ausführung der Cauda des R, oft wird sie unter den folgenden Buchstaben gezogen. Ähnlich in ihrem Ansatz, jedoch schon wieder mit einigen Neuerungen ist das reine Schriftdenkmal für Johann Wolfgang Lutz (†1602, Nr. 391). Neben den vergrößerten Anfangsbuchstaben und der auch hier vorherrschenden Liebe zu kreisrunden Formen ist es eine Neigung zu Engstellungen, Verschränkungen und Enklaven. Ungewöhnlich ist auch die Setzung von Akzenten. Auffälligste Einzelform ist das D bei DVLCISSIMO , hier wird der obere Bogen des D ohne Berührung der Haste deutlich nach links verlängert. Eine ganz ähnliche Beschriftung zeigt auch die Wappengrabtafel für den gleichen Verstorbenen (Nr. 392). Ähnlich wird das obere Bogenende auf dem Epitaph für Albert Hunger (†1604, Nr. 402) gestaltet, hier findet sich der verlängerte, die Haste nicht berührende obere Bogen bei R und P nicht aber bei D. Auch der Schriftduktus ist ein anderer. Zwar werden auch hier Anfangsbuchstaben vergrößert, A zeigt dabei durchwegs einen [Druckseite 36] gebrochenen Mittelbalken, aber die Kapitalis ist eher enger spationiert, die Buchstaben tendieren zu länglichen Formen.

Endgültig in die Welt der frühbarocken Ausprägung der Kapitalis führt die Schrifttafel vom Grabdenkmal des Caspar Lagus (datiert 1606, entstanden vielleicht erst 1633, Nr. 413), sowohl die Wahl des Inschriftenträgers, einer Schiefertafel, als auch die Disposition der Inschrift in zentrierten Zeilen weisen auf die neue Zeit. Die Schrift selbst ist auf Grund des Nachziehens der Buchstabenformen mit Goldfarbe nur schwer zu beurteilen. Einzelne Elemente der klassischen Formensprache, wie zum Beispiel die Verstärkung der Linksschrägen werden bei Einzelbuchstaben, hier besonders bei A, noch angewandt, sie stellen jedoch kein durchgängiges Gestaltungsprinzip mehr dar. Auffällig ist die Ausgestaltung der Buchstaben durch Serifen an den freien Enden von Buchstaben, besonders bei S und G , aber auch an den L - und E -Balken. Die Cauda des R tritt in vielfältig unterschiedlichen Varianten, doch meist in einer geschwungenen Form auf, stets geschwungen ist auch der Rechtsschrägschaft des X.

In die gleiche Tradition gehört auch das ca. zwanzig Jahre später anzusetzende Denkmal für Joachim Denich (†1633, Nr. 529) und die Denkmäler für die Geisenfelder Konventualinnen (†1632 bzw. 1633, Nr. 518, Nr. 523). Die Umsetzung der Inschriften ist durch die Disposition auf den Denkmälern gekennzeichnet. Zentrierte Zeilen, variierende Buchstabenhöhen von Zeile zu Zeile können als gestalterisches Element eingesetzt werden, ebenso die Vergrößerung von Anfangsbuchstaben am Zeilenanfang oder zur Kennzeichnung tragender Worte. Bei der Gestaltung einzelner Buchstaben sind klassische Vorbilder noch präsent, werden aber nicht mehr als Norm begriffen.

Es gibt aber auch anders stilisierte Kapitalisformen, so die locker spationierte, breit angelegte Kapitalis auf dem Rinderbach-Denkmal (datiert 1612, Nr. 440), sie zeigt eine Tendenz zu Zierformen so hat die R-Cauda ein aufgerolltes unteres Ende. Auch das Denkmal für Christoph Freiherr von Hegnenberg von 1643 (Nr. 566) zeigt eine anders stilisierte Kapitalis, die streng linear ausgeprägt ist und vereinzelt Zierformen enthält, das Denkmal ist jedoch für eine detaillierte Analyse zu abgetreten. Die Tafel des Wolf Adam von Gumppenberg (Nr. 582), die in das Jahr 1648 datiert ist, zeigt nun zum ersten Mal die Unterscheidung von V und U und leitet zu den Inschriften der zweiten Jahrhunderthälfte über.

