Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 437 Öhringen, Friedhofskapelle St. Anna 1588

Beschreibung

Epitaph des Hauprecht Siginger. Innen an der Nordwand des Chors. Große hölzerne und bemalte Ädikula. Im Dreieckgiebel Gemälde der Hl. Dreifaltigkeit; im Gebälk Bibelspruch (A), weiß auf schwarzem Grund; in der von Pilastern und von ausgeschweiften Seitenteilen gerahmten Hauptzone ein großes Gemälde: Kreuzigungsgruppe mit Maria Magdalena vor Berglandschaft, rechts oben in Wolken Gottvater, im Hintergrund rechts die Grablegung und links die Auferstehung Christi; im Vordergrund knien der Verstorbene und seine Frau in Anbetung des Gekreuzigten, zwischen beiden zwei Vollwappen in aneinandergeschobenen ovalen Kartuschen, hinter Siginger der Tod als Knochenmann mit Pfeil und Bogen und Stundenglas; oben am Kreuz Titulus (B). Im Sockel Bibelspruch (C); zweigeteilter Unterhang, bestehend aus einer querrechteckigen Tafel mit zwei nebeneinander in je zwei Spalten angeordneten Versinschriften (D) und (E) sowie aus einem wie die Seitenteile geformten, ausgesägten unteren Abschluß. In beiden Inschriften ist jeweils jeder zweite Vers eingerückt. Inschriften (C), (D) und (E) schwarz mit roter Auszeichnung auf weißem Grund. Rahmenarchitektur mit Masken und Engelsköpfen ausgeschmückt. Inschrift (D) teilweise fehlerhaft restauriert.

Siehe Lageplan.

Maße: H. ca. 300, B. ca. 200, Bu. ca. 3,0 (A), ca. 0,8 (B), 2,5 bzw. 2,0 (C)1, 0,8 cm (D, E).

Schriftart(en): Fraktur und Kapitalis (A, C), Kapitalis (B, D), Fraktur (E).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/12]

  1. A

    Christvsz Jst Mein Lebenn Vnd sterben Jst Mein gewin2) · PHILIP : I ·a)

  2. B

    I · N · R · I ·

  3. C

    · IOB · XIX ·b) / Jchc) weisz Dasz mein Erlöszer Lebet Vnnd Er Wirtt Micha) / Hernach Avsz Der Erden Av̈fferwecken Vnnd Werdea) / Darnach Mit Diser Meiner Hav̈t Vmgeben Werdenna) / Vnnd werde Jnn meinem fleiszch Gott szcheenn Vnnda) / Meine Avgen Werden Jnn szchawen Vnnd kein frembder3)

  4. D

    DEPOSVITd) TVMVLO HOC EXANGVE CADAVER HVPERTVSd)QVI SIGINGER[AE]d) GLORIA STIRPIS ERATCOELITVSd) ABSQ(VE)e) VLLA VERVM MENS LABE CREATACVM SVPERIS SENTIT GAVDIA MAGNA POLIPATREd) SIGISMVNDO FVERAT SATVS : ILLE FIDELISLONGVM OERINGIACA PRAESVLINf) VRBE FVITHVNCd) VBI FATA TVLE[R]Eg) NIMIS MATVRA PER ANNOSVIGINTI HOC FVNCTVS MVNERE NATVS OBIITEISENHVETENAEd) GENITRIX HVNC STIRPIS IN ORBEMEDIDIT AETHEREO NVNC SOCIATA CHOROVRSVLAd) CHARA THORI CONSORS MOX LVSTRA IVGALISQVINQ(VE)e) FVIT SANCTAM ET PRAESTITIT VNA FIDEMQVAEd) NON VVLGARI SORTITA AB ORIGINE NOMENEISENMENGERA SED SATA STIRPE VIGET · // HOSd) INTER QVAE PACIS OPES : CONCORDIA QVANTAQVISVE · THORI FVERIT NON SIMVLATVS AMORVITAd) SATIS DOCVIT · CONSTANS HOC FAMA LOQ[V]ETVRh) :HINC QVOQ(VE)e) CONIVGIBVS NON LEVIS ORTVS HONOSAMBOd) QVAM FVERINT VERIETi) PIETATIS AMANTESMENS DOCET IN LAVDES OFFICIOSA DEIPRAEMIAd) TESTANTVR VERBI PRAECONIBVS AMPLAQVAE DATA DIVINI QVIDATVSk) HISETl) HONOSAERISd) INOPS ATQ(VE)e) AEGER OPEM SENSERE SVBINDEILLORVM LARGAM MVNIFICAMQ(VE)e) MANVMACd) DVM LVSTRA BIS OCTO ATQ(VE)e) ANNOS IN SVPERm) OCTOCHRISTICOLAE NVMERANT FATA SVPREMA TVLITQVAMQ(VE)d)e) SVO VXOREM TVNC LIQVIT FVNERE MOESTAMHAC CVM SIDEREO LIMINE LAETVS AGET ·

