Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 433 Neunstetten (Stadt Krautheim), ev. Pfarrkirche 1588

Beschreibung

Epitaph für Hans Gottfried von Berlichingen und seine zwei Frauen Anna Zollner von Halburg und Amalia von Grumbach. Innen an der Nordwand. Monumentale Ädikula aus Sandstein1. Zweigeschossige Giebelzone, darin oben ein von Pilastern und Sims gerahmtes Relief des Jüngsten Gerichts; unten, unter einem weit vorkragenden, von zwei freistehenden Säulen getragenen Sims, zwei Bildreliefs: links Auferstehung Christi, rechts Tod des armen Lazarus und des reichen Mannes nach Lc 16, 23–26; zu beiden Seiten rollwerkgerahmte Rundmedaillons mit je einem Vollwappen. Im oberen Geschoß der Giebelzone stehen zwei, im unteren vier Statuetten, die Personifikationen der Tugenden darstellen2. Der Fries des Gebälks ist belegt mit zwei Ahnenproben für Hans Gottfried und für Amalia von Grumbach zu je acht Vollwappen, die jeweils von innen nach außen zu lesen sind. Das Gebälk wird von zwei freistehenden Säulen getragen, die die Hauptzone rahmen, eine Konsole mit einem nackten Putto bildet die Mittelstütze. Die Rückwand der Hauptzone ist mit Roll- und Beschlagwerkornament gemustert. Davor sind auf dem kastenartig weit vorragenden Sockel vollplastische Figuren aufgestellt: nach links aus der Mittelachse verschoben der Kruzifixus (oben Titulus A), links davor, auf einem Löwen kniend, der Verstorbene im Harnisch sowie ein Sohn im Säuglingsalter; rechts kniend die zwei Ehefrauen: vorn Amalia von Grumbach mit zwei Töchtern, hinten Anna Zollner von Halburg mit einer kleinen Tochter. Zu Anna gehört das große Vollwappen an der Rückwand und die Achtahnenprobe, die, ausgehend von diesem Vollwappen, über den Frauenfiguren zunächst von innen nach außen angeordnet ist und sich dann, von der rechten Säule verdeckt, nach unten fortsetzt. An der Vorderseite des Sockels drei roll- und beschlagwerkgerahmte Schrifttafeln, die mittlere zusätzlich mit Fruchtgirlanden und zwei Putti geschmückt. In der mittleren Tafel die Sterbeinschrift Hans Gottfrieds (B), in der linken Bibelsprüche (C). Die rechte Tafel blieb leer für den – später unterbliebenen – Nachtrag des Sterbevermerks der Amalia von Grumbach. An der linken Schmalseite des Sockels eine weitere Schrifttafel, die nur in den rechten zwei Dritteln mit einem Bibelspruch beschriftet ist (D), vermutlich weil der linke Teil ursprünglich (durch ein weiteres Epitaph?) verdeckt war. Geringfügige Stoßschäden; das vorletzte Wappen der unteren Ahnenprobe fehlt.

Maße: H. ca. 520, B. 332, Bu. 3,3 (A), 2,0 (B), 1,7 (C), 1,5–2,1 cm (D).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, D), Kapitalis und schrägliegende Kapitalis (C).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    INRI

  2. B

    IM IHAR NACH CHRISTI VNSERS SELIGMACHERS GEBVRT / 1588 DEN ERSTEN TAG IVNIJ STARB ZV LANGEN / SCHWALBACH3) IM SAVRBRONE(N) DER EDL VND ERNVEST / HANS GOTFRIED VON BERLICHEIGE(N) ZV NEVNSTETENa) / SELIGLICH IN GOT · DER WÖLLE IM VND VNS GNEDIG / SEIN VND BARMHERTZIG AMEN

  3. C

    IOHANNISb) AM 3 · CAPITL // ALSO HAT GOT DIE WELT GELIEBET DAS ER SEINEN / AINGEBORNEN SOHN GAB AVF DAS ALLE DIE AN IN / GLAVBEN NICHT VERLOHRN WERDEN SONDERN DAS / EWIG LEBEN HABEN4) · S PAVLVS ROMc) 4 / CHRISTVS IST VM VNSER SVND WILLEN DAHIN / GEGEBEN VND VMB VNSER GERECHTIGKEŸT WILE(N) / AVFFERWECKT5)· I · TŸMOH 2 · / ES IST EIN GOT VND EIN MITLER ZWISHEN GOT VND / DEN MENSHE(N)d) NAMLICH DER MENSCH IHESVS CHRISTVSe) / DER SICH SELBS GEGEBE(N)d) HAT FVR ALLE ZV ERLÖSVNG6)

