Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 870 Niedernhall, ev. Pfarrkirche vor 1645

Beschreibung

Epitaph des Pfarrers Veit Knör. Im 19. Jahrhundert „an einem Chorpfeiler“1, dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf der südlichen Orgelempore2, jetzt im Kirchensäle (nördliche Seitenschiffverlängerung) provisorisch aufbewahrt. Holztafel mit breitem Rahmen, Giebel und schmalen Seitenteilen; der Unterhang fehlt. Giebel und Seitenteile in Roll- und Beschlagwerkkonturen ausgesägt, aber abweichend davon mit Blüten und Rankenmustern bemalt. Im Giebel oben der Sterbevermerk (A), darunter Rundmedaillon mit Vollwappen. Auf der oberen Rahmenleiste der Tafel vierzeilige Versinschrift (B); in der oberen Tafelhälfte Brustbild des auf der Kanzel predigenden Pfarrers in Amtstracht, darunter – gewissermaßen auf der Kanzelbrüstung – eine in zwei Spalten angeordnete Versinschrift (C). Bei beiden Versinschriften ist jeweils jeder zweite Vers eingerückt. Auf der unteren Rahmenleiste die Überschrift (D) für einen zusammen mit dem Unterhang verlorengegangenen Wahlspruch. Alle Inschriften mit gelblich-weißer Farbe aufgemalt; stellenweise verblaßt.

Maße: H. (Rest) 248, B. 146,5, Bu. 2,1 (A), 2,3 (B), 1,8–2,3 (C), 3,0 cm (D).

Schriftart(en): Fraktur.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. A

    M(eistern) / Veit knöern . weiland pre=/digers alhie zu Nidernhaal am / kocher , welcher geborn An(n)o . 1 . 5 . 72 . / vnd sanfft vnd Selig im herrn entschlaffen , / An(n)o . 16〈. .〉a) //b) den 〈. . . . . . .〉c)

  2. B

    Meines glaubens Schild , meins Vatters stam ,Jst Christ , dasz ware Gottes Lam ,Welches der Alten Shlangend) · Hört ,Mit ihrm dot hat den Kopf zerknört3)

  3. C

    Dasz War Meinster Veit Knöer(n) gsichtWie man alhie Vor augen sicht ,Welcher alhie vnd sonst an Ort .Gepredigt Gottes Heiliges wort .Fein , Recht , schlecht , lauter vnd KlarSo lang bisz in dasz 〈. .〉e) Jahr .Zu weickersheim noch Ledig garEr war statt pfarer fast ein JahrVon danen Er Verehligt Dan .Gen Langen Beutingen4) hin kamAnderthalb Jahr bleib Er auch dortWurd Er schon Gruffen weiter fortAn Kocher hin gen Niderhaal . //Da bracht er zu sein Zeit gantz all .Tausent Sechs hundert vndt Zweÿ Jahr .Zehlt man als Er ist komen Dar .Wie Christum selbst den Herren sein .Recht dapfer in die fers hinein .Gestochen hat die Schlang so altSie ihn auch gstochen manigfaltMit allen ihren Stichen HartSie ihm doch ga(n)tz v(nd) gor nichs gschadGott hatt Jhm wie Ers hat begertSig vnd ein Seligs End beschertDer bscher auch andern allen gleichNach ihre(m) wunsch dasz himel=/reich .

  4. D

    Sein Teglicher wunsch war diser .

Versmaß: Deutsche Reimverse (B, C).

Wappen:
Knör5.

Kommentar

Auch wenn Inschrift (A) als Widmung an Veit Knör formuliert ist, besteht kein Zweifel, daß der Pfarrer das Epitaph selbst zu Lebzeiten in Auftrag gegeben und vermutlich auch die Texte der Inschriften verfaßt hat. Die freigelassenen Sterbedaten sind ein eindeutiges Indiz für die Entstehung der Tafel vor Knörs Tod (29. Januar 1645). Inschrift (B) bietet eine Erläuterung des Wappenbildes und deutet es gleichzeitig als redendes Wappen6. Veit Knör ist 1572 in Öhringen als Sohn des dortigen Stiftsmesners Michael Knör geboren7. Er studierte in Tübingen und Wittenberg, war – wie in Inschrift (C) erwähnt – ab 1599 Vikar in Weikersheim, dann von 1601 bis 1602 Pfarrer in Langenbeutingen, bevor er auf die Pfarrei in Niedernhall wechselte. Am 25. November 1600 heiratete er Magdalena Scheuermann, die Tochter des hohenlohischen Kellers zu Weikersheim. Das Grabmal des Pfarrers ist auf dem Niedernhaller Friedhof erhalten (nr. 872).

Mit den in Inschrift (C) angesprochenen Drangsalen sind vermutlich die Schwierigkeiten gemeint, die Knör mit seiner Gemeinde hatte. So klagten 1620 Bürger und Gericht gegen ihn „wegen seiner Verquickung persönlicher Händel mit seelsorgerlichen Pflichten, indem er private Dinge auf Kanzel, bei Leichpredigten und Krankenbesuchen angebracht hatte“8. Die Angelegenheit wurde von der hohenlohischen Herrschaft mit einem Verweis geahndet. Offenbar war es Brauch, von allen Niedernhaller Pfarrern gemalte Porträts in der Kirche aufzuhängen9; das vorliegende ist das einzige erhaltene.

Textkritischer Apparat

  1. Die für einen Nachtrag freigelassene Stelle war noch 1867 leer (vgl. Bach, Stadtkirche 538), danach wurde im 19. oder 20. Jahrhundert die Zahl 45 eingesetzt. Der Nachtrag ist deutlich durch die abweichende Farbe zu erkennen.
  2. Unterbrechung durch das Wappenmedaillon.
  3. Nachtrag des 19. oder 20. Jahrhunderts (vgl. Anm. a): 29. Jan.
  4. Sic!
  5. Nachtrag des 19. oder 20. Jahrhunderts: 73.

Anmerkungen

  1. Bach, Stadtkirche 538; OAB Künzelsau 731.
  2. LKA A 29 Nr. 3203, Pfarrbeschreibung für die Stadtpfarrei Niedernhall 1905, p. 39.
  3. „Zerknören“, „zerknüren“ = zerdrücken, zerquetschen; vgl. Grimm, Dt. Wörterbuch 15, Sp. 710. Hier als Anspielung auf den Namen des Pfarrers.
  4. Langenbeutingen, Gde. Langenbrettach, Lkr. Heilbronn.
  5. In Rot ein schreitendes golden nimbiertes silbernes Lamm mit dreilätziger silberner Osterfahne, eine grüne Schlange zertretend; Helmzier: Schildfigur.
  6. Vgl. Anm. 3.
  7. Alle Angaben nach Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 232 Nr. 1357.
  8. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 315. Zu den Vorgängen von 1620 vgl. ausführlich die einschlägigen Akten HZAN La 30 Bü 2480.
  9. Ebd.; vgl. auch FS 600-Jahr-Feier Niedernhall 36.

Nachweise

  1. Bach, Stadtkirche 538 (nur A).
  2. OAB Künzelsau 731 (nur A).
  3. Grünenwald, Laurentius-Kirche 4 (nur A).
  4. FS 600-Jahr-Feier Niedernhall 36 (nur C teilw.).
  5. Kdm. Künzelsau 255 (erwähnt).
  6. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 370 (nur C teilw.), 119 (Abb.).
  7. Niedernhaller Grabmale.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 870 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0087009.