Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 882 Waldenburg, ev. Stadtkirche (1648)

Beschreibung

Grabplatte des Philipp Heinrich Grafen von Hohenlohe. Ursprünglich vermutlich im Boden des Chors; seit der Kirchenrenovierung von 1972/73 innen an der Nordseite des Chors als dritter Stein von Osten. Sandstein. Zwischen profilierten Rahmenleisten umlaufend eingehauener Sterbevermerk (A); im Feld zentral ein Rundmedaillon mit Vollwappen, flankiert von zwei geflügelten Putti als Tugendpersonifikationen; über dem Wappen ein von zwei Palmwedeln durchsteckter Lorbeerkranz, darüber ein fliegender Putto mit Stundenglas und ein breites Schriftband mit zweizeiliger Versinschrift (B); unter dem Wappen eine rollwerkgerahmte Kartusche mit Bibelspruch (C); auf den Standsockeln der Tugendpersonifikationen die Beischriften (D) und (E). Über und unter den beiden Putti sind in den Ecken des Mittelfelds die Wappen einer Achtahnenprobe angebracht, unter den Wappen jeweils Beischriften in Schriftbändern (F). Ränder stark beschädigt und teilweise großflächig mit Zementmörtel ergänzt, dadurch erheblicher Schriftverlust in Inschrift (A).

Maße: L. 194,5, B. 106,5, Bu. 3,2 (A), 2,0 (B), 2,5–2,7 (C), 1,7 (D, E), 1,4–1,6 cm (F). ).

Schriftart(en): Fraktur (A, C, F), Humanistische Minuskel (B), Kapitalis (D, E

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

  1. A

    [– – –] . XXXXIV . am 25 . [. . . / . . . . mi]ṭṭags nach 11 . vhren , Jsta) Dera) Hochwohlgebornea) Grav vnd Herr , Herr Philipps Heinric[h] / Grav von Hohenloe vnd Herr Zue Langenbu[r]gb) / sanffta) vnda) seeliglicha) ina) Christo entschḷạ[fena) seines] alters 53 . deṃ [– – –]

  2. B

    Justitia in sese Virtutes continet omnes1) . Tandem Patientia Victrix2) .

  3. C

    2 . Tim . 4 . v(ers) . 7 . / Jch habe einen guten kampff / gekempffet , Jch habe den lauff / vollendet , Jch habe glauben / gehallten . Hinfort ist mir / beÿgelegt Die Krone der / Gerechtigkeit , welche / Mir der Herr an Jenem / Tage , der gerechte Richter , / geben wird3) .c)

  4. D

    IUSTITIA .

  5. E

    PATIENTIA ·

  6. F

    [H]ohenloe . Reüssen . 
    Tübingen . Solms . 
    Würtenberg . Öttingen . 
    Truchses . Mansfeldt . 

Übersetzung:

Die Gerechtigkeit umfaßt in sich alle Tugenden. Am Ende wird die Geduld die Siegerin sein. (B) – Gerechtigkeit. (D) – Geduld. (E)

Versmaß: Hexameter und Enoplios (B).

Datum: 25. März 1644=4. April 1644 n. St.

Wappen:
Hohenlohe-Langenburg4;
Hohenlohe-LangenburgReuß von Plauen
TübingenSolms-Münzenberg5
Württemberg6Oettingen
Waldburg7 Mansfeld8.

Kommentar

Die Fraktur ist ebenso sorgfältig ausgeführt wie die – freilich etwas steif geratene – Humanistische Minuskel. Auffällig sind die teilweise reich mit Zierlinien ausgeschmückten Frakturversalien. Neben einem Bogen-r mit kurzer Cauda verwendet der Bildhauer eine Doppelform, die sich aus zwei gegenläufigen, unverbundenen Bögen zusammensetzt. Die Oberlängen biegen zunächst nach rechts um, die Spitzen weisen dann aber wieder senkrecht nach oben. Der ausführende Bildhauer war der in Hall ansässige Jakob Betzoldt aus Weißbach (1592–1661), ein Schüler Michael Kerns III, der Werkvertrag vom 22. Juni 1648 ist erhalten9.