  5. E

    Seind) todten Leichnam Hatt HieherGelegt herr Hav̈prechtn) Sigingern)Died) rein Erszchaffne seel bei GottDer frev̈den pflegt ohn alle nothSeind) vattern Sigmv̈ndtn) Sigingernn)Alsz ein keller man hie thet ehrnDemd) er Jm Ampt Hatt szvccedirtAv̈ch Zwaintzig Jahr mit trewen gfv̈rtEind) Eisenhv̈etinn) sein mv̈tern)pflegt Av̈ch der frev̈dt Beim himmelszher ·Jhmd) Vrsvlan) vermehlet wharzv̈m weib vor vier vnndt zwaintzig JahrDied) von dem Alten Gszchlechte sehrDer Eisenmengern) khv̈mmen her //Jnnd) wasz friedt vnndt Eintrchtigkeito)Sie beide zv̈egebracht Jhr ZeittJstd) vnverborgen Jedermann ·Dasz Jhn dann nit Gring Lob GewahnWied) Lieb Gotszn) wortn) Auch Jhnen wahrJhr Vleisz Vnndt Eifer zev̈get clarDaszd) zev̈gt die vielbewiesne Lehrp)Gegen der kirch trewe DienerDerd) Armn) vnndt Kranckhn) mit Milter HandtBeÿ Jhn sein hv̈lff Vndt Zvflv̈cht fandtVnndtd) Alsz man Achtzig Vnndt Acht ZehltGantz christlich schied Av̈sz dieser WeltSeind) Havszfraw verliesz er Jm Leidtwv̈rdtsz doch Jm Himmel sehn Mit frev̈dt

Übersetzung:

In dieses Grab legte seinen leblosen Leichnam Hauprecht, welcher der Ruhm der Familie Siginger war. Seine Seele aber, die vom Himmel ohne jeden Makel geschaffen worden war, genießt zusammen mit den Himmelsbewohnern die großen Freuden des Himmels. Er war von seinem Vater Sigmund gezeugt worden. Jener war über lange Zeit ein pflichtbewußter Amtmann in der Stadt Öhringen. Wo diesen das allzu frühe Schicksal ereilt hatte, starb (auch) sein Sohn, nachdem er dieses Amt zwanzig Jahre lang ausgeübt hatte. Die Mutter aus der Familie Eisenhut setzte ihn in die Welt, jetzt ist sie mit der Himmelsschar vereint. Ursula war fast fünf Lustren (25 Jahre) lang seine teure Gefährtin des ehelichen Bettes und hielt ihm als die Eine (Alleinige) das heilige Treueversprechen, sie, die ihren Namen von durchaus nicht alltäglicher Herkunft erhalten hat, die vielmehr, aus der Familie Eisenmenger entsprossen, in hohem Ansehen steht. Welche Kraft der Friedfertigkeit, welch große Eintracht oder welche nicht vorgetäuschte eheliche Liebe zwischen ihnen herrschte, lehrte ihr Leben zur Genüge. Ihr beständiger Ruf wird dies verkünden. Auch ist den Eheleuten daraus nicht unbedeutende Ehre entstanden. Wie sehr die beiden Wahrheit und Frömmigkeit geliebt haben, lehrt ihr diensteifrig auf Gottes Lob gerichteter Sinn, beweisen die reichen Geschenke, die den Verkündern des göttlichen Wortes gegeben wurden, und auch die Ehrbezeugung, die diesen entgegengebracht wurde. Der Mittellose und Kranke erfuhr wiederholt die bereitwillig gewährte Hilfe und die freigebige Hand jener. Und als die Christgläubigen zweimal acht Lustren und dazu acht Jahre (88 Jahre) zählten, erreichte er sein Lebensende. Mit der, die er alsdann durch seinen Tod als traurige Gemahlin zurückgelassen hat, wird er einst zusammen fröhlich in der Himmelswohnung leben.

