Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 558 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche) 1601

Beschreibung

Epitaph des Julius Micyllus. Innen an der Westwand der nördlichen Seitenkapelle (ehem. Kapitelsaal, „Hölle“), zweiter Stein von Norden. Sandsteinädikula. Als Bekrönung ein Rundmedaillon mit Vollwappen, gerahmt von Roll- und Beschlagwerk; in der Hauptzone zwischen mit Löwenmasken belegten Pilastern das in hohem Relief ausgeführte Brustbild des mit Wams, Schaube und Mühlsteinkragen bekleideten Verstorbenen innerhalb eines ovalen Bildfelds (Hände abgebrochen); in den Zwickeln darüber zwei Engelsköpfchen, dazwischen das eingehauene Herstellungsjahr (A); der gesamte Sockel wird von einer Tafel eingenommen, die den Sterbevermerk (B) trägt. Im Unterhang Knochen und Totengräberutensilien; seitlich zwei mit Löwenmasken belegte Volutenkonsolen.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 230, B. 99, Bu. 3,0 (B), Zi. 2,3–5,0 cm (A).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Helmut Hartmann, Bechtheim [1/2]

  1. A

    · 1601 ·

  2. B

    ANNO · DOM(INI) : 1600 · DEN · 16 · SEPTEMBRIS / ENTSCHLIEFF · IN · GOTT · DER · EHRN=/VEST · VND · HOCHGELERT · IVLIVS / MICŸLLVS · DER RECHTERa) · DOCTER / V(N)D · DER · WOLGEBORNEN · SAMPTLICH=/EN · GRAVEN · VON · HOHENLOHE · GEM=/EINER · RAHT · VND · KANTZLER · SEIN=/ES · ALTERS · 65 · IAR · VND · 12 · DAGb)

Datum: 26. September 1600 n. St.

Wappen:
Micyllus1.

Kommentar

Die Kapitalis ist mit engen Zeilenabständen und unregelmäßigem Strichstärkenwechsel eingehauen. Die Schrägschäfte von A und V sind an ihren freien Enden keilförmig verdickt. Zweimal ist das A mit einem Deckbalken versehen. Auffälligste Einzelformen sind das fast kreisrunde, weit geschlossene C mit rechtwinklig an den Bogenenden angesetzten Sporen (analog die Gestaltung des S), G mit weit nach links eingerückter senkrechter Cauda sowie Z, dessen oberer und unterer Balken ebenso wie der Mittelbalken linksschräg geneigt sind und dessen unterer Balken zudem geschwungen ist. Das Epitaph ist nach Ausweis der Ornamentformen und der figürlichen Darstellung der Werkstatt des Heilbronner Bildhauers Jakob Müller zuzuschreiben. Besonders weitgehende stilistische Gemeinsamkeiten ergeben sich zu den beiden um 1596 entstandenen, Müller zugewiesenen Liebensteiner-Epitaphien in Bönnigheim (Lkr. Ludwigsburg)3 und zu dem 1599/1600 gefertigten Fassadenschmuck des Schlosses Liebenstein in Neckarwestheim (Lkr. Heilbronn). Am dortigen Jakobus-Portal ist zudem die Kapitalisschrift mit der des Micyllus-Epitaphs völlig identisch. Nah verwandt sind außerdem die Schriftformen der 1584 (?) bzw. 1592 nachgetragenen Sterbedaten auf zwei Grabplatten in der Öhringer Friedhofskapelle (nrr. 412, 413), die vielleicht von Philipp Kolb ausgeführt wurden. Kolb war von 1592 bis 1597 Gehilfe Müllers.

Julius Micyllus ist ein Sohn des berühmten Graezisten Jakob Micyllus (Moltzer, † 1558). 1567 war er kurpfälzischer Rat und Diener2. 1582 bestellte ihn Kurfürst Ludwig VI. zu seinem Kanzler4. Nach seiner Entlassung 1584 blieb er zwar in pfälzischen Diensten als Rat von Haus aus5, doch band ihn diese Stellung nicht mehr an den Heidelberger Hof. Im Januar 1585 wechselte er als Rat und Kanzler in hohenlohische Dienste6. Am 3. April 1597 heiratete er in Öhringen Anna, die Tochter des augsburgischen Stadtschreibers und Syndicus Peter Steuernagel7.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. Danach eine umgekehrt-s-förmige Zierlinie als Zeilenfüller.

Anmerkungen

  1. Drei (2:1) abgeschnittene Hahnenköpfe; Helmzier: Hahnenrumpf.
  2. Manfred Krebs, Die kurpfälzischen Dienerbücher 1476–1685. In Registerform bearb., in: ZGO 94 (1942) m7–m168, hier: m91 Nr. 1779.
  3. DI 25 (Ludwigsburg) nrr. 463, 464 (ohne Abb.).
  4. Schaab, Geschichte der Kurpfalz 2, 52 u. 59.
  5. Krebs (wie Anm. 2) m94 Nr. 1851.
  6. Nach längeren Vorverhandlungen erfolgte die Bestallung zum 11. Januar 1585; vgl. zu den Verhandlungen HZAN La 5 Bü 222 Qu. 60–80, die Bestallung ebd. Qu. 81.
  7. Ev. PfA Öhringen, Kirchenbuch 1, Eheregister zu 1597 Quasimodogeniti (LKA, Film KB 1324).

Nachweise

  1. Knoblauch II/1, 296.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 558 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0055808.