Die Kapitalis ist die Standardschrift für Beschriftungen in lateinischer Sprache, für Deutsch wird in der Regel die Fraktur benutzt, schön ist dies zusehen auf den Denkmäler für den 1615 verstorbenen Gerolfinger Pfarrer Johann Neser, außen an der Kirche ein deutsches Denkmal in Fraktur (Nr. 453), innen ein lateinisches in Kapitalis. Sie kann dabei auch in einer sehr einfachen Form auftreten. Das einzige gestalterische Merkmal sind die vergrößerten Anfangsbuchstaben (Nr. 452), auffällig ist die konservative Form der benutzten arabischen Zahlen und die wohl von der Vorlage übernommene –us-Kürzung. Ähnlich einfach in ihrer Gestaltung ist auch die Tafel für den Augustinerchorherrn Franz Stadler (†1631, Nr. 500).

Neben der Kapitalis als tragende Textschrift wird diese Schrift in Ingolstadt auch häufig als Auszeichnungsschrift auf Denkmälern genutzt. Als Textschrift der meist deutschen Beschriftungen dienen Gotische Minuskel bzw. Fraktur. Die Kapitalis wird meist für lateinische Zusätze benutzt, z.B. die Stifterinschriften Gelehrter oder Kleriker für ihre bürgerlichen Verwandten und vor allem für Gebetsanrufungen und Zitate aus Liturgie und Bibel. Zum ersten Mal kommt diese Vorgehensweise bei dem Denkmal für Leonhard Waldeisen (Nr. 174) vor, die lateinische Stifterinschrift des Bruders, eines Regensburger Suffraganbischofs, wird im Gegensatz zur deutschen Textschrift in Kapitalis gestaltet. Auf dem Denkmal für Georg Weber und seine Frauen wird zum ersten Mal ein Spruch (Nr. 212) in Kapitalis gesetzt. Es ist hier weniger die klassische Schriftausprägung als eine lineare Kapitalis, M zeigt konische Form mit auf halbe Buchstabenhöhe geführtem Mittelteil, E verkürzten mittleren und oberen Balken, O ist kreisrund. Direkt in das Bild der Taufe Jesu integriert ist die Kapitalis auf einem Schriftband unter Gottvater mit dem Bibelzitat aus Lukas 9, 35. Hier lehnt sich die Inschrift mehr an klassische Vorbilder an und zeigt Parallelen zur Textschrift auf dem Staphylus-Denkmal (†1564, Nr. 243). Sowohl die Stifterinschrift als auch ein liturgischer Vers werden auf dem Denkmal für Jörg Weinmeister (†1568, Nr. 259) in Kapitalis gesetzt, die Schrift ist sorgfältig ausgeführt, ihr Charakter ist bewegt. Die I tragen Punkte, E hat einen verkürzten Mittelbalken, S neigt sich leicht nach rechts, der obere Abschluss des C-Bogens und der T-Balken tragen Serifen. Auf die Spitze getrieben wird der Umgang mit der Kapitalis als Auszeichnungsschrift auf dem Grabdenkmal für die Familie Zierer (gesetzt 1585, Nr. 330). Auch hier dient als Textschrift die Fraktur. Die Kapitalis wird als Auszeichnungsschrift auf mehreren Ebenen verwendet, einmal als tragende Schrift auf den Bildbeischriften des zentralen Reliefs, zusätzlich als Schrift für Angaben zu den Personen jenseits der beiden zentralen Texttafeln im [Druckseite 37] Aufsatz und Unterhang des Wandgrabmales. Die Kapitalis auf dem Denkmal zeigt neben dem Merkmal der Linksschrägenverstärkung einen ungewöhnlichen Umgang mit vergrößerten Anfangsbuchstaben, vor allem in den Bildbeischriften des Hauptreliefs, hier ist der Kontrast zwischen den genau in das Zweilinienschema eingeschriebenen Gemeinen und der vergrößerten Buchstaben besonders auffällig.