Versmaß: Elegische Distichen (D), deutsche Reimverse (E).

Wappen:
Siginger4, Eisenmenger5.

Kommentar

Die Kapitalis mit ihren starken Kontrasten zwischen Haar- und Schattenstrichen ist ganz offensichtlich durch wiederholte Restaurierung zumindest teilweise verfälscht. Die nach links herausgerückten Anfangsbuchstaben der Doppelverse sind sämtlich deutlich vergrößert und rot ausgezeichnet. Der Balken des H ist gelegentlich nach unten ausgebuchtet. Die Frakturinschriften scheinen weniger überarbeitet worden zu sein. Die Initialen sind zum Teil reich mit begleitenden, sich mehrfach überschneidenen Haarlinien und vegetabilen Motiven verziert, und auch die i-Punkte und die häufig als diakritisches Zeichen über das v gesetzten Doppelpunkte sind aufwendig mit Zierranken ausgeschmückt. Viele Formen der Gemeinen sind noch ganz der Textura entlehnt und zeigen keinerlei Ausrundungen. Eigentümlich ist die sz-Schreibung auch innerhalb des sch-Lauts. Die beiden langen Versinschriften (D) und (E) in lateinischer bzw. deutscher Sprache entsprechen sich inhaltlich weitgehend, die lateinischen Distichen sind allerdings etwas ausführlicher.

Das Epitaph für den Vater des Verstorbenen, Sigmund Siginger († 1571), befindet sich ebenfalls in der Öhringer Friedhofskapelle (nr. 347). Da Hauprecht seinem Vater nach dessen Tod als Keller zu Öhringen im Amt gefolgt ist, kann die inschriftlich angeführte Amtsdauer von zwanzig Jahren nicht stimmen, sie hat höchstens 17 Jahre betragen. Seine Frau Ursula entstammt der Haller, im 16. Jahrhundert aber unter anderem auch in Wimpfen und Ingelfingen ansässigen Familie Eisenmenger. Das vorliegende Grabmal ist das älteste erhaltene Holzepitaph der Öhringer Friedhofskapelle.

Textkritischer Apparat

  1. Danach ein Blüten- und Rankenornament als Zeilenfüller.
  2. Bibelstellenangabe in der Zeile zentriert und links und rechts von einem Blüten- und Rankenornament gerahmt, die gesamte Zeile rot ausgezeichnet.
  3. Die Anfangsbuchstaben sämtlicher Wörter der Inschrift rot ausgezeichnet.
  4. Anfangsbuchstabe rot ausgezeichnet.
  5. Ohne Kürzungszeichen.
  6. So statt PRAESVL IN.
  7. Jetziger verfälschter Befund: TVLEFE.
  8. Jetziger verfälschter Befund: LOQXETVR.
  9. So statt VERI ET.
  10. So statt QVI DATVS.
  11. So statt HIS ET.
  12. So statt INSVPER.
  13. Das gesamte Wort rot ausgezeichnet.
  14. Sic!
  15. So vermutlich verrestauriert statt Eehr; vgl. die entsprechende Passage in Inschrift (D).

Anmerkungen

  1. Die in Kapitalis übergeschriebene Bibelstellenangabe in kleinerem Schriftgrad.
  2. Phl 1,21.
  3. Hi 19,25–27.
  4. Linksgewendet. Zwei gekreuzte gestümmelte braune Äste in Weiß; Helmzier zerstört.
  5. Dreimal weiß-blau-gelb-rot gespalten; Helmzier: wachsender bärtiger Mann, bekleidet mit einem Wams in den Schildfarben (jetzt teilweise verfälscht), in der Rechten einen Stab, in der Linken eine Kugel haltend.

Nachweise

  1. Birkenstock 87–90 Nr. 76.
  2. Erdmann, Diareihe St. Anna-Kapelle 15 (nur A, E).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 437 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0043704.