Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 45 Kloster Schöntal (Gde. Schöntal), Kloster, kath. Pfarrkirche St. Joseph (ehem. Klosterkirche) 1434, n. 1448?

Beschreibung

Grabplatte für die Eheleute Konrad von Weinsberg und Anna geb. von Hohenlohe1. Seit 1718 in der Nordwestecke des westlichen Vorjochs des Langhauses im Boden2. Ursprünglich im Vorgängerbau unmittelbar vor den Hochaltarstufen, wo an einem Wandpfeiler der Nordwand ein von dem Ehepaar gestiftetes Ewiglicht angebracht war3; von dort 1681 etwas weiter nach Osten an die Stelle versetzt, an der 1424 die bronzenen Standfiguren der Eheleute aufgerichtet worden waren4. Hochrechteckige Sandsteinplatte mit vier reliefierten Wappenschilden in den Ecken; im Mittelfeld das Ehepaar in Ritzzeichnung, beide, soweit noch erkennbar, in lange Gewänder gehüllt, und mit zum Gebet zusammengelegten Händen. Der Sterbevermerk für die Frau (A) beginnt zwischen den beiden oberen Wappen in drei durch Ritzlinien gerahmten Zeilen und setzt sich auf der rechten Längsseite, durch eine Ritzlinie vom Bildfeld abgesetzt, fort, das letzte Wort oder ein Teil desselben stand wohl auf der Fußleiste. Der vermutlich nachträglich ausgeführte Sterbevermerk des Mannes (B) ist spiegelbildlich dazu angelegt und beginnt mit drei durch Ritzlinien gerahmten Zeilen am Fußende der Platte, setzt sich dann aber in einer vierten, unmittelbar anschließenden Zeile im Bildfeld fort und endet auf der linken Randleiste. Stark beschädigt, abgetreten und bestoßen, Inschrift (A) und Ritzzeichnung fast zur Gänze zerstört, die Wappen bis auf das heraldisch rechte untere völlig vernichtet.

Ergänzungen nach Hebenstreit.

Siehe Lageplan.

Maße: L. 203, B. 101, Bu. 5,8–6,1 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/5]

  1. A

    [Annoa) d(omi)ni M° · cccc° · xxxiv°b) · proxima tertia feriac) ante Bonifacij obijt generos]ạ · d(omi)na · anna · de weinsp[erg nationisd) de Hohen/loee)]

  2. B

    [J]ṭẹmf) · Anno / d[(omi)ni ·] M° · cccc° · xlvi°g) / p̣(ro)xi(m)ọh) · sabb[(a)t]oi) · p(ost) · / [epiphaniamk) · d(omi)n]i · ọ(biit) [·] g(e)ṇ(er)os(us) · ac · strenu(us) / d(omi)n(u)sl) · [c]ọn[rad(us)m) de weinsperg · quor(um)n) · a(n)i(m)e ·] req(ui)esca]nt in pace] aṃe(n)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1434 am nächsten Dienstag vor Bonifatii (1. Juni) starb die hochgeborne Frau Anna von Weinsberg aus dem Geschlecht von Hohenlohe. – Desgleichen ist im Jahr des Herrn 1446 am nächsten Samstag nach der Erscheinung des Herrn (8. Januar 1446?) gestorben der hochgeborne und gestrenge Herr Konrad von Weinsberg. Ihre Seelen mögen in Frieden ruhen. Amen.

Wappen:
[Weinsberg][Hohenlohe]
Leiningen5 [Leuchtenberg]6.

