Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 778 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche), Kreuzgang 1627

Beschreibung

Grabplatte des Wilhelm Konrad von Ragewitz. Im Ostflügel des Kreuzgangs an der äußeren Wand aufgerichtet, zweiter Stein von Norden; zuvor bis vor wenigen Jahren (1993?) an der Südwand des Westflügels1. Sandstein. Umlaufend zwischen profilierten Leisten eingehauener Sterbevermerk (A); im Feld zwei aneinandergeschobene Vollwappen innerhalb eines eingetieften Rundmedaillons, darüber und darunter je zwei Wappenkartuschen mit Beischriften (B) in Schriftbändern; ganz unten eine von einer Fratze bekrönte querrechteckige Kartusche mit Rollwerkrahmen, darin Bibelspruch (C). Bestoßen; in der unteren Hälfte Witterungsschäden durch aufsteigende Feuchtigkeit, Oberfläche sandelt ab.

Siehe Lageplan.

Maße: L. 187, B. 88, Bu. 3,0 (A), 1,9 (B), 2,2 (C, Kapitalis), 2,4 cm (C, Minuskel).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B), Kapitalis und Humanistische Minuskel mit Frakturelementen (C).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Helmut Hartmann, Bechtheim [1/4]

  1. A

    ANNO 1627 · DEN · 26 · MARTZIJ · IST / DER WOL EDLE GESTRENG · WILHELM CONRADT · VON RA[G]EWITZ · GRÖFLIGERa) · HOHEN/LOISCHER · GAPEDÄNb) · ZV · ORINGAVW · IN [GOT]c) / SELIG · ENTSCHLAFFEN · SEINES · ALTERS [·] IM · 40 · IAHR · DER · SELLEN · GOTT · GNADT ·d)

  2. B

    BERNSTEIN · SENFT ·e)  
    DOMISCH · KRECKH ·  

  3. C

    P[SA]LMf) · AM · 27 · / Der herr decket mich in seiner / hütten · zur böszen zeit · er verbirg=/et mich heimlich in seinem gezelt · / vnd erhöhet mich auf einem felsẓ2)

Datum: 5. April 1627 n. St.

Wappen:
Ragewitz3, Nanckenreuth4;
Bernstein5 Senft
Domisch6Greck.

Kommentar

Das Schriftbild der Kapitalis wird geprägt durch die kräftigen dreieckigen Sporen. Der rechte Schaft des A steht durchweg senkrecht. I-Punkt ist konsequent gesetzt. Die Schäfte von M und N sind in der Regel jeweils sowohl oben als auch unten mit beiderseits überstehenden Sporen versehen. Z hat einen Mittelbalken, der untere Balken ist geschwungen. Die Anfangsbuchstaben der meisten Wörter sind vergrößert, ohne daß dafür eine Regel erkennbar wäre. Die Minuskel zeigt eine fast vollständige Ausrundung der Bögen und stumpf auf der Grundlinie endende Schäfte; die Oberlängen sind nach rechts gebogen. Aus der Fraktur entlehnte Fremdformen sind neben den unter die Grundlinie reichenden f und langen s mit Schwellschaft das zweistöckige z, das aus zwei getrennt übereinandergestellten Bögen gebildete Bogen-r, das v sowie der gebrochene obere Bogenabschnitt des e und die Quadrangel-Fahne des Schaft-r. Vor allem die charakteristische Mischminuskel erlaubt eine Zuordnung der Grabplatte an eine Werkstatt, von der im Bearbeitungsgebiet etliche weitere Arbeiten erhalten sind7.