Durch ihre Herstellungstechnik mehr dem Bereich der Buchschriften zuzuordnen sind die Steinätztafeln. Ingolstadt weist durch seine Nähe zu den Steinbrüchen des Altmühltales, in denen der für diese Herstellungstechnik ideale Plattenkalk gebrochen wird, eine große Zahl solcher Platten auf, allerdings meist aus dem 18. und 19. Jahrhundert. In den Bearbeitungszeitraum fällt die von einem noch nicht identifizierten Ätzer mit den Initialen Fa Ti gefertigte Platte für Erasmus Nadler und seine Ehefrau (Nr. 225). Sie zeigt eine an klassischen Vorbildern ausgerichtete Kapitalis mit durchgehender Linksschrägenverstärkung. M ist konisch gebildet, der Mittelteil reicht bis zur Grundlinie, R zeigt eine geschwungene Cauda.

Von den erhaltenen Ingolstädter Wappenscheiben zeigen die aus der Hohen Schule Inschriften in Kapitalis.

Weitere Kapitalisinschriften finden sich auf Gegenständen des Kunstgewerbes, so z.B. die gemalten Inschriften auf der Artistentruhe (datiert 1560, Nr. 226) und der Fakultätstruhe der Theologen (datiert 1606, Nr. 412), die in Einlegearbeit geschaffenen Holzinschriften auf dem Kanzelkorb (datiert 1564, Nr. 250) des Münsters oder die Goldschmiedearbeit auf den Ratsherrnlöffeln (datiert 1567, Nr. 256) oder die in Gusstechnik geschaffenen Inschriften der Ratstafel (datiert 1560, Nr. 226). Da hier nur wenige Stücke vorliegen, findet sich die Schriftbeschreibung bei den jeweiligen Stücken. Gleiches gilt für die wenigen überlieferten Wandmalereien (Nr. 307, 363, 374) und Metallarbeiten (z.B. Nr. 246, 298, 439).

Fraktur

Auf dem Weg zur Fraktur befinden wir uns bereits mit der 1526 datierten Stifterinschrift der Margarete Burckhard und Sterbeinschrift auf dem Epitaph des Peter Burckhard und seiner Ehefrau Ursula, geb. Hohenetl. (†1526, Nr. 125). Sie ist eindeutig eine Schrift der Übergangszeit, die Elemente aus dem Schreiben der Bastarda zeigt (a, f, s); sie enthält bereits die Leitbuchstaben der Fraktur wie z. B. das einstöckige a, die Schwellschäfte und den mandelförmig gestalteten oberen Abschnitt des e-Bogens. In ihren Proportionen erinnert die Schrift jedoch noch an die Gotische Minuskel. Charakteristisch sind auch die stark gerundeten Formen, z. B. bei o und a, das Fehlen der Brechungen, auch das u aus zwei Schäften und mit einem diakritischen Zeichen und die e-caudata soll erwähnt werden. Die erste voll ausgeprägte Fraktur findet sich in Ingolstadt auf dem Denkmal für Wolfgang Peysser iunior (Nr. 199) 1549. Während schon in den 1530er Jahren einzelne Frakturelemente in Inschriften in Gotischer Minuskel sichtbar werden (s. oben), ist die Schrift nun in diesem Denkmal in ihrer voll ausgeprägten Form vorzufinden, weshalb auch hier vermutlich von einem Denkmalimport auszugehen ist. Wohl aus Ingolstadt selbst stammt der Aufsatz des Grabdenkmals für die Familie Schranck (datiert 1556/1580, Nr. 219). Auch hier findet sich eine auf Grund der Leitformen, einstöckiges a, Schwellzüge beim f, der Fraktur zuzuordnende Schrift, die jedoch noch viel näher an der Gotischen Minuskel ist als das Peysserdenkmal. Auch die Inschrift für die Familie Kerl (datiert nach 1563, Nr. 241) zeigt eine eindeutig der Fraktur zuzuweisende Schrift, die dennoch auch Charakteristika der Gotischen Minuskel aufweist. Eindeutig der Fraktur zuzuweisen ist das spitzovale o, ebenso die Schwellschäfte beim h-Bogen und dem e-Balken. Es findet sich einstöckiges a, dessen Bogen in einen senkrechten Schaft mit zwei Abknickungen oben und unten umgestaltet ist und das sich so dem gitterförmigen Charakter der Gotischen Minuskel annähert, ebenso eine Form des runden d, bei der der linke Bogenabschnitt in einen senkrechten Schaft mit unterer Brechung aufgelöst wurde. Eine gewisse Gitterförmigkeit charakterisiert die Inschrift.

