Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 520† Niedernhall-Hermersberg, Schloß 1599

Beschreibung

Kachelofen. Bis um 1971 im Saal im ersten Obergeschoß, an der Südwand links neben dem Eingangsportal; bei Fotoaufnahmearbeiten zusammengebrochen, die Ofenplatten in der Folgezeit spurlos verschwunden1. Der Ofen bestand aus einem rechteckigen eisernen Kasten, der vorn auf zwei schmalen, mit Beschlagwerk verzierten Pfeilern aufsaß und oben durch ein gekacheltes Gesims abgeschlossen war, und einem schmalen, ädikulaförmigen Kachelaufsatz an der Wand. Der Aufsatz mit Segmentbogengiebel, in der Hauptzone zwischen kannelierten Säulen ein Vollwappen in ovalem Medaillon, im Sockel Muschelnischen und seitlich zwei hockende Löwen; die Kacheln an den Schmalseiten mit Darstellungen musizierender Frauen; alle Kacheln glasiert. Die drei gußeisernen Platten des Ofenkastens waren mit Wappenreliefs versehen. Die schmalere Platte der Stirnseite zeigte einen Ädikulaaufbau: im Rundbogengiebel Bildrelief2, in den Zwickeln weibliche Gestalten (Tugenden?), im Gebälk eine – nicht dokumentierte – Inschrift (Devise?); in der Hauptzone Vollwappen, in den seitlichen Pilastern Tugendpersonifikationen; im Sockel Kartusche mit dreizeiliger (?) Nameninschrift, deren Wortlaut nicht überliefert ist. Die Reliefs der beiden deutlich breiteren Platten der Längsseiten waren vermutlich identisch3. Da diese Platten nach demselben, aus zwei Hälften zusammengesetzten Modell gegossen wurden wie eine aus Schloß Langenburg stammende und sich heute im Rittersaal des Weikersheimer Schlosses4 befindende Ofenplatte, ist eine Beschreibung nach diesem Exemplar möglich: Gleicher Aufbau wie die Platte der Stirnseite. Im Feld des Segmentbogengiebels ein emblematisches Relief: Küstenlandschaft mit Galeere und Segelschiff, mitten im Meer ein über der Weltkugel auf zwei gekreuzten Ankern sitzender Mann mit ausgebreiteten Armen, der in der Linken ein brennendes Herz und in der Rechten eine Schlange hält, welche sich um eine über dem Mann schwebende zerbrochene Säule windet und in ein geöffnetes Buch beißt; hinter der Schlange außerdem ein Schwert. Über der Szene, von Wolken umgeben und dem Bogenverlauf folgend, der zugehörige Sinnspruch (B) in drei Schriftbändern. In den Zwickeln neben dem Giebel Jahreszahl (A) und zwei thronende Frauen(?)gestalten mit Assistenzfiguren, links vielleicht Caritas. Im Gebälk unter dem Giebelfeld zwei Devisen nebeneinander (C, D); in der breiten Hauptzone Eheallianzwappen mit insgesamt fünf Helmen; vor den seitlichen Pilastern die stehenden Figuren der Temperantia und der Justitia. Im Sockel senkrecht geteilte Schriftkartusche mit Namenbeischriften zu den darüber angebrachten Wappen (E, F); auf den Pilastersockeln Löwenmasken. Alle Inschriften erhaben.

Wiedergabe der Inschriften nach dem Weikersheimer Exemplar.

Maße: H. (Platte der Längsseite) 90, B. 112, Bu. 1,5–1,7 (B), 3,0 (C, D), 1,95 (E, F), Zi. 4,0–8,5 cm (A).

Schriftart(en): Kapitalis (B, C, D), Fraktur (E, F).

  1. A

    15//99

  2. B

    GOTT // GIBT // GLVCK

  3. C

    RIEN : SANS : CAVSSAa) :

  4. D

    PATIENCE · VINCE · TOVT

  5. E

    Wolffgang Graff / Von Hohenloe , (et)c(etera) vnd / Herr zu Lanngenburg (etcetera) / Anno (et)c(etera)b)

  6. F

    Magdalena Grauin von / Hohenloe (et)c(etera) vnd Fraw zu Langen=/burg (et)c(etera) Geborne Grauin zu / Nassaw Catzenelnbogenc) (et)c(etera)b)

Übersetzung:

Nichts ohne Grund (C). – Geduld besiegt alles (D).

Wappen:
Hohenlohe-Langenburg; Hohenlohe-Langenburg;
Hohenlohe-Langenburg/Nassau-Dillenburg6.

