Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 849 Forchtenberg, Friedhofskapelle 1638

Beschreibung

Epitaph der Anna Maria Kern geb. Ötig und ihrer Tochter Johanna Maria. Innen an der Nordwand des Langhauses. Ursprünglich vermutlich im Freien an der Kapelle oder an der Friedhofsmauer angebracht. Hochrechteckige Sandsteinplatte. In der oberen Hälfte ein eingetieftes quadratisches Bildfeld mit den Brustbildern eines jungen Ehepaars in flachem Relief. Die Frau, links im Bild, hält einen Säugling in ihren Armen, der Ehemann deutet mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand auf Frau und Kind, mit der Rechten auf ein Totengerippe, das im Hintergrund Pfeil und Sanduhr präsentiert. In der unteren Hälfte der Platte die zeilenweise eingehauene Inschrift. Die letzten drei Zeilen sind gestaffelt zentriert. Stark verwittert, Oberfläche großflächig absandelnd, dadurch erheblicher Schriftverlust.

Maße: H. 186, B. 82,5, Bu. 4,2–4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. ANNO 1638 DE(N) 13 OCTOBR(IS)a) IST / IN GOTT S[E]LIGb) ENTSCḤLAF̣E(N)c) DIE / TUGENTSAMd) ANNA MẠRIA ḲERNINe) / GEBOṚNE OTTINGINf) VO(N)g) [SINDRI]ṆG̣ENh) / ACHILLESi) KẸ[R]NEN BIḶḌ[THA]ỤERSk) / ALHIE HEṚTẒ[GELI]EBT[. . . . .]l) IHRES / ALTERS 2̣[. . . . . . . . . . . .] WOCHEm) / HERNACH D[E]R[E]N EH[EL]ỊC̣[H ERZ]EUGT / UNḌ GELIEBTES [TÖ]CHT[ER]LEINn) / IỌHAN(N)A MARI[A] Ḳ[E]Ṛ[NI]Ṇ / [S]EINES ALTERS 10̣o) WOCHE[N]p)

Datum: 23. Oktober 1638 n. St.

Kommentar

Die Kapitalis zeigt in den schmalen Proportionen und in einigen Einzelformen schwache Anklänge an die Frühhumanistische Kapitalis. Unter den Doppelformen fallen besonders die häufig verwendeten zweibogigen E auf. Eine Doppelform des G hat nur einen kleinen Bogen und eine lange, auf der Grundlinie stehende Cauda. Die Balken des Z sind, soweit noch zu erkennen, linksschräg gestellt und leicht durchgebogen. Der I-Punkt ist nicht regelmäßig gesetzt. Gelegentlich werden Anfangsbuchstaben leicht vergrößert, eine Regel hierfür ist jedoch nicht auszumachen. Ein Kennzeichen der Schrift ist die Häufung von Enklaven. Dieser charakteristischen Schrift zufolge läßt sich das Epitaph dem Bildhauer Achilles Kern zuschreiben, auch wenn die für ihn gesicherten selbständigen Werke, die beiden monumentalen Grabmäler für Graf Melchior von Hatzfeld in Laudenbach (Main-Tauber-Kreis) und im schlesischen Prausnitz (Prusice, Wojewodschaft Dolnośląskie) und die hölzernen Orgelfiguren in der Rothenburger Franziskanerkirche, erst in den Jahren 1659 bis 1663 entstanden sind1. Immerhin ist bemerkenswert, daß Achilles Kern für die schrägliegende Variante der Kapitalis auf dem Laudenbacher Grabmal sowohl das zweibogige E als auch das oben beschriebene G verwendet2.