  4. D

    ISAIAS AM 53 CAP(ITEL) / FVR WAR ER TRVG VNSER KRAN=/CKHEIT VND LVD AVF SICH / VNSER(N) SCHMERTZE(N) WIR ABER / HIELTE(N) IN FVR DEN DER GEPLAGET / VND VON GOT GESCHLAGE(N) VND GEMARTERTf) / WERE ABER ER IST VMB VNSFRg) MISSE=/THAT WILE(N) VERWVNDET VND VMB VNSER / SNDEg) WILLE(N) ZVSGHLAGE(N)g) DIE STRAF LIGT / AVF IM DAS WIR FRIED HETEN VND DVRCH / SEINE WVNDE(N) SINDT WIR GEHEILET7)

Wappen:
Berlichingen, Grumbach;
Ahnenproben im Gebälk, jeweils von innen nach außen:
BerlichingenGrumbach
Geyer von GiebelstadtGrumbach
Gailing8Mortena9
Spessart10 Hutten11
ThüngenFuchs
Marschall von OstheimWolfstein12
Lauffenholz13 Heddinga14
Forstmeister von Lebenhan15 Waldenfels16
Zollner von Halburg;
Zollner von Halburg
Grumbach
Schrimpf von Berg17
Hutten11
Lichtenstein?18
Wolfstein19
[von der Kere]20
Waldenfels21

Kommentar

Die Kapitalis wirkt mit ihren ungleichmäßigen Wortabständen, in Inschrift (D) zudem durch unregelmäßige Zeilenhöhe, im Duktus sehr unruhig. Charakteristische Merkmale sind die Häufung von Nexus litterarum, die Überbetonung der Senkrechten, ungleichmäßiger Wechsel von Links- und Rechtsschrägenverstärkung sowie die meist trapezförmig-stumpf abgeschnittenen Spitzen von A, M, N, V und W. Der rechte Schrägschaft des A steht häufig senkrecht. Eindeutig von derselben Hand stammen unter anderem die Neunstettener Grabplatte für Anna Zollner von Halburg (nr. 384), zwei Epitaphien von 1586 in Altkrautheim (nrr. 424, 426) und ein – nur mehr fragmentarisch erhaltenes – Epitaph von 1582 in Krautheim (nr. 407)22.

Hans Gottfried, Sohn des Hans Jakob von Berlichingen und der Eva Geyer von Giebelstadt, war in erster Ehe mit der 1579 (?) verstorbenen Anna Zollner von Halburg verheiratet, deren Grabplatte in der Neunstettener Kirche erhalten ist. Eine Sterbeinschrift für sie war auf dem vorliegenden Epitaph nicht vorgesehen, da man ihr bereits ein eigenes, hölzernes Epitaph gewidmet hatte (nr. 383 †). Dagegen galt die rechte Schrifttafel im Sockel sicherlich dem Nachtrag des Sterbevermerks für die zweite Frau, Amalia von Grumbach aus der Linie zu Estenfelden, die Inschrift kam aber nach deren Tod 1612 nicht zur Ausführung. Ihre Grabplatte ist ebenfalls noch vorhanden (nr. 650). Eine Grabplatte Hans Gottfrieds findet sich nicht in der Neunstettener Pfarrkirche, da er in Langenschwalbach, wo er vermutlich während eines Kuraufenthalts verstorben ist, beigesetzt wurde. Auch dort erhielt er ein aufwendiges Epitaph23.

Textkritischer Apparat

  1. Die beiden letzten Buchstaben stehen auf dem Rahmen der Schriftkartusche; das zweite E ist verkleinert unter die Balken der beiden T gestellt.
  2. Die erste Zeile mit der Bibelstellenangabe steht auf dem oberen Rahmen der Schriftkartusche.
  3. S PAVLVS ROM in schrägliegender Kapitalis.
  4. Suspensionskürzung durch zwei kurze Schrägstriche auf halber Zeilenhöhe.
  5. Die beiden letzten Buchstaben stehen auf dem Rahmen der Schriftkartusche.
  6. E im Nexus mit T verkleinert; das letzte T steht teilweise auf dem Rahmen.
  7. Sic!

