Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 705 Ingelfingen, Friedhof 1620

Beschreibung

Fragmente des Epitaphs für Sebastian von Morstein († 1617). Am Durchgang durch die nördliche Friedhofmauer vom alten zum neuen Friedhof, an der Westseite des Treppenaufgangs eingemauert. Sandstein. Erhalten sind zwei Werkstücke: Eine querrechteckige Tafel mit schmalem, gestuften Rahmen und zeilenweise eingehauenem Sterbe- und Bestattungsvermerk (A), unten in der Mitte eine kleine Löwen(?)maske; als unterer Abschluß ein schmales wulstartiges Sims. Diese Tafel ist jetzt unmittelbar auf den Unterhang gesetzt, der sich aus einem reich profilierten Sims und darunter einem von Voluten flankierten Engelskopf zusammensetzt; über dem Engelskopf die eingehauene Jahreszahl (B). Beide Werkstücke stark verwittert und in der rechten Hälfte senkrecht durchgebrochen, die Schrifttafel an der Bruchstelle mit zu großem Abstand zusammengefügt und mit Zementmörtel geflickt; weiße Ausblühungen. Von einem ehemals sicher vorhandenen Aufsatz (mit Wappen?) ist nichts mehr vorhanden, vielleicht zeigte das Grabmal ursprünglich auch eine figürliche Darstellung des Verstorbenen.

Maße: H. (Schrifttafel) 43, B. 77, H. (Unterhang) 30, B. 90, Bu. 2,3–2,8 (A), Zi. 2,3 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur, Humanistische Minuskel mit Frakturelementen, Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    ANNOa) 161[7b) d]en : 26 : Martij : Aito : veteroc) : / Jst ihn Got[t] : seeliglich entschlaffen / der : wohl : E[d]ler : vnnd veste : Sebastiand) / von Marsteiṇ : zue Jndelfingene) : vnnd / Jst : den : 2 : Apprillis : Aito : veterof) : / begraben : wordten : alhier zue / Jndelfingene)

  2. B

    1620

Datum: 5. April 1617 n. St.; 12. April 1617 n. St.

Kommentar

Die Fraktur ist gleichmäßig und ausgewogen, die Bögen konsequent jeweils nur auf der rechten Seite ausgerundet, während die nach links gewandten Bögen noch durchweg gebrochen sind. Der Bogen des h ist nicht ausgerundet, ist aber weit unter die Grundlinie verlängert und dort nach links zu einer Wellenlinie umgebogen, die ganz analog zum Unterbogen des g gestaltet ist. Auffällig ist die Fahne des f und des langen s, die meist ein kräftiges Quadrangel bildet. Die Versalien sind schlicht und nur gelegentlich mit begleitenden Haarstrichen verziert. Für die lateinischen Wörter bedient sich der Steinmetz einer Mischschrift aus Frakturelementen und Formen der Humanistischen Minuskel, die zugehörigen Versalien entstammen dem Kapitalis-Alphabet. Die Schäfte im Mittellängenbereich enden stumpf auf der Grundlinie, das o und der Bogen des einstöckigen a sind vollständig ausgerundet, ebenso das runde s und die Bogenverbindung zwischen den Schäften des n. Neben diesen Antiqua-Merkmalen erscheinen als Frakturelemente geschwungene Schäfte bei l, langem s und t, gebrochene Bögen bei b, e und p sowie quadrangelförmige Fahnen bei r und langem s. Für den A-Versal werden zwei verschiedene Formen verwendet: Die eine hat einen senkrecht gestellten rechten und einen geschwungenen linken Schrägschaft, die andere hat einen unter die Grundlinie verlängerten linken Schrägschaft mit Schlinge am Schaftende. Als Worttrenner dienen zwei senkrecht übereinandergesetzte Quadrangel. Falls der Unterhang tatsächlich zu der Schrifttafel gehört, wofür die passenden Maße sprechen, wurde das Grabmal erst drei Jahre nach dem Tod Sebastians von Morstein angefertigt.

