Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 709 Neuenstein, Oberer Torturm (sog. Bürgerturm) 1620

Beschreibung

Bauinschrift und Wappentafel des Grafen Kraft VII. von Hohenlohe. Außen an der Ostseite des Rundturms im obersten Geschoß eingemauert. Roter Sandstein, sechs Werkstücke. Die annähernd quadratische Inschriftenplatte wird oben und unten jeweils von einem nach innen abgefasten Sims gerahmt, wobei der untere Rahmen einen Teil des den Turm umlaufenden Schlagsimses bildet. Die seitliche Rahmung besteht aus kräftigen, gekehlten Leisten und weit ausladenden Voluten. Unter der in zehn Zeilen eingehauenen Bauinschrift (A) ist die Nennung des Baumeisters (B) deutlich abgesetzt. Über der Inschrifttafel eine quadratische Platte mit kreisrunder, von Voluten gerahmter und bekrönter Wappenkartusche.

Maße: H. ca. 200, B. ca. 200, Bu. ca. 5,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    OPVS . IVSSV . PERILLVST(RI) / ET . GENEROS(I)a) DOMINI . D(OMI)NIb) . / CRATONISc) . COMIT(IS) . DE . / HOHENLOE . BARON(IS)a) IN . LANGENB(VRG) / EXIMI . BELLI . DVCIS . ET . EQVIT(IS)a) / AVRAT(I)a) TVRBVLENTIS . GERMAN(IAE) / REBVS . IN . DEFENSION(EM)a) HVIVS / OPPIDI . ERECTVM . AN(N)O . CHRISTI . / M . D . C . XXd) . MENSE / SEPTEMBRI .

  2. B

    BAVMAISTER GEORG KEHRN

Übersetzung:

Das Bauwerk ist auf Befehl des durchlauchtigsten und hochgeborenen Herrn Herrn Kraft Grafen von Hohenlohe und Freiherrn zu Langenburg, des vortrefflichen Heerführers und Ritters (vom güldenen Sporn)1, in den Wirren, in denen sich Deutschland derzeit befindet, zur Verteidigung dieser Stadt errichtet worden im Jahr Christi 1620 im Monat September.

Wappen:
Hohenlohe-Langenburg/Pfalz-Veldenz2.

Kommentar

Die Kapitalis ist sehr sorgfältig eingehauen, wirkt aber durch die engen Zeilenabstände, die zudem durch gelegentliche vergrößerte Anfangsbuchstaben verringert werden, sowie durch geringe Buchstabenspatien und Nexus litterarum gedrängt. M hat senkrechte Schäfte und einen nur bis zur halben Zeilenhöhe herabgeführten Mittelteil. Der Schrägschaft des N am Ende des Baumeisternamens ist nach rechts unter die Grundlinie verlängert und dann nach oben umgebogen. Die Worttrenner-Quadrangel sitzen zumeist etwas erhöht über der Grundlinie. Wappentafel und Inschrift dürften von dem Baumeister und Bildhauer Georg Kern selbst ausgeführt worden sein.

Die Inschrift dokumentiert wohl nicht, wie bisher angenommen3, den völligen Neubau des nordöstlichen Eckturms der Stadtbefestigung, sondern lediglich eine – wenn auch wahrscheinlich durchgreifende – Erweiterung und Befestigung des nach Ausweis einer Wappentafel (nr. 249) vermutlich bereits etwa 75 Jahre zuvor errichteten Bauwerks. Der Turm erhielt 1620 eine welsche Haube, die 1836 durch ein Kegeldach mit kleinem aufgesetzten Glockentürmchen ersetzt wurde4.

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch Doppelpunkt.
  2. N spiegelverkehrt.
  3. CRATONIS in deutlich größerem Schriftgrad. Die Buchstaben des Namens sind sowohl nach oben als auch nach unten vergrößert, so daß sie den Raum zwischen der vorangehenden und der folgenden Zeile vollständig ausfüllen.
  4. Die Zahlzeichen der Jahreszahl in leicht vergrößertem Schriftgrad. Die letzten beiden Zeilen stehen zentriert.

Anmerkungen

  1. Bezeichnung für Personen, die – zumeist vom römischen König oder Kaiser – formell zum Ritter geschlagen oder ernannt worden sind, womit oft die Verleihung einer goldenen Kette sowie das Recht zum Tragen goldener Sporen verbunden war. Die zeitgenössische deutsche Entsprechung war zumeist der bloße Begriff „Ritter“. Vgl. dazu zuletzt Eberhard Schmitt, Behaust im Heiligen Römischen Reich? Das europäische Beziehungsnetz der „equites aurati“ im Zeitalter Kaiser Karls V., in: Kultur und Region im Zeichen der Globalisierung. Wohin treiben die Regionalkulturen? Beiträge zum 14. Interdisziplinären Kolloquium des Zentralinstituts, hg. v. Şefik Alp Bahadir (Schriften des Zentralinstituts für Regionalforschung der Universität Erlangen-Nürnberg 36), Neustadt an der Aisch 2000, 417–427; ders., Die „Ritter vom güldenen Sporn“: Eine Leistungselite der Zeit Kaiser Karls V., in: Kaiser Karl V. und seine Zeit. Katalog zu den Ausstellungen der Bibliothek Otto Schäfer, Schweinfurt, des Stadtarchivs Schweinfurt sowie des Fördervereins und der Forschungsstiftung für vergleichende europäische Überseegeschichte, Bamberg, hg. v. Stephan Diller, Bamberg 2000, 136–141. Zum Ritterschlag des Grafen Kraft vgl. nr. 856.
  2. Eheallianzwappen im gespaltenen Schild: vorn quadriert von Hohenlohe und Langenburg, hinten quadriert von Pfalz und Bayern und mit Herzschild Veldenz belegt. Das Wappen wird von einem Fürstenhut bekrönt, vielleicht wegen der fürstlichen Abstammung der Pfalzgräfin Sophia. Ungewöhnlich ist dies allemal, da den Grafen von Hohenlohe diese Rangkrone eigentlich nicht zustand.
  3. So jedenfalls Lamm, Im alten Neuenstein 107; vgl. allerdings schon Grünenberg, Georg Kern 129, die lediglich von einer Erneuerung des Turms durch Kern spricht.
  4. Vgl. dazu und zur weiteren Geschichte des Turms Lamm, Im alten Neuenstein 107.

Nachweise

  1. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) IX. Bü 264 (Neuenstein): Abschrift mit Bleistift mit relativ genauer Nachzeichnung der Buchstabenformen sowie Reinschrift mit Tinte, 1864 V 17.
  2. Öhringer Heimatbuch 452 (nur teilw. u. in dt. Übersetzung).
  3. Lamm, Im alten Neuenstein 107 (nur dt. Übersetzung).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 709 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0070902.