Kommentar

Der Wortlaut der nicht dokumentierten Inschriften auf der Platte der Stirnseite war, da zugehörig zum Wappen Graf Wolfgangs, vermutlich identisch mit dem der Inschriften (C) und (E). Das eigenartige Emblem des Grafen findet sich – ohne den Sinnspruch – in monumentaler Ausführung auch im Bildrelief des großen Kamins im Weikersheimer Schloß7, ferner auf zwei Medaillen des Grafen Wolfgang von 1586 und 16098. Neuerdings ist eine überzeugende Deutung der meisten der zentralen Bildelemente des Rundbogenreliefs als Symbole der (Herrscher-)Tugenden gelungen9: Glaube (Buch), Hoffnung (Anker), Liebe (Herz), Stärke (Säule), Gerechtigkeit (Schwert), Weisheit (Schlange). Die Wortdevise (B) relativiert die Rolle dieser persönlichen Tugenden, deren Beherrschung und Koordination dem Menschen (d. h. hier dem guten Regenten) – wie in dem Bild zu sehen – offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten bereitet, gegenüber der – nach protestantischem Verständnis – für das Schicksal (GLVCK) des Einzelnen allein ausschlaggebenden Gnade Gottes.

Nach dem Tod von Graf Ludwig Kasimir von Hohenlohe, dem Erbauer des Saalbaus des Hermersberger Schlosses, war es von seinen Söhnen vor allem Wolfgang, der sich um die Instandhaltung des allen drei Brüdern gemeinsam gehörenden baufälligen Jagdschlosses kümmerte10. Der Um- und Ausbau des Rittersaals und seine Ausschmückung mit reichen Stukkaturen (vgl. nr. 631) erstreckte sich bis in Wolfgangs Todesjahr 1610. Gehörte der Ofen schon ursprünglich zur Ausstattung des Saales, könnte die Jahreszahl 1599 den Beginn der Umbaumaßnahmen bezeichnen.

Textkritischer Apparat

  1. Causse OAB Künzelsau.
  2. Vierte Zeile in kleinerem Schriftgrad, vgl. Anm. 5.
  3. Lesung auf dem Weikersheimer Exemplar sehr unsicher.

Anmerkungen

  1. Freundl. Mitteilung von Herrn Prof. Dr. h.c. Reinhold Würth, Künzelsau.
  2. Beschreibung nach Foto (Abb. in Taddey, Hermersberg 143). Die Details sind auf dem Foto nicht zu erkennen.
  3. Die Fotoaufnahme in Taddey, Hermersberg 143 (Abb. 57) zeigt nur die linke Platte. Die rechte ist auf einem Foto ebd. 74 (Abb. 26) nur schemenhaft zu sehen. Was darauf zu erkennen ist, stimmt mit den Ädikulakonturen der linken Platte überein, Einzelheiten sind freilich nicht auszumachen.
  4. An der westlichen Stirnwand in die Rückwand des großen Kamins eingelassen. Fotos in der Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Den Hinweis auf die Herkunft aus Schloß Langenburg (1947) verdanke ich dem Schloßverwalter Herrn Hans-Jürgen Schwarz, Weikersheim. Vgl. jetzt auch Kniep, „Gott gibt Glück“ 64 Anm. 70. Die Identifizierung der vielfach nur undeutlich im Guß erkennbaren Bildelemente ist nur möglich im Vergleich mit anderen Darstellungen derselben Bilddevise; vgl. dazu ebd. 61–68.
  5. Letzte Zeile 1,1 cm.
  6. Gespalten, vorn quadriert von Hohenlohe und Langenburg, hinten quadriert: 1. Nassau, 2. Katzenelnbogen, 3. Vianden, 4. Diez. Über dem rechten Wappen zwei, über dem linken drei Helme.
  7. Vgl. Max H. von Freeden, Der große Kamin in Weikersheim. Ein Werk Michael Junckers, in: Mainfränkisches Jb. 2 (1950) 139–145.
  8. Kniep, „Gott gibt Glück“ 61–68 (m. Abb. 10–13).
  9. Ebd. 64–68, mit weiterführenden theologischen Ausdeutungsversuchen.
  10. Vgl. ausführlich Taddey, Hermersberg 67–74.

Nachweise

  1. OAB Künzelsau 744 (nur A–D).
  2. Grünenwald, Jagdsaal 4 (nur A–D).
  3. FS zur 600-Jahr-Feier Niedernhall 73f. (nach Grünenwald).
  4. Kdm. Künzelsau 148 (nur A–D).
  5. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 144 (nach Kdm.).
  6. Karin Mochnatzki, Schloß Hermersberg im Hohenlohischen, in: Schönes Schwaben 1988 Nr. 12, 18–23, hier: 22 (nur B–D).
  7. Taddey, Hermersberg 143 (Abb.).
  8. Kniep, „Gott gibt Glück“ 61, 63 Abb. 12 (nur B, nach dem Weikersheimer Exemplar).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 520† (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0052004.