Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 561 Öhringen, Marktstr. 18 1602

Beschreibung

Drei Fachwerkeckständer mit Bauinschrift und Bauhandwerkernennungen. Giebelständiges Haus mit gemauertem, jetzt modern umgestaltetem Erdgeschoß, zwei Fachwerkobergeschossen und vier Giebelgeschossen. Drei der hölzernen Fachwerkeckständer der nördlichen Giebelseite tragen eingeschnitzte Inschriften.

I. Eckständer an der Nordostecke des zweiten Obergeschosses. Auf der Nordseite eine vielzeilige Bauinschrift (A), die links von einem oben und unten von Doppelvoluten begrenzten gedrehten Tau und rechts von einer aus einer Vase hervorwachsenden, in Flachschnitzerei ausgeführten Blattranke eingefaßt wird. Darunter auf einer etwas zurückspringenden, annähernd quadratischen Fläche Inschrift (B). Auf der mit Schuppenmuster versehenen Ostseite ebenfalls ein gedrehtes Tau mit Doppelvoluten, darunter ein in hohem Relief geschnitzter bärtiger Männerkopf mit Halskrause; die abgerundete Kante des Balkens belegt mit symmetrischen Blattranken, die wiederum aus einer Vase hervorwachsen. Bunt bemalt, Schriftgrund braun, Inschrift (A) mit roter Farbe nachgezogen. Inschrift (B) aufgrund des dicken Farbauftrags stellenweise unleserlich.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/9]

Maße: Bu. ca. 3,5 (A), ca. 2,0 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis (A), Gotische Minuskel mit Versalien (B).

  1. A

    ANNO / 1602 / HADT / MICHAEL / FRISCH/KORN / BVRGERa) / VNND / ZIMMER/MAN ZV / WALDEN/BVRG / MIDT / SEINEN / GESELN / BARTEL / MEISNER / ERHART / RETER / CLAVS / SCHRAM / HANS / KRAFT / DISEN / BAV VER/FERTIGTb) / DEN · 21 / IVLIJ VF/GERICHT

  2. B

    Diser schön Ḅạẉ war vff=/gerichtc) . / Jnn Gottes namen wie / ṃọṇc) ṣpṛicht . / Zạl ṣechṭzehenhvnder[t] / zweỵc) Jhạr . / Herr Christof Seebac[h] / Borgermaister bauherṛd)

II. Eckständer an der Nordwestecke des zweiten Obergeschosses. Auf der Nordseite oben ein in Umrissen eingeschnitzter und rot bemalter Schild, darin Jahreszahl und Initialen (C). Die Kante des Pfostens belegt mit einem gedrehten Tau, das oben und unten von Doppelvoluten begrenzt wird. Westseite des Pfostens unter Verputz verdeckt.

Maße: Bu. ca. 4,0 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. C

    · 1 · 60 · 2 · / M(ichael) · F(rischkorn) ·e) A(lbrecht) · F(ranck)f)

III. Eckständer an der Nordostecke des ersten Obergeschosses. Auf der Nordseite oben eine erhaben geschnitzte schildförmige Kartusche mit Inschrift (D), die in der ersten Zeile unterbrochen wird von einem sechsstrahligen Stern in eingetieftem Kreis, in der Spitze des Schilds eine Maurerkelle und ein schräg darübergelegtes Winkelmaß in Flachschnitzerei; unter dem Schild Blattranken, die aus einer Vase hervorwachsen; weiterer reicher Schmuck aus gedrehten Tauen, Doppelvoluten, Blattranken und Band- und Beschlagwerk auf beiden Sichtseiten; unten am Pfosten zwei in hohem Relief geschnitzte Büsten von bärtigen Männern mit Halskrausen, dazwischen eine geschuppte Dreiviertelsäule. Der Schild dick mit roter Farbe überstrichen, dadurch die Inschrift nur mehr schwer lesbar.

Maße: Bu. 3,0 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. D

    A(lbrecht) F̣(ranck) //g) M D Bh) / W S · H I / M C̣i) · H Ṛ / ERILk) · 5l) · G Sm) / · 1 · 6 · 0 · 2 ·

Versmaß: Deutsche Reimverse (B).

Kommentar

Inschrift (B) ist in einer für das Bearbeitungsgebiet ungewöhnlich späten Gotischen Minuskel ausgeführt, die, soweit dies die dicke Übermalung noch erkennen läßt, sehr regelmäßig und mit deutlich ausgeprägten Ober- und Unterlängen eingeschnitzt ist. Sie ist aber jedenfalls zeitgenössisch und nicht, wie von Knoblauch vermutet1, erst im 19. Jahrhundert angebracht worden. Die Versalien, die die Oberlängen der Gemeinen noch überragen, entstammen dem Bereich der Auszeichnungsbuchstaben von Textura-Handschriften und ‑druckschriften. In die geschlossenen Bögen sind senkrechte und verdoppelte schräge Zierstriche eingestellt.

Die Kapitalis der Inschrift (A) zeigt als charakteristische Besonderheit ein N mit stark geschwungenem Schrägschaft. A ist nur am Beginn der Inschrift trapezförmig mit beidseitig überstehendem Deckbalken, sonst spitz. Der Schaft des D ist häufig oben verkürzt, und die Bogenenden reichen zumeist links über den Schaft hinaus. Die Inschriften (C) und (D) wurden von anderer Hand ausgeführt. Das breite A hat hier einen geknickten Mittelbalken. Als Worttrenner dienen große Punkte. Im Innern des Gebäudes hat sich noch eine steinerne Wendeltreppe aus der Erbauungszeit erhalten. Das Haus diente später im 18. Jahrhundert bis 1782 als Sitz der Hohenlohe-Neuensteinischen Regierung2. Der in Inschrift (A) genannte Waldenburger Zimmermann Michael Frischkorn ist 1636 gestorben3.

Textkritischer Apparat

  1. Der VR-Nexus nicht korrekt ausgemalt; jetziger aufgemalter Befund: BERGER.
  2. Die senkrechte Cauda des G bildet zugleich den Schaft des verkleinerten T.
  3. Zweite Zeile des Verses weit eingerückt.
  4. Danach keine Schriftreste mehr erkennbar, der Raum reicht auch nicht für ein weiteres Wort aus. Der Reim erfordert freilich als Ergänzung war.
  5. Große Raute als Trennzeichen zwischen den beiden Namen.
  6. Auflösung der Initialen nach nr. 495. Frischkorn und Franck waren auch in Künzelsau gemeinsam als Werkmeister tätig.
  7. Unterbrechung durch Sternornament.
  8. Vermutlich aufzulösen als M(eister) D(ieses) B(aus)?
  9. Vielleicht auch M G; A C Knoblauch.
  10. ERM Knoblauch.
  11. 5 fehlt Knoblauch.
  12. Vielleicht aufzulösen als 5 · G(e)S(ellen)?

Anmerkungen

  1. Knoblauch II/1, 269.
  2. Ebd. 266; ebd. 266–269 Baubeschreibung.
  3. Max Cramer, Auszüge aus dem Waldenburger Kirchenbuch 1, masch., Heilbronn 1919 (LKA, Film KB 748), Totenregister zu 1636 XI 28. Frischkorn wird im Kirchenbuch erstmals 1593 anläßlich der Taufe einer Tochter genannt; vgl. ebd., Taufregister zu 1593 X 20.

Nachweise

  1. Öhringer Heimatbuch 467 (nur erwähnt), Taf. 20 (nur A, B, D).
  2. Knoblauch II/1, 268f. (ungenau).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 561 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0056105.