Philipp Heinrich ist 1591 als der zweitälteste Sohn des Grafen Georg Friedrich von Hohenlohe zu Waldenburg († 1600) und der Dorothea Reuss von Plauen geboren10. Er heiratete 1615 Dorothea Walpurgis Gräfin von Hohenlohe aus der Neuensteiner Linie, die 1656 starb und ebenfalls – wie auch zahlreiche früh verstorbene Kinder aus dieser Ehe – in der Waldenburger Stadtkirche bestattet ist11. Bei der Erbteilung 1615 erhielt er den Waldenburger Anteil, während sein älterer Bruder Ludwig Eberhard († 1650) die Pfedelbacher, sein jüngerer Bruder Georg Friedrich II. († 1635) die Schillingsfürster Linie begründete. Im Zuge der schwedischen Erfolge im Dreißigjährigen Krieg wandte er sich zusammen mit seinen Brüdern und Vettern vom Kaiser ab und erhielt dafür 1633 als schwedische Schenkung vorübergehend die Reichsabtei Zwiefalten und die Johanniterkomturei Schwäbisch Hall. Zwiefalten mußte er später gegen die Reichsabtei Ochsenhausen eintauschen. Zu einer förmlichen Inbesitznahme mit Huldigung kam es freilich nicht12, und nach den Erfolgen der Kaiserlichen gingen die Besitzungen 1634 wieder verloren. Philipp Heinrich konnte, nachdem er in die Reichsacht erklärt und zwischenzeitlich aus Waldenburg vertrieben worden war, erst nach dem Prager Frieden von 1635 nach Waldenburg zurückkehren13. Er starb am 25. März 164414. Die Grabplatte wurde nach Ausweis des erwähnten Bestandbriefs erst vier Jahre später von den Söhnen des Verstorbenen, den Grafen Wolfgang Friedrich und Philipp Gottfried, in Auftrag gegeben. In dem Vertrag wird ausdrücklich auf einen „Limpurgischen … Grabstein“ verwiesen15, den Betzoldt wohl als Referenz angeführt hatte und der als Vorlage für die Waldenburger Grabplatte dienen sollte. Bei diesem Grabmal handelt es sich um die Grabplatte des Heinrich Schenken von Limpurg († 1637) in der ev. Pfarrkirche zu Obersontheim (Lkr. Schwäbisch Hall), die bis auf die fehlende Umschrift dieselbe Disposition aufweist16.

Textkritischer Apparat

  1. Obere Buchstabenhälften des gesamten Worts zerstört.
  2. Von g nur der untere Bogen erhalten.
  3. Letzte Zeile zentriert; das Quadrangel nach rechts in eine Zierranke ausgezogen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Polydorus Virgilius, Adagiorum liber, Basel (Froben) 1524, Adagia profana et sacra, hier: prof. 236. Nach Hesiod, Theogonie 147f.
  2. TANDEM PATIENTIA VICTRIX erscheint auch als Umschrift auf dem 7. Glockenthaler, den Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1635–66) anläßlich der Befreiung der befestigten Stadt Wolfenbüttel 1643 in der Münzstätte Zellerfeld schlagen ließ; vgl. Heinz Fengler/Gerhard Gierow/Willy Unger, Lexikon der Numismatik, 3. bearb. u. erweiterte Aufl., Berlin 1982, 150; Gerhard Welter, Die Münzen der Welfen seit Heinrich dem Löwen, Bd. I, Braunschweig 1971, 128 Nrr. 816, 816A; Bd. II, Braunschweig 1973, 65f. (Abb.).
  3. 2 Ti 4,7.
  4. Quadriert von Hohenlohe und Langenburg, alle Figuren einwärts gekehrt; Helmzierden: rechts Hohenlohe, links Langenburg.
  5. Quadriert von Solms und Münzenberg.
  6. Quadriertes herzogliches Wappen.
  7. Linksgewendet.
  8. Quadriert, 1/4. wiederquadriert von Querfurt (hier fünfmal statt siebenmal geteilt) und Mansfeld (hier in zweieinhalb Reihen gerautet statt der üblichen sechs in zwei Reihen angeordneten anstoßenden Rauten), 2. Arnstein, 3. Heldrungen.
  9. HZAN Wa 35 Bü 385; vgl. Deutsch, Betzoldt 108f. Anm. 11; K. Schumm in FS zur 700-Jahr-Feier der Stadt Waldenburg 43; Schneider, Michael Kern 25. Zum Ouevre Betzoldts vorläufig Deutsch, Betzoldt 88f.
  10. Vgl. Europ. Stammtaf. NF XVII, Taf. 15.
  11. Ihre Grabplatte, die von Betzoldts Sohn Johann Jakob gefertigt wurde, ist abgebildet bei Deutsch, Betzoldt 93 Abb. 14–16. Zu den Grabplatten der Kinder vgl. nrr. 727, 785, 787, 810, 888, 890.
  12. Vgl. Kleinehagenbrock, Grafschaft Hohenlohe 48f.
  13. Ebd. 54.
  14. Europ. Stammtaf. NF XVII, Taf. 15.
  15. Wie Anm. 9.
  16. Schneider, Michael Kern 25; Foto in der Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

Nachweise

  1. FS zur 700-Jahr-Feier der Stadt Waldenburg 43 (erwähnt).
  2. Der Lkr. Öhringen 2, 615 (erwähnt).
  3. Rauser, Waldenburger Heimatbuch 88 (erwähnt).
  4. Deutsch, Betzoldt 84 (nur D, E), 86f. m. Abb. 3–6.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 882 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0088209.