Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 655 Neuenstein, Friedhofskapelle 1612

Beschreibung

Grabplatte der Anna Maria Hyso. Bis 1962 im Fußboden, nach der Restaurierung der Kapelle 1963 innen an der Nordwand des Langhauses angebracht als dritter Stein von Osten. Sandstein. Umschrift (A) zwischen schmalen Rahmenleisten; das Feld quergeteilt in zwei Zonen, in der oberen, quadratischen innerhalb eines kreisrunden Rahmens zwei aneinandergeschobene Vollwappen, in den Bogenzwickeln die erhaben ausgehauenen Ziffern des Herstellungsjahrs (B); unten im Feld eine hochrechteckige, von Roll- und Beschlagwerk gerahmte Kartusche mit Bibelspruch (C). Bestoßen, Ränder ausgebrochen, rechte obere Ecke fehlt. Reste roter Farbfassung.

Maße: L. 191,5, B. 86,5, Bu. 2,3 (A), 2,6 (C), Zi. 5,2–6,3 cm (B).

Schriftart(en): Fraktur und Kapitalis (A), Humanistische Minuskel mit Frakturelementen und Kapitalis (C).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    AN(N)O DOM(INI) 1611 · den 8 Martij Jst [. . . . . / . . . . . . . .]n Endtschlaffen die Ehrn Tugents[ame] Fraw An(n)a Ma[ria] Hÿszoin das Ehrnuesten vnd / vohrnemen herrn Friderich Hiszo diszer zeit / Greuischer Hohenlohischer RENOVATOR Alhier zu Neienstein Ehliche Hauszfraw der sell Gott Gnadt :

  2. B

    1//6/1//2

  3. C

    : PSALM · 51 :a) / Gott seÿ mir gnedig / Nach deiner Güte / Vnd tilge meine / Sünde nach deiner / Grossen Barmhertz=/igkeit : Wasche mich / Woll von meiner / Missethat vnd Rein=/ige mich von meiner / Sunde :b)1)

Datum: 18. März 1611 n. St.

Wappen:
Hyso, unbekannt2.

Kommentar

Auffällige Besonderheit der Humanistischen Minuskel in Inschrift (C) ist das lange s mit weit unter die Grundlinie reichender und nach links hochgebogener Unterlänge. Die Form des e mit mehrfach gebrochenem Bogen und die Form des v sind der Fraktur entlehnt. Die Ausführung ist recht nachlässig, und auch die im Mittellängenbereich gedrungene und eckige Fraktur mit gleichwohl langen Ober- und Unterlängen in Inschrift (A) wirkt etwas grob. Die nach rechts umgebogene Oberlänge des h bildet durchweg eine kreisrunde Schleife. Als i- und y-Punkte dienen klobige Quadrangel, die Versalien sind mit Ausnahme des J der Kapitalis entnommen. Der Versal am Beginn der Umschrift ist vergrößert, beide Schrägschäfte des A sind nach links durchgebogen, und der linke Schaft läuft nach unten in eine Doppelschleife aus. Doppelpunkte fungieren in beiden Inschriften als Interpunktionszeichen. Die Schriftformen, vor allem die der Fraktur, weisen auf die Werkstatt von Philipp Kolb in Öhringen3.

Friedrich Hyso, der Ehemann der Verstorbenen, hatte in Leipzig (imm. 1596)4, Wittenberg (imm. 1597)5 und Marburg (imm. 1600)6 studiert. Am 22. Februar 1608 erhielt er seine Bestallung zum Renovator in Neuenstein7. Zuvor war er gräflich hohenlohischer Keller zu Künzelsau8.

Textkritischer Apparat

  1. Erste Zeile zentriert.
  2. Letzte Zeile zentriert, darunter in der Mitte ein kleines gleichschenkliges Ankerkreuz.

Anmerkungen

  1. Ps 51,3–4.
  2. Aus einem Dreiberg hervorwachsende gesichtete Sonne; Helmzier: Schildfigur. Es handelt sich keinesfalls, wie Eberhard, Grabsteine Friedhofkapelle 1, vermutet, um eine „Meerjungfrau“.
  3. Vgl. Einl. 71f., 77f.
  4. Jüngere Matrikel Leipzig I, 204.
  5. Album Acad. Viteb. II, 438.
  6. Catalogus studiosorum scholae Marpurgensis 131.
  7. HZAN La 5 Bü 229. Der Renovator hatte die Aufgabe, Lagerbücher („Renovaturen“) anzulegen und auf dem Laufenden zu halten.
  8. Als solcher aufgeführt in dem um 1607 entstandenen Bestallungsbuch der Herrschaft Neuenstein: HZAN Oe 10 117/4/4.

Nachweise

  1. Eberhard, Grabsteine Friedhofkapelle 1 (nur C).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 655 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0065502.