Kommentar

Der Sterbevermerk (B) für Konrad von Weinsberg ist in einer ausgesprochen gleichmäßigen Minuskel eingehauen. Der geschwungene linke Schrägschaft des A-Versals ist außen durch Zacken verziert. Als Worttrenner dienen einfache Quadrangel, am Zeilenende auch einmal ein Quadrangel, dessen obere und untere Spitze jeweils in eine geschwungene Zierlinie ausläuft. Die dürftigen und zudem stark abgeriebenen Schriftreste von Inschrift (A) erlauben keinen Schriftvergleich zwischen den beiden Sterbevermerken, der Aufschluß darüber geben könnte, ob beide Inschriften gleichzeitig erst nach dem Tod Konrads oder aber in größerem zeitlichen Abstand voneinander ausgeführt wurden. Allerdings können als Indizien für eine Herstellung der Grabplatte unmittelbar nach dem Tod Annas 1434 gelten, daß die Inschrift der Frau vorangestellt ist, obwohl die Gestalt des Mannes zusammen mit seinen elterlichen Wappen die vornehmere heraldisch rechte Seite einnimmt, und daß die Inschrift für Konrad mehr Platz beanspruchte als ursprünglich vorgesehen und daher in einer Zeile im Mittelfeld fortgeführt werden mußte. Für einen späteren Nachtrag der Sterbeinschrift Konrads spricht zudem, daß sein Todestag falsch angegeben wurde: Konrad ist am 18. Januar 1448, einem Donnerstag, gestorben. Die Inschrift nennt also sowohl den falschen Wochentag als auch – richtige Überlieferung der heute zerstörten Textpassage vorausgesetzt – einen zu frühen Festtag als Bezugsdatum als auch das falsche Jahr7. Ein derartiger Irrtum wäre kaum denkbar, sollte die Grabplatte wirklich anläßlich von Konrads Tod entstanden sein. Man wird demnach sogar davon ausgehen müssen, daß Inschrift (B) erst in einigem zeitlichen Abstand nach 1448 angebracht wurde.

Konrad von Weinsberg war neben seinem gleichnamigen Onkel, dem Erzbischof von Mainz (1390–96), der bedeutendste Vertreter seines Geschlechts. 1407 wurde er zusammen mit seinem Vater Engelhard VIII. mit dem Reichserbkämmereramt belehnt8. Als Vertrauter von Kaiser Sigismund und vor allem König Albrechts II., zuletzt auch von Friedrich III., wurde Konrad wiederholt mit wichtigen politischen Aufgaben betraut, so besonders mit der Organisation der reichsweiten Judensteuer 1415, mit der Aufsicht über die Reichsmünzstätten9 und 1438–40 mit dem Protektorat über das Basler Konzil10. Sein finanzielles Engagement im Reichsdienst führte allerdings schließlich zu seinem wirtschaftlichen Ruin. Die hohe Verschuldung – und der Widerstand der Reichsstädte – ließen auch den Aufbau einer weinsbergischen Landeshoheit um Weinsberg und um Creglingen scheitern, ebenso mißlang zuletzt der Versuch einer Herrschaftsbildung um Weikersheim. Konrad war um 1370 geboren. Die Eheschließung mit Anna von Hohenlohe-Weikersheim, die in erster Ehe mit Konrad von (Hohenlohe-)Brauneck († 1388) verheiratet gewesen war, erfolgte zwischen August 1396 und Februar 1397 (Dispens wegen Nahehe 1400)11. Die Verbindung blieb ohne männliche Nachkommen. Noch im Todesjahr Annas von Hohenlohe heiratete Konrad erneut. Aus dieser Ehe mit Anna Gräfin von Henneberg (Dispens November 1434) entsprossen zwei Söhne, Philipp d. Ä. (vgl. nr. 156) und Philipp d. J., mit denen das Geschlecht der Weinsberger zu Beginn des 16. Jahrhunderts ausstarb.

Kloster Schöntal erfreute sich der Förderung Konrads von Weinsberg. So war er maßgeblich an der Erlangung des vom Basler Konzil erteilten Pontifikalienprivilegs für die Schöntaler Äbte 1439 beteiligt12. 1427 erwirkte er für sich die Erlaubnis, sich im Kloster bestatten zu lassen, und für die weiblichen Familienangehörigen, zu den Begräbnisfeierlichkeiten und anderen Memorialhandlungen das Kloster betreten zu dürfen13. Bereits 1424 war – einhergehend mit der Stiftung einer Vigil – die Errichtung eines Epitaphs für Konrad und seine Frau in der Klosterkirche vorgesehen und spätestens 1426 mit der Ausführung begonnen worden, die 1428 noch nicht zum Abschluß gekommen war14. Von diesem Grabmal, das sich ursprünglich an der Chornordwand in unmittelbarer Nähe des Hochaltars befand, sind noch die beiden in Nürnberg gegossenen lebensgroßen Bronzestandbilder der Eheleute sowie zwei Vierahnenwappen erhalten15, etwaige Inschriften sind nicht überliefert. Die Grabplatte, die etwas weiter westlich vor den Altarstufen lag, wurde dann wohl erst, wie gesehen, nach dem Tod Annas von Hohenlohe angefertigt. Außerdem gab Konrad nach seiner zweiten Eheschließung ein monumentales, vermutlich für die Stadtkirche in Weikersheim bestimmtes Epitaph für sich und seine beiden Frauen bei einem „Bildemecher“ zu Backnang in Auftrag, von dem indes nur die Entwurfsskizze erhalten ist und das offenbar nie fertig wurde16.

