Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 543 Niedernhall, ev. Pfarrkirche 2.–3. D. 16. Jh.

Beschreibung

Kelch. Silber vergoldet, getrieben, gegossen und graviert. Über profilierter Zarge mit Zahnschnitt der runde, flache Fuß, der zum runden Schaft hin steil ansteigt und mit graviertem Ranken- und Blattornament überzogen ist, das auf der Vorderseite ein Rundmedaillon mit aufgelegtem gegossenen Kruzifixus umschließt. Das Kreuz mit Titulus sowie die das Kreuz flankierende Geißel und Rute sind graviert. Zwischen den runden Schaftstücken, die Strahlengravuren aufweisen, ist ein älterer, flacher Nodus mit sechs rautenförmigen Rotuli eingefügt. Der Nodus hat auf Ober- und Unterseite getriebene flache Buckel mit lanzettförmigen Maßwerkgravuren, die Rotuli zeigen jeweils ein reliefiertes Wappen. Becherförmige, geradwandige Cuppa. Letzte Restaurierung 2003.

Maße: H. 18,8, Dm. (Cuppa) 10,3, Dm. (Fuß) 12,2, Bu. 0,2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

  1. INRI

Wappen:
zweimal Kronberg (Flügel- oder Ohrenstamm), Rüdt,
Kronberg (Flügel- oder Ohrenstamm), zweimal Rüdt1.

Kommentar

Die Datierung von Kelchfuß und -schaft stützt sich auf die Gestaltung des gravierten Ranken- und Blattdekors, der aufgrund vorauszusetzender graphischer Vorlagen kaum vor 1530 entstanden sein kann2. Die uncharakteristischen Schriftformen des Kreuztitulus können zur zeitlichen Einordnung nichts beitragen. Der Knauf ist dagegen wesentlich älter. Darauf deuten vor allem die Form der unten spitz zulaufenden Wappenschilde und die heraldische Stilisierung des Rüdenrumpfs im Rüdtschen Wappen hin. Sie erlauben eine Ansetzung spätestens um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Es könnte sich demnach bei dem Knauf um den Teil eines Kelchs handeln, der ursprünglich von einem Ehepaar aus den Geschlechtern Rüdt und Kronberg gestiftet worden war. Für die fragliche Zeit kämen am ehesten Eberhard d. Ä. Rüdt von Collenberg, Amtmann zu Wildenburg (Lkr. Miltenberg) und erzbischöflich mainzischer Marschall (urk. 1413–1455) und seine Frau Margaretha von Kronberg (urk. 1416–1448)3 in Frage. Da Margaretha aber dem Kronenstamm der Kronberger angehörte und somit das Stammwappen mit dem Kronen-Beizeichen führte, scheidet diese Lösung hier wohl aus. Bleiben nur noch als zweite bekannte Eheverbindung zwischen beiden Geschlechtern Hans Rüdt von Collenberg († 1378) und Else von Kronberg aus dem Ohrenstamm4, der wie der Flügelstamm das kronbergische Stammwappen ohne Beizeichen führte. Allerdings ist für die Zeit vor 1378 zwar nicht die Wappenform, wohl aber die Form des Kelchnodus zu fortschrittlich, so daß man allenfalls an eine spätere Gedächtnisstiftung (1. H. 15. Jh.?) für das Ehepaar denken könnte. Kinder aus dieser Ehe sind offenbar urkundlich nicht nachweisbar5. Für welche Kirche dieser ältere Kelch zunächst bestimmt war, ist nicht mehr festzustellen. Eine Verbindung der Rüdt oder der Kronberg zu Niedernhall läßt sich jedenfalls nicht nachweisen.

Anmerkungen

  1. Die Angaben in Kdm. Künzelsau 252 („wechselnd die Wappen Jarsdorf und Rüdt bzw. Egloffstein“) sind zu korrigieren.
  2. Ebd. die unbegründete Datierung des gesamten Kelchs „um 1600“.
  3. Vgl. Möller, Stamm-Taf. III, Taf. CXXXVII; Ronner, Stammtafel Kronberg, K 25.
  4. Möller, Stamm-Taf. III, Taf. CXXXVII; Ronner, Stammtafel Kronberg, O 7.
  5. Möller, Stamm-Taf. III, Taf. CXXXVII. Else von Kronberg heiratete in zweiter Ehe 1379 Hans von Hirschhorn, vgl. Ronner, Stammtafel Kronberg, O 7.

Nachweise

  1. Kdm. Künzelsau 252 (nur erwähnt, m. Abb.).
  2. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 131 (nach Kdm.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 543 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0054307.