Siegfried Hofmann definiert auf Grund kunsthistorischer Kriterien eine Gruppe von zwischen 1560 und 1580 geschaffenen Denkmälern, die er einer in Ingolstadt ansässigen Werkstatt zuordnen will. Drei der Denkmäler tragen Inschriften in Fraktur. Das älteste ist für Hans Mair und seine Ehefrauen (†1564, Nr. 242), dann folgt das Denkmal für Georg Stern (†1565, Nr. 251) und zuletzt das für Michael Glück (†1567, Nr. 255). Alle drei Denkmäler zeigen eine entwickelte Fraktur, wie sie um 1560 zu erwarten ist. Die Beschriftung ist jeweils über das gesamte querrechteckige Schriftfeld, das von zwei geschwungenen Ornamenten beseitet wird, verteilt. Die Beschriftung des Sterndenkmals zeigt dabei eine Tendenz zur Berührung von Einzelbuchstaben, z. B. von b und [Druckseite 38] e und d und e, die die beiden anderen Denkmäler nicht aufweisen. a ist durchgängig einstöckig. Nur das Denkmal Mair kennt hier auch Formen mit eingekerbtem linkem a-Bogen, in einem Fall auch bei g. Gemeinsam ist allen drei Beschriftungen der stark verkürzte untere Bogen des g. Der Längsschaft des p ist besonders beim Denkmal Glück stachelförmig gebildet. Auffällig ist die Ausprägung der r-Formen, während das Denkmal Mair generell Bogen-r bevorzugt, ist im Denkmal Stern Bogen-r nur einmal als Schlussform verwendet, das Denkmal Glück benutzt ausschließlich Schaft-r. Generell ist paläographisch eine größere Nähe zwischen den Denkmälern Stern und Glück feststellbar. Das Denkmal Mair zeigt eine abweichende Formensprache.