Angesichts der völlig unzulänglich erforschten Genealogie der Herren von Morstein läßt sich der Verstorbene nicht sicher in die Stammfolge einordnen. Sebastian könnte identisch sein mit dem von Biedermann als Sohn Ludwigs von Morstein und der Elisabeth Schilling von Cannstatt verzeichneten Träger des Namens1, der freilich unverheiratet gestorben sein soll. Dem Ingelfinger Totenbuch zufolge war er jedoch mit Ursula „Berlerin“ verheiratet2. Die Ehefrau wird auch, allerdings ohne Namennennung, zusammen mit Sebastian wiederholt in den Kommunikantenregistern aufgeführt3. Aus der Ehe gingen mindestens vier Kinder hervor4, von denen drei zwischen 1606 und 1609 früh verstorben sind. Diese drei erhielten ein gemeinsames Epitaph, von dem auf dem Ingelfinger Friedhof ein Fragment erhalten ist (nr. 711), dessen Schrifttafel dieselbe Breite und dieselben Schriftformen aufweist wie die vorliegende Tafel. Die beiden Epitaph-Fragmente gehörten ursprünglich sicherlich nicht zu einem Grabmal, doch deuten die gleiche Schrift und die zueinander passenden Maße darauf hin, daß die beiden Grabmäler als Pendants (und gleichzeitig?) angefertigt worden sein dürften.

Über Güterbesitz oder einen Stadthof der von Morstein in Ingelfingen, auf den der Wortlaut der Inschrift hindeutet, ist offenbar bisher weiter nichts bekannt. Der Besitz des nordwestlich von Ingelfingen gelegenen Bobachshof als hohenlohisches Lehen5 in der fraglichen Zeit kann jedenfalls nicht der Grund für die Zubennennung nach Ingelfingen gewesen sein.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe deutlich vergrößert.
  2. Ergänzung nach Ehrmann, Grabmäler; 1611 OAB Künzelsau 598.
  3. Martij Aito vetero in Humanistischer Minuskel mit Frakturelementen. So statt stilo vetere; vermutlich Lesefehler des Steinmetzen aus handschriftlicher Vorlage.
  4. Sebastian in Humanistischer Minuskel mit Frakturelementen.
  5. Sic!
  6. Apprillis Aito vetero in Humanistischer Minuskel mit Frakturelementen; vom ersten p nur der Schaft erhalten. Zum Steinmetzfehler vgl. Anm. c.

Anmerkungen

  1. Biedermann, Ottenwald, tab. CCCXC.
  2. Ev. PfA Ingelfingen, Kirchenbuch 2, Totenregister, p. 23; vgl. Ehrmann, Grabmäler, Nr. 8/9.
  3. Ev. PfA Ingelfingen, Kirchenbuch 1 (1556–1624) u. Kirchenbuch 2 (1557–1624) (LKA, KB Film 1269).
  4. Am 27. Januar 1604 wird Wilhelm Sebastian getauft, am 26. März 1606 ein namentlich nicht bezeichneter Sohn (vermutlich Wolf Friedrich), am 15. Januar 1609 Philippina; vgl. Ev. PfA Ingelfingen, Kirchenbuch 1 (1556–1624) (LKA, KB Film 1269), Taufregister. In den Totenregistern, die teilweise auch Taufeinträge enthalten, ist außerdem zu 1607 ohne Tagesangabe (zwischen dem 14. Juli und dem 8. September) die Taufe von Hans Konrad von Morstein notiert; vgl. Ev. PfA Ingelfingen, Kirchenbuch 2 (1557–1624) (LKA, KB Film 1269), Totenregister.
  5. OAB Künzelsau 616; vgl. auch Andermann, Urkunden Guttenberg Nr. 166 (zu 1659). Für freundliche Auskünfte danke ich Herrn Dr. Kurt Andermann, Stutensee-Blankenloch.

Nachweise

  1. OAB Künzelsau 598 (nur erwähnt).
  2. Ehrmann, Grabmäler, Nr. 9 (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 705 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0070507.