Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 767 Krautheim, kath. Stadtkirche Mariä Himmelfahrt 1626

Beschreibung

Grabplatte des Knaben Erhard Fichtlin. Seit der Kirchenerweiterung von 1974/75 innen an der Nordwand des westlichen Erweiterungsbaus; zuvor außen in die Kirchplatzmauer westlich der Kirche eingemauert1. Kleine hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein. Der Sterbevermerk (A) ist umlaufend eingehauen; im eingetieften Feld die stehende, einen Rosenkranz in den zum Gebet zusammengelegten Händen haltende Figur des Knaben in Flachrelief, umrahmt von einer Kleeblattbogennische; in den Bogenzwickeln zwei Wappenschilde. Die untere Häfte des Bildfeldes wird von einer vierzeilig mit einer Versinschrift (B) versehenen Schrifttafel verdeckt, unter der nur die Füße des Knaben sichtbar sind. Den unteren Rahmen der Schrifttafel bildet ein Engelskopf. Abgetreten und stark verwittert, beeinträchtigt sind besonders Inschrift (B) und die untere und linke Schriftleiste von (A). Mehrere Ausbrüche an den Rändern sind mit Zementmörtel ergänzt (Schriftverlust), dabei stellenweise Ergänzung der zerstörten Inschriftpassagen.

Maße: L. 131, B. 74, Bu. 3,8–4,0 (A), 1,6 bzw. 3,0 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur (A), Humanistische Minuskel und Kapitalis (B).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    An(n)o 1626a) [s]ạmbstags de(n) 10 (octo)b[r]ịs / ist in Gott Seeliglich entsclaffenb) der züchtige Jungling Erhardus / Fichtleinc) seines alters beyd) 15 Jahren / [dem G]oṭṭe) ẹịṇ froliche Vff[er]stehung verleihen wolle Amenf)

  2. B

    ERHARDE hem uigilas somṇo aṇ FICHTLINE / potiris?g)Curụe taces? an non esṭ tibi summa quies?Fare agẹ! contemplor laetus ue[n]erabile Numen,HaVD Vt qVI[. . .h) Lo]qVạṛi) Lạbrak) tenerẹ [q]VeaMl)

Übersetzung:

He, Erhard Fichtlin, wachst du oder schläfst du? Oder warum schweigst du? Oder ist dir nicht die letzte Ruhe zuteil? Auf, sprich: Fröhlich betrachte ich die ehrwürdige Gottheit. (Doch) damit ich nicht noch in einem fünften (Vers?) rede, will ich jetzt die Lippen im Zaum zu halten versuchen.

Versmaß: Elegische Distichen (B); der letzte Pentameter als Chronostichon.

Wappen:
Fichtlin2, unbekannt3.

Kommentar

Soweit der schlechte Zustand der Inschriften das noch erkennen läßt, handelt es sich sowohl bei der für den deutschsprachigen Sterbevermerk eingesetzten Fraktur als auch bei der für die lateinischen Verse verwendeten Humanistischen Minuskel um sorgfältig stilisierte und recht gleichmäßig ausgeführte Schriften. Die ausgewogenen Frakturversalien sind nur mäßig verziert. Die Bögen der Humanistischen Minuskel sind fast kreisrund, lediglich das e weist eine schwächere Bogenkrümmung auf. Kapitalis-I ist durchweg mit i-Punkt versehen. Die Frakturformen stimmen weitgehend überein mit denen auf dem Epitaph des Hoch- und Deutschmeisters Johann Eustach von Westernach († 1627) in Mergentheim sowie auf einer Mergentheimer Grabplatte von 16274. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Werk desselben Bildhauers.

Das Chronogramm des letzten Verses ergibt das Todesjahr des Knaben 1626. Er war sicherlich ein Sohn des Krautheimer Schultheißen Sebastian Fichtlin († 1632)5.

Textkritischer Apparat

  1. Von der letzten Ziffer ist nur mehr die untere Hälfte erhalten, der obere Teil der 6 ist lediglich in den Zementmörtel eingeritzt. Die Lesung der Jahreszahl läßt sich aber durch das Chronogramm in Inschrift (B) sichern; falsche Lesung 1620 in DI 8.
  2. Sic!
  3. Name offenbar weitgehend bei Restaurierung ergänzt.
  4. seines alters bey teilweise (in nicht mehr eindeutig feststellbarem Umfang) bei Restaurierung ergänzt.
  5. Ergänzung nach üblichem Formular.
  6. Danach Zierschnörkel.
  7. Das letzte Wort des Verses zwischen erste und zweite Zeile gesetzt; gleiche Schriftgröße.
  8. Nach I noch ein mittellanger Schaft zu erkennen, der nur zu einem n oder zu einem r gehören kann, da m innerhalb eines Chronogramms als in Kapitalis zu schreibendes Zahlzeichen ausscheidet. Vom Metrum her wäre die Lesung qVInta möglich, was aber keinen rechten Sinn ergibt. Vermutlich ist qVInto (i. e. verso) zu lesen, wobei freilich das o kurz gemessen werden muß.
  9. Das o muß aus Platzgründen über den Balken des L gestellt gewesen sein.
  10. Das kaum sichtbare a über den Balken des L gestellt.
  11. Alle Ergänzungen der letzten Zeile konjiziert.

Anmerkungen

  1. Vgl. DI 8 (Mosbach, Buchen, Miltenberg) nr. 388.
  2. Baum (Fichte?) auf Dreiberg; stark verwittert und fast unkenntlich.
  3. Sechsstrahliger Stern.
  4. DI 54 (Mergentheim) nrr. 450, 451.
  5. Eine 1616 geborene Tochter dieses Schultheißen, Anna Clara, ist 1632 Taufpatin einer Tochter des Amtskellers Johann Heinrich Mosbach; vgl. Leistikow, Mosbach von Lindenfels 665 Anm. 24.

Nachweise

  1. DI 8 (Mosbach, Buchen, Miltenberg) nr. 388 (fehlerhaft; m. Abb.).
  2. Gercke, Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 12 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 767 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0076707.