Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 860 Kloster Schöntal (Gde. Schöntal), Kloster, kath. Pfarrkirche St. Joseph (ehem. Klosterkirche) 1641

Beschreibung

Altarretabel. Bernhardsaltar am südöstlichen Pfeiler des Langhauses. Genauer ursprünglicher Standort im gotischen Vorgängerbau (in einer Kapelle des Querhauses) nicht überliefert. Der Altar war zunächst an der Wand errichtet worden, mußte aber wegen der Feuchtigkeit bald darauf weggerückt werden1; 1722/23 Versetzung an die jetzige Stelle, 1789 neue Fassung2. Dreiachsige Ädikula aus Sandstein, bildhauerische Arbeiten aus Alabaster. Als Bekrönung drei mit Rundmedaillons belegte Rollwerkpodeste; auf dem mittleren Figur der Muttergottes, auf den seitlichen, niedrigeren die in Anbetung Marias knienden Figuren eines Abts und eines Bischofs (?), jeweils mit (abgebrochenen) Krummstäben, der rechte in Pontifikalgewand und mit einer auf einem Buch abgestellten Mitra3. In den Rundmedaillons sind Reliefs angebracht: in der Mitte die Leidenswerkzeuge Christi, außen emblematische Darstellungen. Im linken Medaillon ein aufgerichtetes Hündchen, über dem eine Taube der Sonne entgegenfliegt; im rechten Medaillon ein von einer zentralen Säule gestützter Innenraum mit geöffnetem Fenster und mit einer fliegenden, von Strahlen umgebenen Taube4. Auf der Sockelleiste der Bekrönung die eingehauene Inschrift (A). In der Mittelachse der Hauptzone im Rundbogenfeld Bildrelief mit Darstellung des Gekreuzigten, der sich vom Kreuz herunter dem vor ihm knienden hl. Bernhard zuneigt, um ihn zu umarmen5; oben am Kreuz in einer Kartusche der erhaben ausgehauene Titulus (B). Die schmaleren Seitenachsen zeigen jeweils zwischen freistehenden Säulenpaaren eine Heiligenfigur vor Muschelnische (links der hl. Benedikt, rechts der hl. Robert von Molesme), darüber jeweils ein Engelsköpfchen. Im Sockel (Predella) in der Mittelachse Schrifttafel mit fünfzeilig eingehauener Inschrift (C), in den Seitenachsen querovale Kartuschen mit Roll- und Knorpelwerkrahmen, darin wiederum emblematische Darstellungen in Relief. Im linken Medaillon eine Wolke, aus der Sonnenstrahlen auf die Weltkugel fallen, ein auf die Strahlen zufliegender Rabe mit einem Brocken im Schnabel sowie ein von links ins Bild ragender bekleideter Arm, der einen zerbrochenen Kelch hält6. Im rechten Medaillon ein auf einem Hügel stehender Fuchs oder Wolf, der ein Kind im Rachen hält. An den Schmalseiten der Predella zwei Reliefs: Maria mit dem Jesusknaben und der vor einem Kruzifix betende hl. Bernhard. Inschrift (A) mit goldener, Inschrift (C) mit roter Farbe ausgemalt.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 3607, B. 223, Bu. ca. 4,5 (A), 2,0 (B), 3,0 bzw. 3,8 cm8 (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, C), Humanistische Minuskel (C).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/4]

  1. A

    SALVE MVNDI SALVTARE , IESV CHARE .9)

  2. B

    INRI

  3. C

    ADa) LAVDEM ET GLORIAM OMNIPOTEN/TISb) DEIc) , IN HONORE GLORIOSAE MATRIS / SEMPERQ(VE) VIRGINIS MARIAEc) ET S(anctissi)mid) P(ATRIS) N(OSTRI) / BERNARDIa) , OMNIVMQ(VE) S(ANCTORVM)e) CISTERCIENSIVM / HAEC ARAa) POSITA EST à F(RATRE) C(HRISTOPHORO) A(BBATE) A(nn)of) . M . DC . XLI .

Übersetzung:

Sei gegrüßt, Heil der Welt, lieber Jesus. (A) – Zu Lob und Ruhm des allmächtigen Gottes, in der Ehre der glorreichen Mutter und allzeit Jungfrau Maria und unseres allerheiligsten Vaters Bernhard sowie aller heiligen Zisterzienser ist dieser Altar errichtet worden von Bruder Christoph, Abt, im Jahr 1641. (C)

Versmaß: Hymnenverse, verkürzt (A).