Achilles Kern ist 1607 geboren. Seine erste Ehe mit Anna Maria, einer Tochter des Sindringer Bürgers und Gerichtsverwandten Germann Ötig, wurde am 28. Februar 1637 geschlossen3. Bereits 1626 wird er als Gehilfe seines Vaters Michael III in Dettelbach erwähnt4, er scheint aber schon zuvor in jungen Jahren in der Werkstatt beschäftigt gewesen zu sein5. Er starb, nachdem er noch zweimal geheiratet hatte, hochbetagt am 20. Januar 16916. Anna Maria Ötig dürfte eine Verwandte des Ernsbacher Bürgers und Ratsverwandten Hans Ötting gewesen sein, der 1620 die Patenschaft für Johann Friedrich Kern, einen Bruder des Achilles, übernommen hatte und dessen Frau Susanna Patin von zwei 1621 und 1629 geborenen Schwestern Achilles’ war7. Als Todesursache ist in den Sterberegistern eine langwierige Lungenkrankheit angegeben8. Anna Maria wurde am 15. Oktober begraben9. Die einzige Tochter Johanna Maria wurde am 23. Juni 1638 getauft und ist am 12. November desselben Jahres gestorben10. Das vorliegende Grabmal ist der gesamten bisherigen Forschung zur Bildhauerfamilie Kern offenbar unbekannt geblieben.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch Doppelpunkt; zweites O verkleinert unter den Balken des T gestellt.
  2. I verkleinert über den Balken des L gestellt.
  3. Der linke Schaft des N unten verkürzt und über den unteren Balken des E gestellt.
  4. N nur mehr schwach zu erkennen; aus Platzgründen muß das T, dessen Balken nicht mehr sichtbar ist, in Nexus litterarum mit dem zweiten Schaft des N verbunden gewesen sein.
  5. Von K nur noch der Schaft sicher erkennbar.
  6. Zweites T verkleinert unter die rechte Balkenhälfte des ersten T gestellt.
  7. O klein in das V eingestellt, darüber ein Kürzungsstrich.
  8. Zur Ergänzung vgl. den Kommentar.
  9. Zweites L verkleinert über den Balken des ersten L gestellt.
  10. Ergänzte Buchstabenfolge durch die Größe der zerstörten Stelle gesichert.
  11. Vermutlich zu ergänzen: HERTZ[GELI]EBT[E FRAU]; die spärlichen Buchstabenreste lassen sich damit freilich nur schwer in Einklang bringen.
  12. Die Altersangabe enthielt vermutlich neben den Jahren die Anzahl der Monate; ergänzt – bis auf die unbekannten Zahlen – lautete der Text also wohl: 2[.] IAR [.] MONAT 1 WOCHE. Vgl. aber die Altersangabe im Sterberegister: „22 Jahr, 4 wochen alt“: Ev. PfarrA Forchtenberg, Kirchenbuch 3 (1630–1743) (LKA, KB Film 1339).
  13. Nexus litterarum unsicher, aufgrund des knappen zur Verfügung stehenden Platzes aber wahrscheinlich.
  14. Vgl. dagegen die korrekte Altersangabe im Sterberegister: „20 wochen alt“: Ev. PfarrA Forchtenberg, Kirchenbuch 3 (1630–1743) (LKA, KB Film 1339), Sterberegister zu 1638.
  15. Das N war vielleicht auch durch einen Kürzungsstrich gekürzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Gradmann, Monumentalwerke 140–144.
  2. Vgl. die Detailaufnahmen in dem Beitrag von Judith Breuer, Die kultur- und kunsthistorische Bedeutung des Hatzfeld-Grabmals in Laudenbach, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 31 (2002) 208–220, bes. 212–215. Die Schriftformen ermöglichen außerdem die sichere Zuschreibung der Wappentafel mit Bauinschrift des Johann Christoph von Eyb und seiner Frau Anna Christina von 1660 an der Dörzbacher Pfarrkirche an Achilles Kern (vgl. Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften); vgl. bereits Rößler, Achilles Kern 194 (Abb.) u. Schneider, Michael Kern 24.
  3. Ev. PfarrA Forchtenberg, Kirchenbuch 3 (1630–1743) (LKA, KB Film 1339), Trauregister zu 1637; Schneider, Michael Kern 23; Gradmann, Monumentalwerke 140 gibt dagegen fälschlich 1635 als Jahr der Eheschließung an.
  4. Gradmann, Monumentalwerke 140.
  5. Schneider, Michael Kern 23.
  6. Gradmann, Monumentalwerke 154 Nr. 21.
  7. Vgl. die Taufregistereinträge in Schneider, Michael Kern 280 Q 21.
  8. Ev. PfarrA Forchtenberg, Kirchenbuch 3 (1630–1743) (LKA, KB Film 1339), Sterberegister zu 1638.
  9. Ebd.
  10. Ev. PfarrA Forchtenberg, Kirchenbuch 3 (1630–1743) (LKA, KB Film 1339), Taufregister zu 1638 u. Sterberegister zu 1638.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 849 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0084901.