Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 430 Kirchensall (Stadt Neuenstein), ev. Gemeindehaus 1587

Beschreibung

Epitaph des Pfarrers Balthasar Müßiggang. Innen an der Stirnwand des tonnengewölbten Kellers eingemauert; ursprünglich „in der Kyrchenmauer“1. Kleine hochrechteckige Sandsteintafel. Umlaufend zwischen Ritzlinien eingehauener Sterbevermerk (A); im eingetieften Feld oben eine Schrifttafel mit lateinischem Grabgedicht (B), darunter ein von zwei Blumen flankierter Wappenschild, unten eine weitere Schrifttafel mit deutschsprachigem Grabgedicht (C). Bei beiden Versinschriften ist jeweils jeder zweite Vers um Buchstabenbreite eingerückt. Verwittert; Ränder ausgebrochen; gesamte Fußleiste abgeschnitten.

Ergänzung von (A) nach Wibel.

Maße: H. (Rest) 114, B. 80, Bu. 2,4–2,9 (A), 1,6 (B), 1,8 cm (C)2.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    ANNO · D(OMI)NI · 1 · 5 · 8[7] · DEN · 29 · APR/ILIS · IST IN CHRISTO SELIGLICHa) ENTSCHLAFFENb) DER E[HR/WV̈RDIGE VND WOLGELEHRTE HERR BALTHA/SAR] MVSIGGANG VBER DIE · 15 IAHR PFARHER ALHIE ZV KIRCHENSAL

  2. B

    OTIA COGNOMEN CVI SED LAVDATA DEDERVNT GRATA SVB HOC TVMVLO BALTHASAR OTIA AGIT OTIA NON V(V)LGI SED HONESTA NEGOTIA TRACTANSc)HIC DOCVIT VERBVM PER TRIA LV[S]TRA DEI nonad) cIto aprilis noX et vicena resolvitcorpVs at aetherea Mens Viget arce : / poli

  3. C

    HIE GEGEN V̈BER DISEM STEINHERR BALTHES MVSSIGGANGS GEBEI(N)e)PFARHERS ALLHIE ZVE KIRCHENSALLRVEHEN VON ALLER SORG VND QVALNICHT MVSIGGANG IHM IE WAR LIEBSONDER(N) GOTS WORT ER VLEISIG TRIEBWELCHS ER IN DISER KIRCH HAT GLERTBISf) SEIN SEL SICH ZVE GOT GEKEHRT

Übersetzung:

Balthasar, dem Müßiggang (allerdings lobenswerter!) den Zunamen gab, geht unter diesem Grabstein dem erwünschten Müßiggang nach. Indem er nicht den Müßiggang des gemeinen Volkes trieb, sondern eine ehrenhafte Beschäftigung, hat er hier drei Lustren (15 Jahre) lang das Wort Gottes gelehrt. Die 29. Nacht des April hat den Leib rasch aufgelöst, die Seele aber lebt in voller Kraft in der ätherischen Himmelsburg.

Versmaß: Elegische Distichen, das letzte als Chronodistichon (B), deutsche Reimverse (C).

Datum: 9. Mai 1587 n. St.

Wappen:
Müßiggang3.

Kommentar

Trotz der sichtbaren Bemühungen des Steinmetzen um eine regelmäßige Ausführung der Schrift, die sich beispielsweise in der zumeist kreisrunden Form der Bögen ausdrückt, ist der Gesamtduktus unruhig. Dazu tragen ungleichmäßige Buchstaben- und Wortabstände ebenso bei wie die schwankende Ausrichtung der Schäfte. Als Fremdkörper wirkt das Z mit schräggestellten und markant geschwungenen Balken und kurzem linksschrägen Mittelbalken. M hat weit ausgestellte schräge Schäfte und einen sehr kurzen Mittelteil, T ist auffällig breit. Bemerkenswert ist das Fehlen der Sporen an den Bogenenden des C. Von der Hand desselben Steinmetzen stammt nach Ausweis der identischen Schriftformen die zwei Jahre später entstandene monumentale Bauinschrift der Gräfin Agatha von Hohenlohe in der Pfedelbacher Kirche (nr. 441).

Balthasar Müßiggang ist um 1543 in Stuttgart geboren4. Er studierte in Tübingen (imm. 1562) und war dann ab 1566 Diakonus in Enslingen (Untermünkheim, Lkr. Schwäbisch Hall), bevor er 1570 auf die Pfarrei Kirchensall wechselte, die er bis zu seinem Tod versah. In erster Ehe (1570) war er mit Martha Stadtmann aus Hall, in zweiter Ehe (1584) mit Margarethe Burckhardt aus Criesbach verheiratet. Sowohl die lateinische als auch die deutschsprachige Versinschrift spielen mit dem Namen des Verstorbenen, der für einen Pfarrer offenbar als besonders unpassend empfunden wurde. Die Inschriften des Epitaphs wurden von Müßiggangs Amtsnachfolger Magister Abraham Hartmann verfaßt5.

Textkritischer Apparat

  1. Selig Wibel.
  2. Die letzten drei Buchstaben fast völlig zerstört, Lesung aber eindeutig.
  3. NS aus Platzmangel auf dem Rahmen; das S über das N gesetzt.
  4. Die letzten beiden Verse bilden ein Chronostichon auf das Jahr 1587, wie bereits Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie IV, 204 bemerkt hat. Die Buchstaben mit Zahlwert sind allerdings nur ganz gelegentlich durch größeren Schriftgrad hervorgehoben.
  5. Nach dem I ein überflüssiger Schrägschaft. Wahrscheinlich war zunächst beabsichtigt, ein N einzuhauen, was dann aber aus Platzmangel unterblieb.
  6. Über dem Wort ein überflüssiger Kürzungsstrich.

Anmerkungen

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 438.
  2. Letzte Zeile in kleinerem Schriftgrad: 1,5 cm.
  3. Marke nr. M6: Schaft mit hinterer Kopfabstrebe, Mittelkreuzsprosse und Sturzsparrenfuß, wobei der Sturzsparren durch eine Sprosse zum Dreieck geschlossen ist.
  4. Alle Angaben zur Person nach Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 311 Nr. 1821.
  5. Vgl. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie IV, 204. Zu Hartmann vgl. Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 148f. Nr. 870.

Nachweise

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 438 (nur A, B).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 430 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0043005.