Textkritischer Apparat

  1. Der desolate Zustand der Inschrift erlaubt keine Markierung der ursprünglichen Zeilenumbrüche.
  2. Schreibweise der Jahreszahl analog zu Inschrift (B); 1434 Hebenstreit; MCCCCXXXVII Müller/Stöcklein (mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die abweichende („et forte probabilius“) Angabe des Todesjahres 1434 in Kremers Annalen und durch Abt Franziskus Kraff (ohne Angabe des Werkes)); HZAN GA 55 VIII. Bü 185; OAB Künzelsau (nach Müller/Stöcklein); 1334 Fleiner/Horn.
  3. tertia feria Hebenstreit; feria tertia Müller/Stöcklein; HZAN GA 55 VIII. Bü 185; OAB Künzelsau; feria sexta Kremer; feria 6. Knittel, Ortus et Aetas („aber nicht wohl lesbahr …“).
  4. Die ungewöhnliche Wendung ist aufgrund des zur Verfügung stehenden Raumes von deutlich mehr als vier Buchstaben wohl die korrekte Lesung. nationis Rüttel; Hebenstreit; Kremer, Chronicon; Kremer, Gesta Dominorum de Bebenburg; nationis in nata korr. Kremer (WLB HB XV 68); nata Müller/Stöcklein; HZAN GA 55 VIII. Bü 185; OAB Künzelsau.
  5. Zeilenumbruch auf die Fußleiste nicht gesichert.
  6. Von te nur die unteren Schafthälften erhalten.
  7. 1444 Rüttel; 1344 Fleiner/Horn.
  8. primo Rüttel.
  9. Vom zweiten b nur der Oberschaft erhalten; a durch übergeschriebenes Häkchen gekürzt.
  10. epiphanie Rüttel. Aufgrund des knappen zur Verfügung stehenden Raumes muß das Wort stark gekürzt gewesen sein.
  11. Nur noch die oberen Abschnitte der Buchstaben erhalten.
  12. CVNRADVS Rüttel.
  13. Auf einem im Dezember 1990 aufgenommenen Foto (Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften) sind die Buchstaben uor(um) noch deutlich zu erkennen, der Abschnitt der Randleiste lag aber bereits nur mehr lose auf; das Fragment ist jetzt nicht mehr vorhanden. cuius Rüttel.

