Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 652 Amrichshausen (Stadt Künzelsau),
kath. Pfarrkirche St. Maria
1612, 1614, 1626

Beschreibung

Spitzbogenportal, Steintafel mit Bauinschrift und Wappensteine. Außen an der Westwand des Langhauses.

I. Spitzbogenportal. Gewände aus rotem Sandstein. Reiches, doppelt gekehltes Profil mit wuchtigem, im Bogenscheitel überkreuztem Rundstab; darauf am Scheitelstein und am linken Bogenstein Stz. nr. 55. An der Stirn des Scheitelsteins ist, dem Bogenverlauf folgend, die Jahreszahl (A) eingehauen. Die Jahreszahl wurde offenbar 1626 abgeändert, indem man jeweils vor den beiden letzten Ziffern eine neue Ziffer einschlug (B); vermutlich wurden gleichzeitig die so ersetzten Ziffern in irgendeiner Form (durch Zustreichen?) unsichtbar gemacht. Bei einer in jüngster Zeit vorgenommenen Restaurierung, bei der die stark verwitterten Steine an den ausgebrochenen Rändern ergänzt wurden, ist die 1990 noch als vorhanden nachweisbare1 erste Ziffer der Jahreszahl zerstört worden. Mitte des Bogenscheitels durch Einbau einer Laterne stark beschädigt.

Ergänzung von (A) nach Foto2.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

Maße: H. 50, B. (zwei Werkstücke) 112, Zi. 4,0–6,0 (A), 4,0–7,2 cm (B).

  1. A

    [· 1 ·] 6 [·] 12 [·]a)

  2. B

    2 6b)

II. Steintafel mit Bauinschrift des Würzburger Bischofs Julius Echter von Mespelbrunn. Unmittelbar über dem Scheitel des Portalbogens in die Wand eingesetzt. Querrechteckige Sandsteintafel mit Roll- und Beschlagwerkrahmen; seitlich zwei gestreckte Blattvoluten. Im Spiegel die achtzeilig eingehauene Versinschrift (C); in den beiden unteren Ecken des Rahmens die Jahreszahl (D). Alle Schriftzeichen mit dunkelgrauer Farbe nachgezogen. Kleine Ausbrüche am Rahmen. Über der Tafel sind zwei einheitlich gestaltete Wappensteine aus Sandstein, jeweils mit einer skulptierten ovalen Wappenkartusche, angebracht. Der heraldisch rechte mit dem Wappen des Bischofs Julius Echter (unten auf dem Rahmen Stz. nr. 43) war ursprünglich sicherlich mittig über der zugehörigen Schrifttafel plaziert, während der linke mit dem Wappen seines Amtsnachfolgers erst 1626 anläßlich der Fertigstellung des Baus und im Zusammenhang mit der Abänderung der Jahreszahl auf dem Portalbogen (s. oben) hinzugefügt wurde. Beide Wappen mit moderner Farbfassung.

Maße: H. (nur Tafel) 67, B. 85, Bu. 5,5 (C), Zi. 5,5 cm (D).

Schriftart(en): Fraktur.

  1. C

    Bischoff Julius ausz Vatters trewc) , Baut Kirch vnd Pfarhausz gantz Von Neu Ergentz die alt Religiond) , Dar Zu hilfft Jm sein Vnderthon . Winscht also nunmehr disen seegen , Das Vleissig Volg Vnstrefflich leben . Bleibe bei diser gantzen Herd , Mit rechtem eiffer Vnuerkerde) .

  2. D

    16//14

Versmaß: Deutsche Reimverse (C).

 
Wappen:
Hochstift Würzburg/Echter von Mespelbrunn3; Hochstift Würzburg/Ehrenberg4.

Kommentar

Die vier Ziffern der Jahreszahl 1612 sind symmetrisch im Scheitel des Portalbogens verteilt und haben allesamt denselben Abstand von der Bogeninnenkante. Dadurch ist der Befund 1612 mit Sicherheit als der ursprüngliche anzusprechen. Die Ziffern 26 geben sich dagegen durch ihre unorganische Anordnung, durch das Durchbrechen der Grundlinie nach unten und durch eine etwas tiefere Kerbe eindeutig als nachträgliche Einfügung zu erkennen5. Die ursprüngliche Jahreszahl dürfte den Baubeginn des Kirchenneubaus bezeichnen, die nachgetragene dagegen den endgültigen Bauabschluß. Der Neubau der Amrichshausener Pfarrkirche reiht sich ein in die umfangreichen vergleichbaren Baumaßnahmen des Würzburger Bischofs Julius Echter, die er als probates Mittel zur Durchführung der Gegenreformation einsetzte. Ein Teil der Bevölkerung Amrichshausens war gegen Ende des 16. Jahrhunderts evangelisch gewesen und konnte durch die würzburgische Gegenreformation zum Alten Glauben zurückgeführt werden6. Wie vielfach andernorts ließ der Bischof auch hier sowohl die Baumaßnahme als auch die erfolgreiche Erneuerung und Erhaltung der alten Religion dokumentieren durch Anbringung einer Gedenkinschrift in gebundener Sprache. Diese (selten gelungenen) deutschen Reimverse sind stets nach demselben Schema verfaßt7. Auch das Pfarrhaus des Ortes wurde 1614 neu erbaut und erhielt eine ähnliche Inschrift (nr. 663). Die dicht gedrängte und etwas steife Fraktur fällt durch die geschwungenen, markant eingedrückten Bögen vieler Buchstaben auf. Die Versalien sind schlicht und nur gelegentlich etwas reicher verziert. Die Schrift gleicht in Duktus und Proportionen der Fraktur Michael Kerns II, der nach Ausweis des Steinmetzzeichens den Wappenstein mit dem Echter-Wappen gehauen hat, sie weicht aber in den Einzelformen sowohl der Gemeinen als auch der Versalien ab, so daß eine Fertigung der Inschrifttafel durch Kern ausgeschlossen werden kann. Von derselben Hand stammt die Fraktur der erwähnten Inschrift am Pfarrhaus (nr. 663) sowie die einer zwei Jahre älteren Inschrift in Hollenbach (nr. 648).