Kommentar

Der Altar wurde von Michael Kern III und seinem Sohn Achilles („a duobus lapicidis Forchtenbergensibus dictis Kern“) gefertigt, die dafür 150 Gulden sowie eine beträchtliche Naturalienzahlung in Getreide und Wein erhielten10. Die Inschriften sind von unterschiedlicher Qualität. Die Kapitalis in Inschrift (A) ist sehr sorgfältig gearbeitet mit prägnantem Strichstärkenwechsel und besten Vorbildern verpflichteter Serifenbildung. Inschrift (C) mit schmaleren Proportionen, fast einheitlich dünner Strichstärke und schwankender Ausrichtung vor allem der Schrägschäfte wurde dagegen erkennbar flüchtiger ausgeführt. Die Schriftformen der Inschrift (C) stimmen überein mit denen des Schöntaler Fichtlin-Epitaphs von 1633 (nr. 821) und sind eindeutig der Hand des Achilles Kern zuzuweisen. Inschrift (A) bezieht sich auf das zentrale Bildrelief der Hauptzone. Es handelt sich um die ersten Worte des Gebets des hl. Bernhard vor der Umarmungsszene11.

Nach der wegen der Feuchtigkeit der Kirchenwand notwendig gewordenen Neuaufstellung (s. oben) wurde der Altar 1644 am Peter- und Paulstag (29. Juni) von Abt Christoph Haan mit päpstlicher Erlaubnis geweiht12. Er erhielt Reliquien des Apostels Petrus, der hll. Bischöfe Bonifatius und Ambrosius sowie der hll. Äbte Bernhard, Benedikt und Ägidius13. Im selben Jahr wurden für den Altar Paramente als Ersatz für die im Krieg verlorenen angeschafft14.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe vergrößert.
  2. Der linke Schaft des zweiten N etwas verkürzt über den unteren Balken des E gestellt.
  3. Das ganze Wort in vergrößertem Schriftgrad.
  4. Superlativ durch Verdoppelung des S wiedergegeben: SS. Die Endung mi in Humanistischer Minuskel klein hochgestellt.
  5. Plural durch Verdoppelung des S wiedergegeben: SS; Kürzung durch Doppelpunkt.
  6. o klein hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 53r.
  2. Kdm. Künzelsau 323.
  3. Nach Kdm. Künzelsau 323 „links der hl. Stephan Harding (?) …, rechts der hl. Malachias (?) …“. Der 1190 heiliggesprochene Erzbischof Malachias von Armagh († 1148) wurde häufig in zisterziensischen Bildwerken dargestellt; vgl. LCI 7 Sp. 482. Schneider, Michael Kern 259f. Anm. 777 stimmt dieser Identifizierung der beiden Figuren ausdrücklich zu.
  4. Die Embleme beziehen sich auf Visionen des hl. Benedikt nach der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine; vgl. Schneider, Michael Kern 259 Anm. 776.
  5. Zur genaueren Beschreibung vgl. Schneider, Michael Kern 145–148; ferner Kdm. Künzelsau 323.
  6. Zur Deutung vgl. Schneider, Michael Kern 259 Anm. 768: Anspielungen auf Legenden aus dem Leben des hl. Benedikt nach der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine.
  7. Höhenangabe nach Schneider, Michael Kern III, 69; dies., Michael Kern 145.
  8. Einzelne Anfangsbuchstaben und Wörter in größerem Schriftgrad; vgl. Anm. a, c.
  9. Verkürzter Beginn der anonymen, aber dem hl. Bernhard zugeschriebenen, 80 Strophen umfassenden „Rhythmica oratio ad unum quodlibet membrorum Christi patientis et a cruce pendentis“. Ed. Migne PL 184, Sp. 1319–1324; vgl. Walther, Initia carminum I/1, nr. 17126. Der vollständige Wortlaut der beiden ersten Verse: Salve, mundi, salutare, /salve, salve, Jesu care.
  10. Knittel, Annales (StAL B 503 II Bü 13) p. 266; vgl. auch Gradmann, Monumentalwerke 193 Nr. 51; Kdm. Künzelsau 323; Schneider, Michael Kern 23, 145–149; dies., Michael Kern 148, 260 Anm. 778, 290 Q 41.
  11. Vgl. Anm. 9.
  12. Kremer, Continuatio (StAL B 503 II Bü 1) p. 388; Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 53r.
  13. Knittel, Annales (StAL B 503 II Bü 13) p. 267.
  14. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 53r.

Nachweise

  1. OAB Künzelsau 778 (nur C).
  2. Betzendörfer, Kloster Schöntal 52 (Abb.).
  3. Kdm. Künzelsau 323f. (m. Abb. von B).
  4. Schneider, Michael Kern III, 72 (nur A).
  5. Dies., Michael Kern 145 (Abb.), 147, 259 Anm. 766.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 860 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0086003.