Anmerkungen

  1. Nach Kdm. Tauberbischofsheim 120 seien „Wappen, Reliefs Cartouchen u. s. w.“ aus Stuck, was aber wohl allenfalls für Ergänzungen abgebrochener Teile gilt.
  2. Eine siebte, verlorene Tugendpersonifikation bildete vielleicht ursprünglich die Bekrönung des Grabmals.
  3. Bad Schwalbach (Rheingau-Taunus-Kreis). Badbetrieb seit 1569; vgl. Handbuch der historischen Stätten Deutschlands IV: Hessen, hg. v. Georg Wilhelm Sante, Stuttgart 31976, 30.
  4. Jh 3,16.
  5. Rö 4,25.
  6. 1 Ti 2,5–6.
  7. Jes 53,4–5.
  8. Geteilt; Helmzier: zwei geteilte Büffelhörner; vgl. Schöler, Familienwappen 48, Taf. 1.
  9. Gespalten und halbgeteilt, 1. rechtshalber Adler am Spalt, 2. Lilie, 3. gestielte Eichel; Helmzier: über Helmkrone ein wachsender Doppeladler (?). Westfriesisches Geschlecht.
  10. Senkrecht gestellter Fischkopf; Helmzier: Schildfigur.
  11. Hier: drei Schräglinksbalken.
  12. Die zwei schreitenden Löwen hier gekrönt; zwei Helme: 1. über Helmkrone ein Löwenrumpf zwischen Flug, 2. über Helmkrone ein Wolfsrumpf mit Lamm im Rachen; vgl. Alberti 1084. Nach der Stammtafel der Herren von Grumbach zu Rimpar in Biedermann, Steigerwald, tab. CCXIX müßte hier das Wappen der Eva von Schwaigern stehen. Möglicherweise hat Biedermann versehentlich eine Generation übersprungen.
  13. Geteilt, unten geschacht; Helmzier: bärtiger Mannsrumpf mit Mütze; vgl. Schöler, Familienwappen 68, Taf. 13.
  14. Richtige Bestimmung des Wappens durch Vierengel, Ergänzungen 87 nr. 308 (nach Mitteilung von Helmut Hartmann). Gestürzter Pfeil, begleitet vorn von einer linkshalben Lilie, hinten von einer kleinen Lilie; Helmzier: Lilie über Helmkrone. Nach Biedermann, Steigerwald, tab. CCXVI B das Wappen der Gutta „von Höttingen“.
  15. Zwei gekreuzte Speere, oben und beiderseits bewinkelt von drei Rosen; Helmzier: bärtiger Mannsrumpf mit einer mit drei Federn besteckten Mütze; vgl. Siebmacher Si1, 105.
  16. Steigendes Einhorn; Helmzier: über Helmkrone ein hockendes Einhorn; vgl. Schöler, Familienwappen 111, Taf. 107.
  17. Der Balken hier in drei statt in zwei Reihen geschacht; Helmzier: zwei mit dem Schildbild bezeichnete Büffelhörner.
  18. Fehlerhafte Darstellung: gestürzter Stufengiebel über Stufengiebel; Helmzier: zwei Büffelhörner. Nach Vierengel, Ergänzungen 87 angeblich das Wappen der Voit von Salzburg, diese führten aber ein anderes Wappen; vgl. Schöler, Familienwappen 110, Taf. 7. Das korrekte Wappen der von Lichtenstein ist im Zahnschnitt geviert, die Teilungslinien wurden im vorliegenden Fall demnach um 45 Grad gedreht; die Büffelhörner der Helmzier sind üblicherweise außen mit Federn besteckt; vgl. Siebmacher Si1, 100; Schöler, Familienwappen 70, Taf. 26. Das Wappen bezeichnet Felicitas von Lichtenstein, die Frau Andreas Zollners von Halburg; vgl. Biedermann, Steigerwald, tab. CCLXXI A.
  19. Wie Anm. 12, die beiden Helmzierden hier aber vertauscht. Auch hier müßte nach Biedermann das Wappen der Eva von Schwaigern erscheinen.
  20. Rekonstruktion nach der Stammtafel der Zollner von Halburg in Biedermann, Steigerwald, tab. CCLXXI A: Wappen der Sibylla von der Kere, Frau Albrecht Schrimpfs von Berg.
  21. Vgl. Anm. 16; Helmzier hier verstümmelt, vielleicht auch ein Einhornrumpf?
  22. Vgl. Einl. 69.
  23. Vgl. DI 43 (Rheingau-Taunus-Kreis) nr. 504.

Nachweise

  1. Schönhuth, Crautheim sammt Umgebungen 79 (nur B).
  2. Berlichingen-Rossach, Götz 647 Anm. 5 (nur B, ungenau).
  3. Hagmaier, Chronik Neunstetten 152f.
  4. DI 8 (Mosbach, Buchen, Miltenberg) nr. 308.
  5. Leistikow, Inschriften von Krautheim 501f. (nur erwähnt).
  6. Vierengel, Ergänzungen 87 (nur erwähnt).
  7. Rauser, Krautheimer Heimatbuch 278.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 433 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0043306.