Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 779† Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche) 1627

Beschreibung

Glocke, gegossen von den lothringischen Gießern Jakob und Jean Gerard aus la Mothe. 1909 zersprungen und umgeschmolzen1. In vier Zeilen – vermutlich an der Schulter – umlaufende Inschriften; nähere Ausführung nicht bekannt.

Inschriften nach Albrecht, Stiftskirche2.

  1. A

    Anno . 1627 . ist . in . ohringera) . gemeinschafftb) . administration . durch . benantec) . herren . diese . glocken . zu . giessen . / befohlen . worden . crafft . grave . von . hohenloe . herd) . zu . langenburg . und . cranichfeld . obrister . vnd . ritter . / ludwig . eberhard . grave . von . hohenloe . vnd . herr . zu . langenburg .

  2. B

    templa . patent . stat . praeco . / sonat . campana . quid . olim .ultori . dices . quie) . sacra . spernis . homo .

  3. C

    iacob . eger . vnd . friederichf) . Schmirerg) .

Übersetzung:

Die Kirchen stehen offen, der Prediger steht bereit, die Glocke tönt. Was wirst du einst dem Rächer sagen, Mensch, der du den Gottesdienst verschmähst?

Versmaß: Elegisches Distichon (B).

Kommentar

Die Glocke wurde im August 1627 umgegossen aus dem Material zweier alter zerbrochener Glocken, von denen die eine 11 Zentner 25 Pfund und die kleine 4 Zentner 25 Pfund wog3. Beide Glocken befanden sich zuvor auf dem Läutturm. Der Neuguß der Glocke durch die beiden zufällig vorbeiziehenden lothringischen Wandergießer war wesentlich kostengünstiger als die alternative Bestellung einer neuen Glocke in Nürnberg „oder sonnsten“, so daß die Lothringer den Auftrag erhielten. Aus einem Schreiben vom 5. September 1627 geht hervor, daß die Glocke zu diesem Zeitpunkt bereits gegossen war4. Der Neuguß der großen Glocke wurde zum Anlaß genommen, den ohnehin durch Sturmschäden in Mitleidenschaft gezogenen Läutturm aufzustocken5.

Der Verfasser des Distichons auf der Glocke war der Öhringer Archidiakon Philipp Hartmann6, der von 1633 bis zu seinem Tod 1635 das Amt des Stiftspredigers in Öhringen bekleidete7. Bei den beiden Auftraggebern handelt es sich um den Grafen Kraft von Hohenlohe aus der Neuensteiner Linie (1582–1641) und um den in Pfedelbach residierenden Grafen Ludwig Eberhard aus der Waldenburger Linie (1590–1650)8. Der in Inschrift (C) genannte Friedrich Schmierer war von 1624 bis 1628 Stiftsgegenschreiber9 und war in dieser Eigenschaft vermutlich für die organisatorische und finanzielle Abwicklung des Glockengusses zuständig, während sich Jakob Eger bislang nicht nachweisen läßt.

Der in den Akten des Öhringer Stifts als „Hans Gerhartt aus Lamort“ bezeichnete Gießer ist vielleicht identisch mit Jean Gerard, der 1641 in La Mothe-en-Bassigny (dép. Haute-Marne), 1666 in Outremécourt (dép. Haute-Marne) genannt wird, der 1646 zusammen mit Martin Rolin Glocken in Ravensburg und Pfärrich (Gde. Amtzell, Lkr. Ravensburg) gegossen hat10 und der unter anderem zusammen mit Tobie de la Paix 1652 den Auftrag zum Guß der großen Augsburger Domglocke erhielt11, jedenfalls dürfte es sich aber um einen Angehörigen derselben Familie handeln.

Textkritischer Apparat

  1. Ohringen Boger.
  2. gemeinschafftl. Boger.
  3. genannte Boger.
  4. herr Nachl. Albrecht; Boger.
  5. dices . . . qui Boger.
  6. friderich Nachl. Albrecht.
  7. schmierer Boger.

Anmerkungen

  1. Die neue Glocke erhielt die alte Inschrift; vgl. LDA Esslingen, Ortsakte Öhringen, Stiftskirche: Schreiben des Öhringer Dekans Maisch an das K. Ev. Konsistorium vom 30. Juni 1909. Die Angaben in LKA, A 26 Nr. 1483,5 (Glockenbeschlagnahme 1917, OA Öhringen) beziehen sich demnach auf die umgegossene Glocke. Diese wog etwa 650 kg und wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen.
  2. Einzige Überlieferung, die die Zeilenumbrüche bezeichnet.
  3. Vgl. HZAN SB 15 (Stift Öhringen) Bü 77: Schreiben des Stiftssyndikus Sebastian Schreiber 1627 VIII 12.
  4. Ebd.: Schreiben der Gießer Jakob und Hans Gerhartt 1627 IX 5.
  5. Vgl. ebd. Nach einer Inspizierung durch den gräflich hohenlohischen Baumeister Georg Kern und den Zimmermann Eberhard Bühell von Pfedelbach erhielt letzterer den Auftrag zur Errichtung des neuen Glockenstuhls (Bestandzettel 1627 VIII 4).
  6. Angaben nach Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie IV, 184; ebenso Albrecht, Stiftskirche Oehringen 56.
  7. Vgl. Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 153 nr. 887 mit weiteren Angaben zur Person.
  8. Vgl. Eur. Stammtaf. NF XVII, Taf. 6, 15.
  9. HZAN SB 15 (Stift Öhringen) Bü 57: Liste der Stiftsgegenschreiber.
  10. Vgl. Dt. Glockenatlas Württ./Hohenzollern 87, Nrr. 1174, 1175, 1959.
  11. Vgl. Glockenatlas Bayer. Schwaben 59, Nr. 4.

Nachweise

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie IV, 184 (nur B).
  2. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) IX. Bü. 272 (Öhringen Stiftskirche): Autopsie Albrechts und Reinschrift.
  3. Albrecht, Stiftskirche Oehringen 56.
  4. OAB Öhringen 105.
  5. Boger, Stiftskirche Öhringen 69.
  6. Keppler 263f. (nur B, C).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 779† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0077904.