Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 403 Neuenstein, Schloß, Hohenlohe-Museum (1581)

Beschreibung

Willkomm-Pokal in Gestalt eines Hirschs, sog. „Hermersberger Willkomm“. 1581 ins Jagdschloß Hermersberg (Stadt Niedernhall) gebracht und dort eingeweiht1; zunächst in der Stube des Grafen Wolfgang II. von Hohenlohe im alten Bau untergebracht, bis Graf Georg Friedrich einen eigenen Schrank in der Nebenkammer anfertigen ließ, in der der Willkomm im Inventar von 1600 bezeugt ist2. Nachdem der Behälter von den Schweden 1634 zerstört worden war, wurde der Pokal in einer Vitrine im Vorgemach zusammen mit den zugehörigen Gästebüchern aufbewahrt. 1805 ins Amtshaus nach Weißbach, von dort zeitweise ins Künzelsauer Schloß verbracht, 1840 wieder in Hermersberg; ab 1855 im Silbergewölbe des Öhringer Schlosses, seit 1878 schließlich im Museum in Schloß Neuenstein3 (Inv.-Nr. Si 30). Silber vergoldet, getrieben und gegossen. Trinkgefäß in Form eines schreitenden Hirschs mit zwölfendigem (gegossenem) Geweih, der Kopf ist abnehmbar; am breiten Halsband ein Rundmedaillon, darin ursprünglich ein Wappen, das 1840 durch ein Relief der Muttergottes im Strahlenkranz ersetzt wurde4. Die Figur steht auf einem länglichen sechseckigen Sockel, auf dessen gewölbter Oberseite getriebene Pflanzen und Kleintiere, aber auch ein winziger Hund dargestellt sind; auf die beiden vorderen Seiten der steilen Wandung sind je vier Verse einer Inschrift eingraviert, jeweils seitlich von Rankenornament eingefaßt; auf den vier übrigen Seiten symmetrisches Renaissanceornament. Am Fuß Augsburger Beschau (1576–83) und Meistermarke des Georg Hölltaler5. 1840 umfassend restauriert.

Maße: H. 47, L. 32, B. 18, Bu. 0,25 cm.

Schriftart(en): Fraktur.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Kraft Fürst zu Hohenlohe, Neuenstein [1/2]

  1. Gott Grüess Euch Alle Freundtlich Sehr , /Vom Wold Khom Jch , Bring Newe mehr6) , /Der Mich Woldt Treÿben , Von dem Plan , /Hatt Mir Hernach Die Ehr anthon , //Auss Silber , Gold , Mich machet fein , /Das Jch solt Ain guet Wilkum sein , /Dem Herren Diser Wildfuhr7) Zur Zier , /Wilt Mich dann Nit Aus drincken Schier

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Wappen:
[Stadt Niedernhall]8.