Anmerkungen

  1. In der bisherigen Literatur, so auch noch in Kdm. Künzelsau 335, ist häufig von zwei Grabplatten die Rede. Die zugehörigen wiedergegebenen Inschriften zeigen aber, daß es sich dabei stets um die vorliegende Doppelgrabplatte handelt.
  2. Im Zuge des barocken Kirchenneubaus wurde die Grabplatte zusammen mit den Gebeinen hierher versetzt; vgl. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 25v.
  3. Ebd.; ebenso die übrige chronikalische Überlieferung, danach auch OAB Künzelsau 779.
  4. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 25v: „in cornu Evangelii summi altaris ad extimam partem murum (!), ubi pendent statuae de aurichalco fusae“; vgl. auch Hebenstreit (StAL B 503 II Bü 10) p. 64f.
  5. Drei (2:1) Adler, der zweite hier linksgewendet. Wappen von Konrads Mutter Anna Gräfin von Leiningen; vgl. Möller, Stamm-Taf. I, Taf. XIX; Europ. Stammtaf. NF XVI, Taf. 142. Ihr Epitaph von 1413 in der ev. Pfarrkirche in Neuenstadt am Kocher (Lkr. Heilbronn). Das Leininger Wappen zeigt dort zusätzlich einen dreilätzigen Turnierkragen.
  6. Die Eltern der Anna von Hohenlohe waren nach Europ. Stammtaf. NF XVII, Taf. 3 Kraft III. von Hohenlohe zu Weikersheim († 1371) und Anna Landgräfin von Leuchtenberg († 1390). Dies wird auch durch die beiden bronzenen quadrierten Wappenschilde bestätigt, die ursprünglich zu dem Epitaph Konrads und seiner Frau gehörten (vgl. unten bei Anm. 15); sie zeigen jeweils in einem Schild vereinigt die elterlichen Wappen der beiden Eheleute: Weinsberg, Hohenlohe, Leiningen, Leuchtenberg. Demnach kann die Angabe Möllers, Stamm-Taf. I, 48 nicht zutreffen, der zufolge Anna 1391 als Tochter eines Ulrich von Hohenlohe bezeichnet wird und somit eine Enkelin Krafts III. wäre.
  7. In Schöntal wurde vermutlich, wie in allen Zisterzienserklöstern, der Annunziationsstil angewandt, bei dem die Schaltung des Jahres erst zum 25. März vorgenommen wird. Für den Januar 1448 wäre also die Jahreszahl 1447 zu erwarten, die in der Inschrift genannte Zahl ist folglich um eine Stelle zu niedrig.
  8. Zur Person vgl. u. a. Schumm, Konrad von Weinsberg, passim; Franz Irsigler, Konrad von Weinsberg (etwa 1370–1448). Adeliger – Diplomat – Kaufmann, in: WFr 66 (1982) 59–80.
  9. Vgl. Dieter Karasek, Konrad von Weinsberg. Studie zur Reichspolitik im Zeitalter Sigismunds, Diss. Erlangen-Nürnberg 1967, bes. 23–164; Joseph Albrecht, Mittheilungen zur Geschichte der Reichsmünzstätten zu Franckfurt am Mayn, Nördlingen und Basel, Heilbronn 1835.
  10. Dazu ausführlich Helmut Bansa, Konrad von Weinsberg als Protektor des Konzils von Basel 1438–1440, in: Annuarium Historiae Conciliorum 4 (1972) 46–82; Hartmut Welsek, Konrad von Weinsberg als Protektor des Basler Konzils (Forschungen aus Württ. Franken 7), Sigmaringen 1973.
  11. Schumm, Konrad von Weinsberg 103.
  12. OAB Künzelsau 798.
  13. StAL B 503 I U 92 (1427 V 20).
  14. Kremer, Chronicon (WLB Cod. hist. F 422) p. 1325; ders., Chronick (StAL B 503 II Bü 7) p. 141; Irsigler (wie Anm. 8) 60f.; vgl. auch Schumm, Entwurf zu einem Grabmal 126; HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) VIII. Bü 185: Rechnungsauszug des Kellers zu Weinsberg von 1428, aus dem hervorgeht, daß „Claus Steinbrecher“ zu dieser Zeit in Schöntal „an den grabstein arbeite(te)“.
  15. Seit dem barocken Kirchenneubau im westlichen Vorjoch in zwei Rundbogennischen aufgestellt und von Abt Benedikt Knittel mit lateinischen Chronogrammen auf die Jahre 1437 (!) und 1446 (!) versehen; vgl. Kdm. Künzelsau 335f. (m. Auswahl älterer Lit.); zuletzt Brümmer, Kunst u. Herrschaftsanspruch 154–156 (m. Abb.).
  16. Schumm, Entwurf zu einem Grabmal 128–130; ferner Seeliger-Zeiss, Grabmal des Prinzen Heinrich von Sachsen 260f.

Nachweise

  1. Rüttel (HStAS J1 Nr. 135 II) fol. 593r, 594v.
  2. Hebenstreit (StAL B 503 II Bü 10) p. 65.
  3. Kremer, Gesta Dominorum de Bebenburg (StAL B 503 II Bü 5) p. [9].
  4. Kremer (WLB HB XV 68) p. 191 (fol. 98r neu).
  5. Kremer, Chronicon (WLB Cod. hist. F 422) p. 1395.
  6. Fleiner/Horn, Hohenloh. Chronik (WLB Cod. hist. F 691) fol. 250r (zu Gnadental!).
  7. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 25r.
  8. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 74 (nur A, zu Gnadental!).
  9. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) VIII. Bü 185: Einzelbl., Pfarrer F. J. Herrmann an Albrecht (1839 VI 27).
  10. Schönhuth, Burgen … Württembergs IV, 218.
  11. OAB Künzelsau 780.
  12. Kdm. Künzelsau 335f.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 45 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0004506.