Sehr konservativ geriert sich die Fraktur auf dem Denkmal für Wolfhainrich von Muggenthal (Nr. 272). Bewusst werden hier Gestaltungsmerkmale der Gotischen Minuskel aufgenommen. Kennzeichnend sind neben den gebrochen auf der Zeile endenden Buchstabenfüßen einige extrem stilisierte Einzelformen, so die fast einem Kapitalis-D gleichende, aber sicher aus dem runden d entwickelte d-Form mit geradem linken, oben schräg abgeschnittenem Längsschaft und fast mandelförmig ausgeführtem weit in die Oberlänge gezogenem Bogen. Ähnlich geformte Buchstabenkörper zeigen auch b und v. o ist spitzoval gebildet und leicht nach links aus der Achse gekippt. a tritt meist in einer zweistöckigen Form auf, der untere a-Bogen ist dabei zu einem linken Schaft reduziert, an den der haarstrichartig ausgeführte linke obere Bogenabschnitt unmittelbar anschließt. Der linke Bogenabschnitt und der den Buchstabenkörper bildende rechte Schaftteil des g sind meist nach innen durchgebogen. Besonders auffällig ist die große Zahl von Buchstabenverbindungen mit e (be, de, ge, he) , bei denen rundes e nur durch den oberen Bogen und einen kleinen Teil des unteren Bogens gebildet wird, der Rest der Bogenlinie aber durch den vorausgehenden Buchstaben repräsentiert wird. Ungewöhnlich in seiner Gestaltung ist das Denkmal für die Familie Wenig (gesetzt 1582, Nr. 315). Die tragende Textschrift zeigt eine ansonsten in Ingolstadt nicht so präsente Tendenz zum Dekorativen. Vielfältige Zierhäkchen gestalten Großbuchstaben, aber auch einige Gemeinen, diakritische Zeichen über u in Form eines Doppelpunktes mit Zierhäkchen haben keinerlei lautscheidende Funktion zwischen u und ü, dienen also der dekorativen Gestaltung. Einen weiteren Schritt macht die Entwicklung der Fraktur auf dem Denkmal der Familie Zierer (gesetzt 1585, Nr. 330). Hier zeigt sich deutlich, dass die Schrift nun als Alltagsschrift beherrscht wird. Die Buchstabengestaltung ist variantenreich, wobei sich hier dieser Reichtum nicht einer bewussten Variation von Einzelformen verdankt, sondern dem Schreiben als Umsetzung eines Textes. Die Gestaltung der Einzelformen ist nicht mehr so wichtig, die Textgestalt ist abhängig von Material und Platz, der dem Steinmetz zur Verfügung steht. Ähnlich der Befund bei der auf einem Quaderstein des Münsters angebrachten Sterbeinschrift für Martin Bachmair (†1587, Nr. 338). Disziplinierter und eher wieder dem Verspielten verpflichtet sind die Inschriften auf dem Denkmal für Michael Stoyberer und seine Ehefrauen (entstanden wohl zwischen 1583 und 1593, Nr. 355) und auf dem Denkmal für Georg Niedermair (†1595, Nr. 357). Auch hier findet sich eine variantenreiche locker spationierte Fraktur. r wird als rundes r und Schaft-r gestaltet, wobei die runde Form bevorzugt wird, s tritt in der langen und runden Form auf, wobei die runde Form sowohl aus zwei gegenläufigen Bögen gestaltet als auch in der Form mit zu Schaft verschmolzenem linken Teilen des gebrochenen oberen und unteren Bogens vorkommt, zusätzlich wird beim Stoyberer-Denkmal Schleifen-s als Versal benutzt. Bei einstöckigem a und g wird der Bogen in einen oberen geschwungenen Teil und eine Brechung unten aufgegliedert. Die Oberlängen von b, k , und langem s werden nach rechts umgebogen und meist mit einem vorne fast rechtwinklig angesetzten Schwellzug versehen. Diese variantenreiche Fraktur mit einer Liebe zu verspielten Versalformen findet sich in Ingolstadt um die Wende zum 17. Jahrhundert öfter, ohne dass die Ähnlichkeiten ausreichen würden, um eine Werkstatt eingrenzen zu können.

In die Gegenrichtung geht die Ausprägung der Fraktur bei den zahlreichen Denkmälern des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, beginnend mit dem für den Glockengießer Caspar Dietrich (†1596, Nr. 356), hier wird die Standardschrift möglichst vereinfacht, einheitliche Schrifttypen ohne besondere Gestaltungsmerkmale führen zu einer fast langweilig zu nennenden Normalität. Das 17. Jahrhundert bringt innerhalb der Inschriften eine Scheidung von deutschen Frakturtexten und eingeschobenen lateinischen Wörtern in Kapitalis, zum ersten Mal wird dieses Phänomen auf dem Grabdenkmal für Paul Murr in Mühlhausen (†1607, Nr. 418) fassbar, wo das lateinische Wort ASSESSOR in Kapitalis in den Frakturtext gesetzt ist. Die Frakturinschrift ist für eine Beurteilung zu abgewittert.

Das zweite Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts zeigt in Ingolstadt eine Rückkehr zu einer linearen, fast zur Gitterförmigkeit zurückkehrenden Fraktur. Sichtbar wird diese Tendenz auf dem Denkmal für Leonhard Briemelt (gefertigt vor 1608, Nr. 422) in Pettenhofen. Hier bietet die [Druckseite 39] Schrifttafel eine schlichte Fraktur, deren Hauptcharakteristikum die linear ausgeführten Schäfte des Schriftmittelbandes sind. Eine Prägung durch gerade Hasten in linearer Ausführung zeigt auch die Tafel für Margareth von Khäsen (†1611, Nr. 430) im Münster, auch die runden Formen passen sich ein Stück weit an, so zeigt o einen fast geraden linken Bogenteil, auch einstöckiges a zeigt links und rechts zwei zu geraden Schäften umgeformte Bogenteile mit einem Häkchen am unteren Schaftende, das einmal den unteren Bogen, einmal einen Abstrich darstellt.

