Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 396 Öhringen, Gelbes Schlößle (Bismarckstr. 13) 1580, um 1580

Beschreibung

Rundbogenportal und Wappentafel.

I. Rundbogenportal mit Wappen und Jahreszahl. Ursprünglich Nebeneingang an der Westseite; bei der Renovierung des Gebäudes 1972 an den rechteckigen dreigeschossigen Vorbau der Ostseite versetzt; jetzt Eingang des Weingeschäfts Mürdter. Rundbogengewände aus rotem Sandstein, bestehend aus zwei Pfosten und drei Bogensteinen. Innenkante mit gestuftem Wulst-Kehle-Profil. Auf der Stirnseite des Scheitelsteins zwei den Bogen überragende reliefierte Wappenschilde, flankiert von den eingehauenen Ziffern der Jahreszahl (A). Leichte Beschädigungen an den Kanten.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/6]

Maße: H. 251, B. 199, T. 23, Bogenstärke 25, Zi. 5,0–7,1 cm.

  1. A

    · 15 // 80 ·

 
Wappen:
Senft1, Vohenstein.

II. Wappentafel. Außen an der Ostseite über dem Haupteingang. Die nur etwa fingerdicke, querrechteckige Platte aus rotem Sandstein ist mit vier Dübeln an den Schwellbalken des ersten Obergeschosses befestigt2. In eingetieftem Feld drei Vollwappen nebeneinander; auf dem oberen, breiteren Rahmen links eine zweizeilige Inschrift (B); oben im Feld über den Wappen Inschrift (C), die sich unter dem mittleren Wappen fortsetzt. Alle Inschriften eingehauen und – nicht immer sachgemäß – mit schwarzer Farbe nachgezogen; die Wappen in jüngerer Zeit in falschen Tinkturen bunt bemalt.

Maße: H. 59, B. 90, Bu. 1,3 (Minuskel), 2,2 cm (Versalschrift).

Schriftart(en): Humanistische Minuskel (B), Humanistische Minuskel und Humanistische Versalschrift (C).

  1. B

    Marcia) · 13 · V(ersus) 33 · Videteb) , Vigilate , Oratec)3) / ad Titum · 2 · V(ersus) · 13 · Temperanterd) , Juste , pie4) ·

  2. C

    JEHOUAH autore ; PJETATE duce ; comite VJRTVTE ; / FORTVNA pedissequae)

Übersetzung:

Schaut, seid wachsam, betet - mit rechtem Maß, gerecht und fromm! (B) – Wo Gott etwas beginnt, da wird, wenn die Frömmigkeit die Führung übernimmt und die Tugend sich dazugesellt, das Glück auf dem Fuß folgen. (C)

 
Wappen:
Zinn5, unbekannt6, unbekannt7.

Kommentar

Die Jahreszahl (A) weist als Besonderheit oben und unten spitz ausgezogene Bögen bei 0 und 8 auf. Die Zahl wird eingefaßt von zwei in Kontur ausgehauenen und mit je einem Punkt gefüllten Quadrangeln, die nach rechts und links jeweils in lange, an den Enden eingerollte Zierlinien ausgezogen sind. Bei den beiden Eheallianzwappen an dem Portal könnte es sich um die des württembergischen Obervogts zu Neuenstadt Michael Senft von Sulburg und seiner zweiten (namentlich nicht bekannten) Gemahlin aus dem schwäbischen Niederadelsgeschlecht von Vohenstein handeln. Da Senft freilich bereits 1574 gestorben ist8, dürften die Wappen hier entweder seine Witwe oder eines seiner Kinder aus zweiter Ehe bezeichnen.

Für die Inschriften der vermutlich ebenfalls um 1580 entstandenen Wappentafel wurde als Schrift eine leicht nach rechts geneigte Humanistische Minuskel gewählt, deren Oberschäfte stark nach rechts gekrümmt und am Ende bisweilen sogar leicht eingerollt sind. Der schräge Balken des e ist, wenn der Buchstabe am Wortende steht, mit einem Zierhaken bis weit in den Oberlängenbereich hinein verlängert. Der Bogen des p ist offen, und der Schaft bildet am unteren Ende eine Schleife. Die Schrift weist somit einige Elemente der Humanistischen Kursive auf. Auch die Versalien haben ihre Ausformung im Bereich der Kursivschrift erhalten und sind daher ebenfalls zumeist leicht nach rechts geneigt. Die Balken sind häufig geschwungen, Schäfte, Schrägschäfte und Bögen mitunter durchgebogen und unter die Grundlinie oder über die obere Begrenzungslinie der Zeile verlängert. E ist doppelbogig. Der offene Bogen des P greift weit nach links über den Schaft hinaus.

