Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 443 Öhringen, Stadtmauer (Am Brennhäusle) 1589

Beschreibung

Steintafel mit Gedenkinschrift an ein Hochwasser. In die parallel zur Ohrn verlaufende südliche Stadtmauer westlich der Ohrnbrücke, gegenüber dem Haus Am Brennhäusle 5 (Rückseite der zum Anwesen Ledergasse 15 gehörenden Scheuer) über Augenhöhe eingemauert. Querrechteckige Tafel aus rotem Sandstein. Innerhalb eines breiten, einfach profilierten Rahmens die eingehauene achtzeilige Versinschrift (A); am Ende der zweiten Zeile Steinmetzsignatur (B), bestehend aus zwei Initialen und dem dazwischen eingehauenen Stz. nr. 24. Alle Zeilen mit Hilfslinien vorgeritzt. Witterungsschäden im Bereich der letzten drei Zeilen. In den Quader unmittelbar links neben der Inschrifttafel ist ein waagerecht gelegter Schlüssel als Symbol der Stadt Öhringen eingerillt.

Maße: H. 60, B. 120, Bu. 3,6 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    EIN · M · D · L · XXX · VND · NEVN1)DEN · EILFTEN · IVLII · FIEL · EINa)DIS · STAT · MAVR · VOM · GEWESSER · GROSALS · MIT · EINANDER · AVFFb) · EIN · STOSHVNDERT · SIBENZIG · FVNFFb) · SCHVG · LANGWARD · WIDER · AVFF · GERICHT · OHN(N) · ZWANGDEN · ACHZEHENDTEN · SEPTEMBRISDIS · OPGESCHRIBENE · IARS · DAS · IST · GEWIS

  2. B

    · S(ervatius) //c) K(örber)d)

Versmaß: Deutsche Reimverse (A).

Datum: 28. September 1589 n. St.

Kommentar

Um die Zeilen gleichmäßig auszufüllen, hat der Steinmetz die Breite der Buchstaben variiert. Besonders auffällige Einzelformen sind M mit weit ausgestellten schrägen Schäften und sehr kurzem Mittelteil, R mit markant geschwungener, steiler Cauda und zweistöckiges Z. E hat drei unterschiedlich lange Balken. Das obere Bogenende des G greift meist deutlich nach rechts über die senkrechte Cauda aus. In dem Wort HVNDERT ist der Balken des H nach oben ausgebuchtet, und zweimal ist am Zeilenende der Schrägschaft des N weit nach rechts über den Schaft hinaus verlängert und in einer s-förmigen Kurve nach oben umgebogen. Das S ist zumeist leicht nach rechts gekippt. Als Worttrenner dienen Dreiecke auf halber Zeilenhöhe. Die Steinmetzsignatur bezeichnet sicherlich den aus Bonn stammenden Baumeister Servatius Körber, der den Wiederaufbau der Stadtmauer leitete und vermutlich die vorliegende Inschrift eigenhändig ausgeführt hat2.

Das verheerende Ohrnhochwasser, das als Folge eines ungewöhnlich kräftigen Gewitters, das am 10. Juli 1589 niedergegangen war, am folgenden Tag Öhringen heimsuchte, führte zu einer Überflutung der gesamten Altstadt südlich der Ohrn und der Ledergasse nördlich des Flüßchens. Die Ohrnbrücke wurde in Mitleidenschaft gezogen, und die Stadtmauer stürzte – wie in der Inschrift berichtet wird und wie anhand der Mauerstruktur auch heute noch erkennbar ist3 – auf einer Länge von 45 m ein. Über die Hochwasserschäden informiert detailliert ein unmittelbar nach der Katastrophe im Druck erschienener Bericht von David Meder4. Im Zuge des rasch in Angriff genommenen Wiederaufbaus der Stadtmauer wurden weitere Gedenkinschriften angebracht (nrr. 454, 460).

Textkritischer Apparat

  1. Danach ein senkrechter Strich, der die folgende Steinmetzsignatur (B) von der Versinschrift abtrennt.
  2. Das zweite F deutlich verkleinert auf der Grundlinie.
  3. Zwischen den Initialen das Steinmetzzeichen.
  4. Die beiden Initialen wurden zusammen mit dem Steinmetzzeichen von Wibel falsch gedeutet, als STYK gelesen und als Teil der Versinschrift aufgefaßt.

Anmerkungen

  1. Zu lesen wahrscheinlich als: „ein M, D, L, Dreißig und Neun“ oder „ein M, D, L, drei X und Neun“.
  2. Zu Körber vgl. Knoblauch I/1, 196; ders. II/1, 147, 265.
  3. Vgl. Knoblauch I/1, 196, der darauf hinweist, daß auf einer Länge von etwa 45 m die sonst durchweg zu beobachtenden staufischen Buckelquader fehlen.
  4. David Meder, Warhafftige beschreibung eines (!) grausamen erschröcklichen Grossen Wasserflut. So Freitag den 11. Julij diß 1589. Jars, der Stadt Oringen, in der Graffschafft Hohenloe eingefallen, dadurch grossen schaden vnnd gefahr der armen Leuten zugefüget worden, dagegen was für Wunder Gottes dadurch beschehen sein, alles kürtzlich verfertigt, Nürnberg 1589, bes. Bl. B2v–B3r. Im Stadtarchiv Öhringen befindet sich ferner ein von Bartholomäus Käppeler in Augsburg gedrucktes Flugblatt, das die Katastrophe in einem Holzschnitt festhält und in einem längeren Text zusammenfaßt. Den Hinweis auf dieses Flugblatt verdanke ich Herrn Eberhard Tröger, Stadtarchiv Öhringen.

Nachweise

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 768f.
  2. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) IX. Bü 271 (Öhringen) = Knoblauch, Beschreibung Slevogt 174.
  3. Öhringer Heimatbuch 117 (nach Wibel).
  4. Knoblauch I/1, 196.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 443 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0044302.