Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 641 Waldenburg, Friedhof 1611

Beschreibung

Grabplatte des Philipp Engelhart. Am Haupteingang, zwischen Kapelle und Leichenhalle, direkt westlich des Tors an der Mauer angebracht; ursprünglich im Boden der Friedhofskapelle. Roter Sandstein. Ein handbreiter, schmuckloser Rahmen umgibt das eingetiefte Feld und teilt es waagerecht in zwei unterschiedlich große Zonen; im größeren oberen Feld der Sterbevermerk (A) und das Grabgedicht (B); im quadratischen unteren Feld, dessen Rahmenleisten innen einfach profiliert sind, Trostspruch (C). Leicht abgetreten, Ränder stellenweise ausgebrochen; der untere Rand von Erdreich verdeckt.

Maße: L. ca. 190, B. 85,5, Bu. 2,5–2,9 (A), 2,3 (B), 2,1–2,7 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. A

    PHILIPPVS ENGELHARTVS / I(VRIS) V(TRIVSQVE) D(OCTOR)a) ET CONSILIARIVS WAL:/DENBVRGENSISb) . MORITVR IX / DECEMBRISc) : ANNO 1611 .

  2. B

    ISHACd) CORPVSe) HVMOe) TVMVLATVM IN =f) / PACE QVIE SCITg) . /AST ANLMAh) ATQVE ANIMVS COELICA =f) / REGNA COLVNT : /MVSIS ET THEMIDI NATVS MVSASQVE : / : THEMINQVE : /EXCOLVISSE MIHI SEDVLA CVRA FVIT . /NONDVM LVSTRA DECEM MIHI SVNT / COMPLETA SED ANTE . /ME COSTAE1) ET NATIS MORS TRVCVL:/ENTAb) RAPIT :

  3. C

    HVMANVM EST NASCI DENASCI =f) / VITA QVID ERGO =i) /HVMANk) EST AIVDl) QVAM DOLOR ET =f) / LACRVMAE /HVIC BENE QVI CHRISTO VIXIT =f) / NAM PORTA SALVTVSm) =i) /PER MORTEM PATEFIT QVID =f) / VETAT ERGO MORIn)

Übersetzung:

Philipp Engelhart, Doktor beider Rechte und Rat zu Waldenburg, stirbt am 9. Dezember im Jahr 1611. (A) – Hier im Boden begraben ruht der Leib in Frieden, Seele und Geist hingegen wohnen im Himmelreich. Für die Musen und für Themis (Göttin des Rechts) bin ich geboren, und den Musen und Themis meine Dienste geweiht zu haben, war meine eifrige Sorge. Noch habe ich keine zehn Lustren (50 Jahre) vollendet, doch vorher entreißt mich der finstere Tod meiner Frau und den Kindern. (B) – Menschlich ist es, geboren zu werden und zu sterben. Was also ist das menschliche Leben anderes als Schmerz und Tränen? Für den, der recht für Christus gelebt hat, steht nämlich das Tor des Heils durch den Tod offen. Was hindert ihn also zu sterben? (C)

Versmaß: Elegische Distichen (B, C).

Datum: 19. Dezember 1611 n. St.

Kommentar

Die Kapitalis ist zwar sehr sorgfältig ausgeführt, dabei sind dem Steinmetz aber einige Schreibfehler unterlaufen. Die Wortanfänge sind fast durchweg durch deutlich vergrößerte Versalien hervorgehoben. Alle Bögen sind kreisrund. Die meisten Buchstaben haben quadratische Proportionen, wodurch vor allem H und T ungewöhnlich breit sind. Der untere Balken des E ist wesentlich länger als die beiden übrigen. A hat stets einen senkrecht gestellten rechten Schaft, während der linke Schrägschaft s-förmig geschwungen oder leicht nach rechts durchgebogen ist und deutlich unter die Grundlinie ragt. Auffällig sind weiters das G mit eingestellter Cauda, Q und R mit weit nach unten bzw. nach rechts ausschwingender gewellter Cauda sowie X mit geschwungenem Rechtsschrägschaft. Der I-Punkt ist nur unregelmäßig gesetzt. Als Interpunktions- und Trennzeichen dienen meist Doppelpunkte, die entweder als Quadrangel oder als Dreiecke ausgeführt sind. Den Schriftformen zufolge wurde die Grabplatte vom selben Steinmetzen gefertigt, der ein Jahr zuvor das Epitaph und die Grabplatte des Liebmann von Meusebach (nrr. 625, 626) geschaffen hat.

Philipp Engelhart ist ein Sohn des als Präzeptor I. Klasse am akademischen Pädagogium und als Professor der Philosophie und Linguistik in Tübingen wirkenden Leonhard Engelhart († 1602) und der Ursula Stephan2. Er ist am 6. Mai 1563 in Tübingen geboren. Er studierte in Tübingen (imm. 1579, bacc. 1580, mag. 1583), war Rektor des dortigen Collegium illustre, studierte anschließend 1587–1588 in Italien und wurde 1590 zum Doktor beider Rechte promoviert. Im selben Jahr wurde er Professor der Jurisprudenz und Hofgerichtsassessor in Tübingen. Von 1601 bis zu seinem Tod wirkte er als hohenlohischer Rat in Waldenburg3. 1589 heiratete er Felizitas Schegk († 1640), Tochter des württembergischen Rats David Schegk. Für zwei 1599 verstorbene Kinder ließ Engelhart 1601 ein Epitaph anfertigen, das sich in der Waldenburger Stadtkirche befindet (nr. 559).

Textkritischer Apparat

  1. Alle drei Wörter jeweils durch Doppelpunkt gekürzt.
  2. Doppelpunkt hier in der Funktion von Worttrennstrichen.
  3. Letzte Zeile zentriert.
  4. So vermutlich statt ISTAC.
  5. Letzter Buchstabe verkleinert auf halber Zeilenhöhe.
  6. Die auf halber Zeilenhöhe gesetzten rechtsschrägen Doppelstriche hier nicht als Worttrennzeichen, sondern zur Markierung der zusammengehörigen Versteile über die Zeile hinweg.
  7. Falsche Worttrennung; so statt QVIESCIT.
  8. So statt ANIMA.
  9. Die Doppelstriche hier wohl zur Kennzeichnung der Zusammengehörigkeit des Verspaars.
  10. So statt HVMANA.
  11. So statt ALIVD.
  12. So statt SALVTIS.
  13. Danach als Schlußzeichen ein blütenähnlicher Zierpunkt.

Anmerkungen

  1. Gemeint ist costa Adae (Rippe Adams)=Frau. Weitere Beispiele für inschriftliche Verwendung des Worts in der Bedeutung „Ehefrau“: DI 25 (Ludwigsburg) nr. 384 (1581); DI 23 (Oppenheim) nr. 226 (1597).
  2. Alle Angaben zur Person nach Württ. Pfarrerbuch 2, 89f. Nr. 519.
  3. Vgl. nr. 559 Anm. 6.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 641 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0064108.