Kommentar

Die Fraktur ist breit proportioniert und mit kräftigen Schattenstrichen graviert. Die Versalien sind nur sparsam verziert. Über die Entstehungsgeschichte und die Herstellung des Willkomms sind wir recht gut durch zeitgenössische Quellen unterrichtet9. Die Bürger von Niedernhall hatten zu einem großen Teil ihrer Stadtwaldungen nur Zugang durch die Hermersberger Wildfuhr, das Wald- und Jagdgebiet der Grafen von Hohenlohe. Daraus resultierten immer wieder kleinere Konflikte, etwa wenn das Wild durch den Viehtrieb gestört wurde (vgl. den Text der Inschrift Mich woldt Treyben Von dem Plan). So verprügelten Niedernhaller Bürger 1573 den Hermersberger Forstmeister, und 1578 schlugen sie unberechtigt und ohne vorherige Benachrichtigung des Forstmeisters Holz. Die Vergehen wurden 1578 verhandelt, und die Niedernhaller wurden mit einer Buße belegt. Graf Wolfgang erließ die Strafe und gestand den Bürgern zudem zusätzliche Weideflächen innerhalb der Wildfuhr zu, forderte aber – gleichsam als Disziplinierungssymbol – die Stiftung eines Wilkomm-Bechers für 80 fl in die Wildfuhr. Dieses Trinkgefäß bestellte Graf Wolfgang unter Beifügung eines Grobentwurfs und des Inschriftentexts im Frühjahr 1580 bei dem Nürnberger Goldschmied Wolf Mair, der aber wegen Arbeitsüberlastung ablehnte. Schließlich führte der Augsburger Silberschmied Georg Hölltaler († 1593) den Auftrag aus. Der Hirschpokal wurde vermutlich am 8. August 1581 im Jagdschloß Hermersberg eingeweiht. Von diesem Tag datiert jedenfalls der erste Eintrag in dem pergamentenen Gästebuch, in das sich die Gäste nach dem Austrinken des Willkomms mit Namen und Devisen einzutragen hatten. Ein aufgrund seiner eingeritzten, völlig gleichartigen Nameneinträge mit Sicherheit ebenfalls aus dem Hermersberger Schloß stammender, heute im Neuensteiner Schloß aufbewahrter Glashumpen (nr. 394) diente freilich ganz offensichtlich demselben Zweck wie das Willkommbuch. Die Einträge auf diesem Humpen setzen bereits 1580 ein. Es scheint so, als ob dieses Glas zunächst sowohl als provisorisches Trinkgefäß als auch als Träger für die eigenhändigen Gästeeinträge diente, solange der Hirschpokal noch nicht geliefert war. Letztere Funktion behielt er dann bis 1587 neben dem neu angelegten Willkommbuch bei. Erst nachdem er vollständig beschriftet war, benutzte man ausschließlich das Willkommbuch für die Verewigungen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde ein zweites Buch angelegt10. Gelegentlich finden sich in den Bänden auch gereimte Einträge. Das vorgeschriebene Zeremoniell ist im ersten der beiden Bücher festgehalten. 1840 wurde anläßlich der Restaurierung des Gefäßes ein drittes Willkommbuch angelegt.

Anmerkungen

  1. Die Einweihung des Trinkgefäßes fand vermutlich, wie der Ersteintrag in dem ersten Willkommbuch nahelegt, im August 1581 statt. Vgl. dazu den Kommentar sowie nr. 394.
  2. Vgl. Taddey, Hermersberg 50; Grünenwald, Jagdsaal 3.
  3. Alles nach Taddey, Hermersberg 50; die Angaben in Kdm. Künzelsau 150 sind zum Teil ungenau.
  4. Taddey, Hermersberg 46.
  5. Vgl. Kdm. Künzelsau 150. Die Marken sind am jetzigen Standort nicht sichtbar.
  6. So für Mär.
  7. Wildfuhr(e): eingehegtes oder fest umgrenztes Jagdrevier; vgl. Grimm, Dt. WB XIV/II, Sp. 82–84.
  8. Dies geht aus dem Text des Willkommbuchs hervor, vgl. Taddey, Hermersberg 46. Alle früheren Autoren gehen davon aus, daß es sich um das Wappen der Grafen von Hohenlohe handelte.
  9. Vgl. ausführlich Schumm, Hermersberger Hirsch, passim; Grünenberg, Der goldene Hirsch 2f.; zuletzt Taddey, Hermersberg 31f., 43–46.
  10. Zu den bislang unedierten Willkommbüchern vgl. Taddey, Hermersberg 47–50.

Nachweise

  1. Albert Walzer, Quelle, Mond und Hirsch, in: Schwaben. Monatshefte für Volkstum und Kultur 13 (1941) 194–203, hier: 194 (nur erwähnt, Abb.).
  2. Der Hirsch von Hermersberg, in: WFr NF 26/27 (1951/52) 312–314 (m. Abb.).
  3. Schumm, Hermersberger Hirsch 174, Abb. 74.
  4. Schumm, Geschichte von Hermersberg 1.
  5. FS 600-Jahr-Feier Niedernhall 70.
  6. Grünenwald, Der goldene Hirsch 2f.
  7. Kdm. Künzelsau 150f. (m. Abb.).
  8. Rauser, Niedernhaller Heimatbuch 146 (nach Kdm.), 141 (Abb.).
  9. Renaissance im dt. Südwesten 2, 630f. Nrr. L27, L28 (m. Abb.).
  10. Taddey, Kostbarkeiten, o. S.zählung (m. Abb. auf d. Buchdeckel).
  11. Taddey, Hermersberg 45f. (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 403 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0040308.