Ein ähnliches Bild findet sich auch auf der Platte für Anna Maria Bilrolt (†1611, Nr. 432), hier wird sogar die zweistöckige a-Form wieder aufgenommen, ebenso auf dem Denkmal für Matthäus Schechtel (†1614, Nr. 448) in der Spitalkirche. Diese Form der Fraktur mit streng parallel ausgeführten Schäften des Mittellängenbereichs auch bei Buchstaben wie a und o und einer streng durchgehaltenen Parallelität der Oberlängen, z. B. bei Doppel-s oder Kombinationen von zwei Buchstaben mit Oberlängen, zeigt sich modellhaft, betont noch durch eine eher gestreckte Ausführung beim Epitaph des Hieronymus Wolf (†1612, Nr. 438). Gitterförmigkeit bleibt für die Ingolstädter Fraktur noch lange ein Thema, so noch auf dem Schriftdenkmal für Ludwig Dietrich Speth von Zwiefalten (†1612, Nr. 505). Auch die Wappengrabplatte für Hans Albrecht von Hegnenberg in Oberhaunstadt (†1623, Nr. 474) zeigt noch diese Formen, hier wird die gitterförmige Struktur jedoch durch die großen Wortabstände aufgelöst. Wieder auf dem Weg von dieser Gitterförmigkeit weg findet sich das Denkmal für Peter Hach und seine Ehefrau (†1628, Nr. 494), wie beim Hegnenbergdenkmal sind hier große Wortabstände zu konstatieren. Es wird jedoch auch wieder vorsichtig mit bewegten Formen experimentiert, so mit einer Einschnürung beim rechten Bogen des w und mit leicht geschwungenen Bögen beim a, auch bei b und d wird eine Tendenz zu bewegteren Formen sichtbar. Es bleibt jedoch bei einer weitestgehend linearen Gestaltung der Inschriften. Die Entwicklung der Fraktur bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts ist damit für Ingolstadt abgeschlossen, auch die Stücke aus den 30er und 40er Jahren zeigen die gleichen Formen und Gestaltungsmerkmale. Manche Stücke, so das Denkmal für Wolf Adam von Stubenberg (†1631, Nr. 501) bieten interessante Einzelformen bei den Gemeinen: x zeigt hier einen zu einem oben nach links umgebogenen und unter der Linie nach links gezogenen und nach rechts umgebogenen zweiten Schrägschaft, so dass eine Kreuzung der beiden x –Schäfte nur mehr in Ansätzen auf der unteren Linie erfolgt. Bei der tz–Ligatur wird über zweistöckigem z das t nur mehr durch einen bis an die obere Linie des Vierlinienschemas reichenden Anstrich repräsentiert. Die gleiche Form findet sich auch in dem Denkmal für Erhard von Erolzheim (†1635, Nr. 546).