Der Neubau der Amrichshausener Kirche zog sich lange hin und konnte erst unter Bischof Philipp Adolf von Ehrenberg fertiggestellt werden. Die gleichrangige Anbringung seines Wappens neben dem seines Vorgängers bringt dies zum Ausdruck. Geweiht wurde die Kirche am 28. Juni 16258.

Textkritischer Apparat

  1. Sämtliche quadrangelförmigen Trennpunkte wurden bei der Restaurierung beseitigt. Die erste (zerstörte) 1 war stark nach rechts durchgebogen und endete unten in einer Schleife. Vor der zweiten 1 eine nachträglich eingehauene 2, vor der 2 eine nachträglich eingehauene 6, vgl. Inschrift (B) mit Anm. b.
  2. Die 2 nachträglich vor der vorletzten Ziffer, die 6 vor der letzten Ziffer der vorhandenen Jahreszahl 1612 eingefügt, so daß sich (bei gleichzeitiger Tilgung der vorhandenen Ziffern) die Jahreszahl 1626 ergab; vgl. Anm. a.
  3. Dritter Schaft des w nicht farbig nachgezogen.
  4. Das Wort ist durch einen – gleichzeitig als Zeilenfüller dienenden – großen Versal mit besonders weit nach links ausholendem Anschwung hervorgehoben.
  5. Lies unverkehrt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Foto vom November 1990 in der Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
  2. Ebd.
  3. Quadriert, 1. Würzburg (fränk. Rechen), 2/3. Echter von Mespelbrunn, 4. Würzburg (Rennfähnlein). Wappen des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (1573–1617); vgl. Kolb, Wappen 113–117.
  4. Quadriert, 1. Würzburg (fränk. Rechen), 2/3. Ehrenberg, 4. Würzburg (Rennfähnlein). Wappen des Fürstbischofs Philipp Adolf von Ehrenberg (1623–1631); vgl. Kolb, Wappen 120–123.
  5. Der Behauptung in Kdm. Künzelsau 74, der ursprünglichen Jahreszahl 1626 seien später die beiden Ziffern 12 hinzugefügt worden, um nachträglich den Baubeginn zu bezeichnen, ist eindeutig zu widersprechen.
  6. Kdm. Künzelsau 73.
  7. Vgl. dazu Schneider, Aspectus populi 40–42; August Amrhein, Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn als Reformator der Pfarreien, in: Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof von Würzburg und Herzog von Franken (1573–1617). Eine FS, hg. v. Clemens Valentin Heßdörfer, Würzburg 1917, 127–152; und zuletzt ausführlich Barbara Schock-Werner, Die Bauten im Fürstbistum Würzburg unter Julius Echter von Mespelbrunn 1573–1617. Struktur, Organisation, Finanzierung und künstlerische Bewertung, Regensburg 2005, bes. 91–99 (Kap. „Bauinschriften“), 449–456 („Katalog der Baugedichte“, ohne Berücksichtigung der beiden Amrichshausener Inschriften) und Taf. 44f. Weitgehende wörtliche Parallelen finden sich in der ebenfalls 1614 ausgeführten Gedenkinschrift an der Pfarrkirche in Mechenried (Gde. Riedbach, Lkr. Haßberge), vgl. DI 17 (Haßberge) nr. 341.
  8. Kdm. Künzelsau 74.

Nachweise

  1. Bauer, Alterthümer 255. – StAL E 258 VI Bü 2087 (Kollektaneen Alberti, OA Künzelsau) Nr. 4a. – OAB Künzelsau 349. – LDA Esslingen, Fotoarchiv, Neg.-Nr. 14616 (Juli 1959). – Kdm. Künzelsau 74f. – Rauser, Künzelsauer Heimatbuch II, 34f. (nach Kdm.), 37 (Abb.). – Der Hohenlohekreis 1, 222 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 652 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0065201.