Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 420 Pfedelbach, ev. Pfarrkirche 1585

Beschreibung

Epitaph des Pfarrers Lorenz Keller. Innen an der Westwand des Langhauses, auf der Empore. Hölzerne Ädikula, bemalt. Als Bekrönung des Aufsatzes ein von Roll- und Beschlagwerk gerahmtes Rundmedaillon mit geschnitztem Engelskopf; unter weit vorkragendem Sims eine von zwei Wappen flankierte, querrechteckige Tafel mit in schwarzer und roter Farbe aufgemaltem Grabgedicht (A). In der Hauptzone zwischen mit Löwenmasken belegten Pilastern Gemälde mit Darstellung der Vision des Ezechiel im Tal der Knochen, oben in einem Schriftband die zugehörige Bibelstelle (B); in den Wolken der hebräische Gottesname (C), von dem aus Strahlen auf den in der Mitte des Gemäldes stehenden Propheten gerichtet sind. Im Vordergrund knien der Pfarrer, seine beiden Frauen und zwei Söhne im Gebet. Die beiden kleinen Söhne tragen Beischriften in Schriftbändern über ihren Köpfen (D, E), der hintere ist ebenso wie der Vater und die erste Ehefrau durch einen beigefügten Totenschädel als verstorben gekennzeichnet. Auf dem Boden vor den beiden Frauen die Namenbeischriften (F) und (G). Im Sockel ein weiteres, zweispaltig angeordnetes Grabgedicht (H); auf den seitlichen Pilasterpodesten geschnitzte Engelsköpfchen.

Maße: H. 220, B. 138, Bu. ca. 1,3 (A), ca. 0,4 (B), 1,7 (C), 0,5 (D), 0,4 (E, F), 0,6 (G), 1,2 cm (H).

Schriftart(en): Kapitalis und griechische Schrift (A), Kapitalis und schrägliegende Humanistische Minuskel (B), Fraktur und Kapitalis (D, E), Fraktur (F, G, H), hebräische Schrift (C).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/9]

  1. A

    AEDE SVB HAC DORMIT LAVRENS CELLARIVSa) . ANNOSb)VIGINTI HVNC DOCVIT QVI SACRA RITE GREGEM .PATRE SATVS LAVRENTEc) SALIS QVA COGITVR ARTE ,MIRA HALAc) IN MICAS INFERIORE LIQVOR .DECESSIT PRIMA HVIC CONIVNX SINEPROLE : SECVNDA , PROLE SED HVNC GEMINA REDDIDIT ANNAc) PATREM ,ATQ(VE) AETATIS VBI IVSTOS EXPLEVERAT ANNOS ,ET GRAVIBVS MORBIS CORPVS INERME FORET ,CVM SEDECIM CHRISTIc) SECLIS TRIA LVSTRA DEESSENTLAMPERTIQ(VE)c) DIEM SEPTIMVS IMBERd) HABET , DEBITA NATVRAE PERSOLVIT MVNIA : CHRISTIc)VNIVS ET FISVS VENIT AD ASTRA , λύτρω .FAMA VIGET TERRIS : CORPVS , DE MORE , QVIETENVNC FRVITVR : PARS EST AETHERE NOBILIORIN TERRIS ADEO NIL NON MORTALE TENEMVS ,NI PIETATE SIBI FAMA PER[EN]NIS EATe)

  2. B

    OSSA ARIDA AVDITE VERBVM DOMINI HAEC DICIT DOMINVS DEVS OSSIBVS / HIS , ECCE EGO INTROMITTAM IN VOS SPIRITVM , ET VIVETIS1) , Ezech : Cap : 37

  3. C

    יְהדׇה

  4. D

    Joha(nn) . Georg : AE(tatis)f) S(uae)f) 9

  5. E

    Lorentz . AE(tatis)f) S(uae)f) 6

  6. F

    Margareta

  7. G

    Anna Meerwarttin .

  8. H

    Alhier herr Lorentz Keller ligt ,der Zweintzig Jar hie gepredigt ,Desz Vatter Höeloisch wahr ,e)Zu Nidernhall , Schultheisz viel Jahr ,Sein erst weib ohn leibs frucht verlohr ,die ander Jhm Zween Söhn gebahr ,Vnd als ein Zimlich alter er ,erreicht , auch stättigs Krenckett sehr , //Jm iar , Achtzig funff , vnd da gleich ,im September Lamprechts tag weichDer Natur gmeine Schuldt betzahlt ,vff Christs verdienst gehn himel wallttDes lob stetts bleibt : der Leib Jetzt ruhet ,im himel dseel , freudt pflegen thuet ,So gar nichts bestendigs Jst vff Erdtwasz durch gotts forrcht nit ewig wert

Übersetzung:

