Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 412(†) Öhringen, Friedhofskapelle St. Anna vor 1584, 1584?

Beschreibung

Rest der Grabplatte des Sixt Lutz. Im Chor im Boden, dritte Reihe von Westen, fünfte Platte von Norden. Roter Sandstein. Erhalten ist nur mehr etwas mehr als die untere Hälfte. Im oberen Drittel befand sich in einem eingetieften rechteckigen Feld ein Wappenschild, darin zwei verschlungene Initialen (A); der Schild war im Halbkreis von einer Inschrift (B) umgeben, deren Wortlaut nicht überliefert ist1. Unter dem Wappenfeld auf dem erhaltenen Teil der Platte der Sterbevermerk (C), darunter Grabgedicht (D); ganz unten ein querrechteckiges eingetieftes Feld, darin ein Apothekermörser mit Stößel in Flachrelief, umgeben von einem sechszeilig eingehauenen Bibelspruch (E). Großflächige, mit Zementmörtel ausgebesserte Ausbrüche an den Rändern; linke untere Ecke komplett ergänzt (Schriftverlust).

Ergänzung von (A) und Beschreibung des verlorenen oberen Teils nach Birkenstock.

Siehe Lageplan.

Maße: L. (Rest) 109,5, B. 89,5, Bu. 3,7 (C), 3,4 (D), 2,3–2,9 cm (E).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A†

    S(ixt) L(ucz)

  2. B†

    [– – –]

  3. C

    ANNOa) 15〈84 SONTAG DEN 2[3]b) / TAG FEBRVARI〉 IST DER ERBAR / VND VIRNEM SIX LVCZ / BVRGER VND EINER DES RATS / ZV OERINGEWc) IST IN DEM / HERENN ENTS[CH]LAFFEN VN[D] / WART AVF EIN [F]ROELICHEc) / AVFERRSTHVNGd) AMENN

  4. D

    HIE LIG ICH VND MVES VER WESENN /
    EIN ARMER SINDER BIN ICH GEWESEN /
    DOCH HOF ICH DORT EIN EWIGES LEBE[N] /
    WELCHES MIR CHRISTVS MEIN HER WI[RD]/ GEBENN

  5. E

    IN TE DOMINE // SPERAVI / [NO]Ne) CONFVND//AR IN / [AETERNV]Mf) // IN IVSTICIA TVA / [LIBERA M]Eg) // INCLINA AD ME / [AVREM TVAM]h) // ACCELERA VT / [ERVAS ME]i)2) // PSAL(MI) DA(VIDIS) 30

Übersetzung:

In dich, Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt, ich werde in Ewigkeit nicht zugrundegehen. Befreie mich in deiner Gerechtigkeit, wende mir dein Ohr zu, eile herbei, daß du mich findest. (E)

Versmaß: Deutsche Reimverse (D).

Datum: 12. Februar oder 4. März 1584 n. St.

Wappen:
Sixt Lutz3.

Kommentar

Die Schriftausführung der Kapitalis ist recht nachlässig. Auffällig sind große, teilweise auch falsch plazierte Wortzwischenräume. Charakteristische Merkmale sind der aus einem pseudounzialen A abgeleitete und markant durch geschwungene und an den freien Enden eingerollte Balken ausgeschmückte Versal am Beginn der Inschrift (C), D mit nach links über den Schaft hinausgeführtem oberen Bogenende, G mit rechtwinklig nach links abgeknickter Cauda und M mit weit ausgestellten schrägen Schäften und nur bis zur Zeilenmitte herabreichendem Mittelteil. Von der Hand desselben Steinmetzen sind im Bearbeitungsgebiet etliche weitere Grabmäler erhalten4. Da das späteste datierte Werk dieses Steinmetzen 1577 geschaffen wurde (nr. 372), könnte die vorliegende Grabplatte geraume Zeit vor dem Tod des Sixt Lutz in Auftrag gegeben worden sein. Das Sterbedatum ist in einer sorgfältigeren Kapitalis nachgetragen, bei der vor allem das kreisrunde G mit weit nach links eingerückter senkrechter Cauda und das D mit ebenfalls kreisrundem Bogen deutlich anders gestaltet sind als im übrigen Text. Der Nachtrag ist außerdem daran zu erkennen, daß die letzten Buchstaben des Monatsnamens aus Platzmangel in die vorgesehene Lücke gezwängt werden mußten. Die Schrift des Nachtrags zeigt Merkmale, die für den Öhringer Steinmetzen und Bildhauer Philipp Kolb typisch sind. Er dürfte bis zu seiner Ausbildung in der Heilbronner Werkstatt Jakob Müllers, die er 1592 begann, in einer einheimischen Öhringer Werkstatt gelernt haben5. In dieser Zeit könnte ihm die Ausführung der vorliegenden Inschrift aufgetragen worden sein. Da Kolb erst um 1575 geboren ist6, wurde das Sterbedatum von ihm möglicherweise noch nicht 1584, sondern erst einige Jahre später nachgetragen.

Die Darstellung des Mörsers auf der Grabplatte deutet darauf hin, daß der Verstorbene Apotheker gewesen sein dürfte. Die vermutlich gleichzeitig mit dem vorliegenden Grabmal hergestellte Grabplatte für Lutz’ Frau Ursula geb. Schwartz († 1592) ist ebenfalls erhalten (nr. 413).

Textkritischer Apparat

  1. A-Versal deutlich vergrößert und durch besondere Verzierung hervorgehoben.
  2. 23 Birkenstock. Nach der 2 ist nur mehr in Höhe der oberen Zeilengrenze der Rest einer Kerbe zu erkennen, der zwar durchaus als linkes Ende des Deckbalkens einer 3 gedeutet werden kann, allerdings sind in dem – nicht beschädigten – Raum darunter keinerlei Reste eines Bogens zu entdecken. Die Lesungen 2 und 23 sind beide gleichermaßen möglich, da beide Termine im Jahr 1584 (nach altem Kalender) auf einen Sonntag fallen.
  3. Das erste E klein in das O eingestellt.
  4. Sic!
  5. Alle Ergänzungen im Folgenden nach dem Text der Vulgata. Die Lesungen von Birkenstock sind auch für die noch erhaltenen und somit überprüfbaren Passagen so fehlerhaft, daß sie hier nicht berücksichtigt und lediglich im Apparat vermerkt werden.
  6. AETERMVM Birkenstock.
  7. LIVERARVM Birkenstock; vom letzten Buchstaben ist aber noch eindeutig ein Balken auf der Grundlinie zu erkennen, der sicherlich zu einem E zu ergänzen ist.
  8. AVREMT . . . . Birkenstock.
  9. . . R VAS ME Birkenstock.

Anmerkungen

  1. Vgl. Birkenstock 22 Nr. 22: Inschrift, „die aber nicht mehr entziffert werden kann“.
  2. Ps(G) 30,2–3.
  3. Der Beschreibung von Birkenstock zufolge handelte es sich um kein Wappen im eigentlichen Sinn, sondern lediglich um die monogrammatisch verbundenen und in einen Schild gesetzten Nameninitialen des Verstorbenen.
  4. Vgl. Einl. 66f.
  5. So vermutet Maisch, Aus dem Werk früherer Heimatforscher (KrAHK, Manuskriptenslg. 10.1110) 87.
  6. Ebd.

Nachweise

  1. Birkenstock 22 Nr. 22.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 412(†) (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0041207.