Nicht jedem Steinmetzen gelingt der Umgang mit der Standardschrift seiner Zeit. Die Fraktur des Weyenmaier-Epitaphs (†1586, Nr. 337) wirkt insgesamt ungelenk, so bei der Ausführung von Standardformen wie a und g, die wie aus Einzelteilen zusammengefügt wirken und oft trotz Vorlinierung das Zeilenschema sprengen. Daneben finden sich interessante Einzelformen und Buchstabenkombinationen. Einen ähnlichen Befund zeigt auch das Denkmal für Ferdinand Offenheimer (Nr. 359). Die Buchstabengrößen variieren hier von Zeile zu Zeile, ohne dass hierbei ein Gestaltungswille erkennbar wäre, auch innerhalb von Zeilen und Worten variiert die Buchstabengröße gelegentlich. Von vielen Buchstaben liegen mehrere Einzelformen vor, die sich in ihrer Gestaltung teilweise widersprechen, so finden sich besonders a und g sowohl in einer disziplinierten zur Rundung hin tendierenden Form als auch in sozusagen exaltierteren Formen, bei denen der linke Bogen des Buchstabenkörpers unten gebrochen und die Brechung zu einer Art Sporn ausgezogen wird. Auffällig ist auch eine v -Form, die an der rechten Haste eine Einschnürung aufweist, die sie fast als B erscheinen lässt. Die Reihe solcher Denkmäler aus der Hand von weniger begabten Schriftgestaltern lässt sich in das 17. Jahrhundert hinein beliebig fortsetzen, so 1605 mit dem Denkmal Schiestel (Nr. 409). Unsicherheiten im Umgang mit der Standardschrift finden sich auch noch im fortgeschrittenen 17. Jahrhundert, ein besonders interessantes Beispiel ist die Priestergrabtafel für den Ettinger Pfarrer Martin Faber (†1627, Nr. 490). Der Steinmetz ist hier nicht unsicher in der Technik. Es gelingen ihm schöne Einzelformen z.B. ein a mit anschwellendem Bogen oder s-Formen mit Schwellzug, er ist auch im Stande Buchstabenligaturen z.B. zwischen d und e oder g und e richtig zu gestalten, trotzdem ist er in der Schriftgestaltung unsicher, es rutschen ihm Formen aus anderen Schriften in seine Fraktur. Besonders auffällig ist das e bei Faber, das eindeutig aus der Humanistischen Minuskel stammt, aber auch das M, das anders als alle anderen Versalien der Kapitalis entnommen ist.

1562 findet sich auch Ingolstadt eine Tafel des Steinätzers Sixtus Löblein, die sowohl Inschriften in Fraktur als auch in Kapitalis trägt (Nr. 238), eine weitere eines Ätzers G.K. ergänzt die Ratssprüche (Nr. 239). Beide zeigen eine eher dem Rundlichen zugeneigte Fraktur.

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Gemalte Inschriften in Fraktur finden sich sowohl in der Münsterkirche als auch in der Spitalkirche und im Franziskanerkreuzgang (Nr. 341, 365, 377, 398).

Andere Minuskelschriften

In Ingolstadt sind nur wenige Beispiele von Schriftarten zu finden, die sich nicht dem für Altbayern charakteristischen Schrifttypen zuordnen lassen. Gotische Minuskel und Fraktur prägen das Bild der Minuskelschriften, die nicht in diesen beiden Schrifttypen abgefassten Stücke lassen sich an einer Hand aufzählen und sind im Bestand sicher als Exoten zu bewerten.

Auf Grund seiner ganzen Gestaltung auffällig ist das Denkmal für Hans Schreyer (†1512, Nr. 102); sowohl die bildliche Darstellung, eine Stigmatisierung des Hl. Franz, als auch die Abfassung des deutschen Textes in Reimform machen es in Ingolstadt zum Unikat, ebenso die Schrift, die sich in den Umkreis der Gotico-Antiqua einordnen lässt. Schwierig einzuordnen ist die Inschrift für Peter Burkhard (Nr. 125), die bereits auf das Einsetzen der Fraktur hinweist ohne sich jedoch bereits dem klassischen Bild dieser Schriftform zuordnen zu lassen (vgl. oben). Eine gemalte Beschriftung in Humanistischer Minuskel zeigt das Portrait Herzog Georgs des Reichen (Nr. 372), das heute im Münchner Gregorianum verwahrt wird. Das einzige Steindenkmal in Humanistischer Minuskel ist das des Pfarrers von Mühlhausen Georg Scheyrl (Nr. 421). Kdm datiert das Denkmal in das Jahr 1608, die Ausprägung der Minuskel macht allerdings eine spätere Datierung in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts wahrscheinlicher.

Zitationshinweis:

DI 99, Ingolstadt (Stadt), Einleitung, 4. Die Schriftformen (Christine Steininger), in: inschriften.net,   urn:nbn:de:0238-di099m018e004.

  1. Vgl. DI 74 (Regensburg II, Dom 1) LXXIIIf. »
  2. Vgl. dazu Bornschlegel, Inschriften, passim. »