Unter diesem Gotteshaus schläft Lorenz Keller, der diese Herde auf rechte Weise zwanzig Jahre lang in religiösen Dingen unterrichtet hat. Sein Vater war Lorenz, durch dessen wunderbare Kunst zu Niedernhall das Salzwasser zu Körnern verdichtet wird. Seine erste Ehefrau ist von ihm gegangen ohne Kinder. Die zweite aber, Anna, machte ihn mit zwei Kindern zum Vater. Und sobald er die gerechten Jahre des Alters erfüllt hatte und der Leib durch schwere Krankheiten wehrlos wurde, hat er der Natur den geschuldeten Tribut gezollt, als zu den 16 Jahrhunderten (seit) Christi (Geburt) drei Lustren (15 Jahre) fehlten und als im September der Lamprechtstag war. Und im Vertrauen auf die Sühne Christi allein gelangte er zu den Sternen. Sein Ruhm bleibt bestehen auf der Erde. Sein Leib erfreut sich nun, wie dies üblich ist, der Ruhe, der edlere Teil (die Seele) ist im Himmel. Und so behalten wir auf der Erde nichts, was unsterblich ist, wofern einem nicht durch Gottesfurcht ewiger Ruhm zuteil wird. (A) – Ihr trockenen Gebeine, hört das Wort des Herrn. Dies sagt Gott der Herr zu diesen Gebeinen: Seht, ich werde euch Geist einhauchen, und ihr werdet leben. (B) – (…) seines Alters (…). (D, E)

Versmaß: Elegische Distichen (A), deutsche Reimverse (H).

Datum: 17. September 1585 = 27. September 1585 n. St.

Wappen:
Keller2, Merwart3.

Kommentar

Die Kapitalis zeigt einen ausgeprägten Kontrast von feinen Haar- und fetten Schattenstrichen. Die Schattenachse ist teils linksschräg, teils senkrecht (N). Die Betonung der Linksschrägen wird im Gesamtbild noch verstärkt durch die lange, leicht geschwungene und weit unter die Grundlinie geführte Cauda des R. Die Fraktur weist keine Besonderheiten auf, ihre Versalien sind nur mäßig verziert und gelegentlich etwas sperrig (K, L). Die Schriftmerkmale vor allem der Kapitalis stimmen völlig überein mit denen auf einem 1589 von dem Haller Maler Jakob Hoffmann geschaffenen und signierten Epitaph in Waldenburg (nr. 444), so daß auch das vorliegende Epitaph diesem Künstler zugeschrieben werden kann.

Die deutschen Reimverse der Inschrift (H) bilden die inhaltliche Entsprechung zu dem lateinischen Grabgedicht (A), das durch gekünstelte Wortwahl (so etwa septimus imber für september)4, durch klassische Junkturen und durch das Einfügen eines griechischen Worts Gelehrsamkeit demonstrieren will. Zu den Eltern von Lorenz Keller vgl. nr. 238. Keller heiratete 1566 Margarethe, Tochter des Stadtschreibers zu Neuenstadt am Kocher, Michael Helmling5. 1580 ging er die zweite Ehe mit Anna († 1611), Tochter des Schultheißen zu Ohrntal und Untersteinbach Wendel Merwart6, ein. Nach Studium in Tübingen (imm. 1560, bacc. 1562, mag. 1564) war Keller 1565 zunächst Provisor und dann nach Einrichtung der Pfarrei 1567 erster Pfarrer in Pfedelbach7. Zugleich bekleidete er die Position des Hofpredigers. Ab 1577 war er Superintendent.

Textkritischer Apparat

  1. Beide Namen und der folgende Punkt rot ausgezeichnet.
  2. Das S aus Platzmangel am Zeilenende in das O eingestellt.
  3. Der Name rot ausgezeichnet.
  4. SEPTIMVS IMBER rot ausgezeichnet.
  5. Dahinter eine Zierranke.
  6. Suspensionskürzung durch Doppelpunkt.

Anmerkungen

  1. Ez 37,5.
  2. Linksgewendet. Gespalten, vorn in Gold ein steigender schwarzer Bär, hinten in Grün (?) eine schrägrechte goldene Spitze.
  3. In Blau über blauen Wellen eine golden gekrönte naturfarbene doppelschwänzige Meerjungfrau mit goldenen Haaren und einem goldenen Medaillon an einer Halskette, mit beiden Händen je einen Schwanz ergreifend.
  4. Vermutlich nach Hrabanus Maurus, De computo, lib. I, cap. 32: „September unde vocatur? A numero, eo quod sit septimus imber a martio“; ed. Wesley M. Stevens (Corpus Christianorum, Continuatio mediaevalis 44), Turnholti 1979. Vgl. auch Isid., Etym. V, 33, 11 (ed. W. M. Lindsay, Oxford 1911): „September nomen habet a numero et imbre, quia septimus est a Martio et imbres habet“.
  5. Vgl. wie auch zum folgenden Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 216 Nr. 1264; ferner Pfedelbach 1987, 98.
  6. Vgl. nr. 415.
  7. Pfedelbach war bis 1567 Filial des Stifts Öhringen; vgl. Pfarrerbuch Württ. Franken 1, 85.

Nachweise

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 557 (nur H).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 420 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0042009.