Das heraldisch rechte Wappen ist das des späteren Öhringer Stadtpfarrers (ab 1584), Stiftspredigers und Superintendenten Kaspar Zinn († 1599), der ab 1565 in Öhringen als Archidiakon wirkte9. Er dürfte für das inschriftliche Programm verantwortlich sein. Wen die beiden übrigen Wappen bezeichnen, ließ sich nicht ermitteln. Es handelt sich jedenfalls nicht um Eheallianzwappen10.

Das Haus setzt sich aus zwei dreigeschossigen Teilen mit Fachwerkobergeschossen und je drei Giebelgeschossen zusammen11. Das größere nördliche Hauptgebäude ist an seiner Südostecke mit einem runden Treppenturm versehen. Über den oder die Bauherren (Michael Senft?) und über die ursprüngliche Funktion des gegenüber der ehemaligen Schafgasse etwas zurückversetzten Gebäudes liegen zwar keine archivalischen Quellen vor. Doch ist die vorliegende Wappentafel möglicherweise dahingehend zu deuten, daß das Gebäude zunächst unter anderem als Wohnung des Öhringer Archidiakons gedient haben könnte12. Der heutige Name „Gelbes Schlößle“ rührt von dem gelben Verputz her, mit dem das Gebäude im 19. Jahrhundert versehen war, als es als Sitz der fürstlichen Kammer genutzt wurde13.

Textkritischer Apparat

  1. Der Mittelteil des M nach links über den Schaft hinaus verlängert und zueiner doppelten Kontraschleife ausgezogen.
  2. Zwischen diesem und den zwei folgenden Wörtern große Abstände.
  3. Der Balken des e in eine als Zeilenfüller fungierende fünffacheKontraschleife ausgezogen.
  4. Zwischen diesem und den zwei folgenden Wörtern große Abstände; Position jeweils unter den Wörtern in der ersten Zeile.
  5. An das untere Schaftende des a eine doppelte Kontraschleife angefügt. Anstelle der zwei noch sichtbaren eingehauenen langen s ist jetzt ein rundes s aufgemalt.

Anmerkungen

  1. Linksgewendet.
  2. Die Tafel befand sich vor der Freilegung des Fachwerks in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts bereits an der jetzigen Stelle (vgl. Foto in Öhringer Bürgerhäuser 2, 91), war danach aber zeitweilig rechts neben dem Eingang angebracht (vgl. Foto ebd. 92).
  3. Mc 13,33.
  4. Nach Tit 2,12: „sobrie et iuste et pie“.
  5. Rundturm mit doppeltem Zinnenkranz auf Dreiberg; Helmzier: zwei Büffelhörner; vgl. nr. 484.
  6. Schrägbalken; Hemzier: geschlossener Flug.
  7. Steigender Bock; Helmzier: über Helmkrone der Bock wachsend. Der Bügelhelm weist vermutlich auf den adeligen Stand des Wappenführers hin. Vielleicht Leutrum von Ertingen (vgl. Alberti 452f.) oder Meerstatt (ebd. 496).
  8. Vgl. sein Grabmal in Neuenstein: nr. 361.
  9. Vgl. nr. 484.
  10. Zu den beiden Ehefrauen Zinns vgl. ebd.
  11. Baubeschreibung in Knoblauch II/1, 248–251.
  12. Nach Öhringer Bürgerhäuser 2, 91 sei „das schloßähnliche Gebäude gleich neben dem waldenburgischen Bandhaus an der Stadtmauer … von der Landesherrschaft für Bedienstete errichtet“ worden. Der Bau befand sich 1715 im Besitz der Witwe des Grafen Ernst von Hohenlohe-Neuenstein; vgl. ebd.
  13. Vgl. Knoblauch II/1, 249.

Nachweise

  1. Öhringer Heimatbuch 363, Taf. 10 (Abb.).
  2. Der Lkr. Öhringen 2, 13 (nur erwähnt).
  3. Öhringen. Stadt u. Stift, Abb. 88.
  4. Knoblauch II/1, 248, 250f.; II/3, Abb. 77.
  5. Öhringer Bürgerhäuser 2, 91 (nur A).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 396 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0039607.