Der Offizier Wilhelm Konrad von Ragewitz entstammt einem meißnischen Niederadelsgeschlecht, das in seinem Stammland in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgestorben zu sein scheint8, in einem Zweig in Württemberg aber noch bis 1661 nachweisbar ist9. Die Stammfolge des Geschlechts ist ebenso wenig wissenschaftlich erforscht wie die der fränkischen Familie von Nanckenreuth, der Ragewitz’ Ehefrau angehört. Eine vollständige genealogische Auflösung der auf der Grabplatte dargestellten Wappen ist daher bislang nicht möglich. Die wichtigsten Daten lassen sich aber der gedruckten Leichenpredigt des Offiziers entnehmen10. Demnach ist er am 29. November 1587 in Crailsheim geboren als Sohn des Jeremias von Ragewitz und der Johanna Senft von Sulburg11. Nach der Schulausbildung in seiner Geburtsstadt war er von seinem elften bis zum 15. Lebensjahr Kammerjunge der Elisabeth Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, der Witwe des Grafen Friedrich von Hohenlohe-Langenburg12. Anschließend leistete er Kriegsdienst in den Niederlanden unter dem Grafen Philipp Ernst von Hohenlohe bis zu dessen Tod 1606. Er begleitete die Leiche des Grafen nach Öhringen. Anschließend war er zunächst Stallmeister des Grafen Philipp Ernst d. J. († 1628) zu Langenburg und diente in dessen Reiterei wiederum in den Generalstaaten. Dann trat er in die Dienste des Grafen Kraft von Hohenlohe-Neuenstein († 1641), von dem er zum Kapitänleutnant bestellt wurde. Ab 1621 war er Hofmeister des Grafen Georg Friedrich († 1645) zu Weikersheim. Ein Jahr vor seinem Tod erhielt er schließlich die Anstellung als gemeinsamer Hauptmann der neuensteinischen und der waldenburgischen Linie mit Amtssitz in Öhringen. Seine Frau Rosina Maria von Nanckenreuth13 war die Tochter des Valentin Philipp von Nanckenreuth und der Amalia Truchsessin von Hennenberg. Die 1623 geschlossene Ehe blieb kinderlos. Die Witwe ließ ihrem Ehemann außer der Grabplatte auch noch ein hölzernes Epitaph anfertigen, das sich heute im Hohenlohe-Museum in Schloß Neuenstein befindet (nr. 777).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Sic! capellan Esenwein.
  3. Sinngemäße Ergänzung. An der zerstörten Stelle ist nur für maximal drei Buchstaben Platz.
  4. Großes Quadrangel mit nach rechts auslaufender Zierranke als Zeilenfüller.
  5. Quadrangel mit nach rechts angesetzter kurzer Zierranke.
  6. Die gesamte Zeile zentriert.

Anmerkungen

  1. Vgl. Knoblauch I/2, Abb. 147.
  2. Ps 27,5.
  3. Linksgewendet. Oberhalber Gamsbock; Helmzier: über einem Helmwulst ein wachsender Gamsbock; vgl. Siebmacher Si1, 155; Alberti 609.
  4. Vgl. Schöler, Familienwappen 77, Taf. 149. In der vorliegenden Darstellung sind die beiden Ringe nicht mit der Lanzenspitze verbunden. Helmzier: über einem Helmwulst und zwischen einem Flug die von zwei schwebenden (!) Ringen begleitete Lanzenspitze mit Widerhaken.
  5. Linksgewendet. Aufgerichteter Bär; vgl. Siebmacher Si1, Taf. 155.
  6. Hand; üblicherweise im geteilten Schild. Im vorliegenden Wappen ist jedoch keine Teilungslinie erkennbar; vgl. Siebmacher Si1, 156.
  7. Vgl. Einl. 7, 82f.
  8. Kneschke 7, 325.
  9. Alberti 609: Georg Friedrich von Ragowitz, geboren in Crailsheim, herzogl. württembergischer Hauptmann und Burgvogt zu Neuffen († 1661).
  10. Philippus Hartmann, Christlicher Soldaten Lob und Tugendt … Bey angesteltem Begräbnuß deß Weyland WolEdlen Gestreng vnd Vesten Wilhelm Cunrads von Ragewitz, Gräflichen Hohenloischen Gemeinen Capitains zu Oeringen, Welcher allda den 26. Martij im Jahr nach Christi Geburt 1627. nach Mittag zwischen drey vnd vier Vhr in Gott Seeliglich verschieden, Vnd folgends den 30. dessen in der Stiffts Kirchen daselbsten Adenlich vnd Ehrlich zur Erden bestattet …, Rotenburg ob der Tauber 1627 (Exemplar in der WLB, Fam. Pr. oct. K. 13369), [23]–[26]. Danach alles Weitere.
  11. Demnach ist die heraldisch linke Seite der Ahnenprobe regelmäßig, während nur die rechte Hälfte um ein Wappen verschoben ist: Das obere Wappen (Bernstein) ist das der väterlichen Großmutter, das untere das der Mutter des väterlichen Großvaters.
  12. Zu Herzogin Elisabeth vgl. nr. 714.
  13. Bitte der Witwe um Gnadenbestallung vom 21. April 1627: HZAN Oe 10 119/4/6.

Nachweise

  1. Esenwein, Grabsteine, Nr. A2 (nur A teilw.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 778 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0077800.