Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 365 Öhringen, Friedhofskapelle St. Anna 1575

Beschreibung

Epitaph des Stiftspredigers und Superintendenten Johann Hartmann. Innen an der nördlichen Westwand des Chors. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein. Umschrift (A) zwischen Linien; Feld quergeteilt: oben ein hochrechteckiges Bildrelief mit Darstellung eines durch Arkaden gegliederten Kirchenraums: in der Mitte ein predigender Pfarrer auf der Kanzel, rechts Kirchenbesucher in dreireihig angeordneten Bänken, links neben dem Pfarrer sein Wappen mit Beischrift (B) in darüber und darunter angebrachten Schriftbändern. Im unteren Drittel der Platte eine von Roll- und Beschlagwerk gerahmte und von Blattvoluten bekrönte Tafel mit Versinschrift (C). Für Inschrift (C) wurden zunächst höhere Zeilen vorgeritzt. Die Schriftgröße wurde dann aber nur für die erste Zeile eingehalten, während die folgenden Zeilen niedriger ausgeführt wurden und jeweils nur deren Anfangsbuchstabe die ursprünglich vorgesehene Höhe erhielt. Jeder zweite Vers ist um Buchstabenbreite eingerückt. Geringfügige Ausbrüche an den Kanten.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 169, B. 81, Bu. 3,0 (A), 2,0 bz. 1,8 (B), 2,2–2,5 (C, 1. Zeile), 1,4–1,9 cm (C, Zeilen 2ff.).

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    ANNO · 1 · 5 · 75 · DEN · 20 · TAG · DES · / HERBSTMONATS · STARB · DER · EERWIRDIG · HERR · IOHANN · HARTMANN · SVPERTEN/DENT · ZV · ORINGEN · DERRO · SEL / GOT · GNEDIG · [VND ·] BARMHERTZIG · SEIN · WELLE · AMENNa)

  2. B

    I(ohann) H(artmann) // SV(perintendent)b)

  3. C

    CVR ORINGIACI LVGENT ALTARIA TEMPLICHRISTICOLAE CVR SIC PLANCTIBVS ORA RIGANTAH ORINGIACAE PRAECLARVS ERISCOPVSc)VRBISHAC TVMVLATVS HVMO POST SVA FATA IACETQVI SVPERINTENDENTIS ONVS CVM LAVDE GEREBATPRIMVS ET E TEMPLIS EXPVLIT VSQVE PAPAMCHRISTICOLAE EXEQVIAS HARTMAN(N)O FERTE IOHANNIDICITEQVE VNANIMES MOLLITER OSSA CVBENTTRISTITIAEQVE TENETE MODVM QVIA FVLGET IN ASTRISCOELITIBVS TANTI MENS CAPIENDA VIRI /C(arolus) C(hristophorus) · B(eyer) F(ecit)d)

Übersetzung:

Warum trauern die Altäre der Öhringer Kirchen? Warum weinen die Christgläubigen derart in ihrer Trauer? Ach! Der hochberühmte Bischof der Öhringer Stadt ruht in dieser Erde bestattet, nachdem er sein Lebensende erreicht hat: er, der als erster die schwierige Aufgabe des Superintendenten lobenswert erfüllte und der allenthalben den Papst aus den Kirchen verjagte. Ihr Christgläubigen, bereitet dem Johann Hartmann ein Leichenbegängnis und sprecht einmütig: „Mögen seine Gebeine weich ruhen“! Aber mäßigt Eure Trauer, da der Geist des so großen Mannes, der von den Himmlischen empfangen werden muß, zwischen den Sternen erstrahlt. Karl Christoph Beyer hat (dies) gedichtet.

Versmaß: Elegische Distichen (C).

Datum: 20. September 1575.

Wappen:
Hartmann1.

Kommentar

Die Schriftvorbereitung ist wenig sorgfältig. Außer der während des Einhauens der Schrift vorgenommenen Korrektur der Zeilenhöhe in Inschrift (C) fällt unangenehm auf, daß die Zeilen zwar mit Lineal, aber nicht parallel gezogen sind, so daß ihre Höhe erheblich schwankt und die meisten Zeilen nach rechts abfallen. Worttrennung ist nur gelegentlich beachtet. Die Schrägschäfte sind keilförmig gestaltet, und in der Regel erhalten die Senkrechten die größte Strichstärke. Die schrägen Schäfte des M sind weit ausgestellt, der Mittelteil dazwischen nimmt nur knapp das obere Drittel der Zeile ein. O ist oval, gelegentlich auch spitzoval. Der meist auffällig große Bogen des R setzt in der Regel deutlich über der geschwungenen Cauda am Schaft an. Die mangelhafte Ausführung der Inschriften paßt nicht so recht zu dem anspruchsvoll in elegischen Distichen verfaßten Grabgedicht (C), als dessen Verfasser sich der Rektor des Öhringer Gymnasiums Karl Christoph Beyer zu erkennen gibt2.

Johann Hartmann stammt aus Füssen. Nach dem Eintritt in den Kartäuserorden studierte er zunächst in Freiburg (imm. 1528) und Ingolstadt (imm. 1531). Dann konvertierte er zum evangelischen Glauben, zog nach Memmingen und studierte 1537 in Straßburg3, bevor er 1539 Pfarrer in Woringen (Lkr. Unterallgäu), dann 1543 in Memmingen und 1547 in Kürnbach (Lkr. Karlsruhe) wurde, wo er 1549 wegen des Interims entlassen wurde. Danach amtierte er bis 1556 als Pfarrer in Güglingen (Lkr. Heilbronn), bis er – zunächst vom Herzog von Württemberg auf ein Jahr, dann 1557 ständig beurlaubt – als Stiftsprediger und Superintendent nach Öhringen wechselte, wo er durch die Kirchenvisitation von 1556 die Reformation in der Grafschaft Hohenlohe einführte und die evangelische Kirchenleitung begründete4. 1571 führte er eine weitere Generalvisitation durch5. Hartmanns jüngerer Bruder Gallus war ab 1556 Stadtpfarrer und Hofprediger in Neuenstein (vgl. nr. 423).

Textkritischer Apparat

  1. Danach etwa 30 cm freigelassen.
  2. Auflösung der Initialen S V angesichts der weiten Buchstabenabstände nicht völlig gesichert.
  3. So statt EPISCOPVS.
  4. Die Lesung B F ist eindeutig; BE(yerus) Maisch; Birkenstock.

Anmerkungen

  1. Auf einem Dreiberg ein runder Zinnenturm, daraus hervorwachsend ein bärtiger Mann mit gestulptem Spitzhut, in beiden erhobenen Händen je eine Kugel haltend.
  2. So bereits identifiziert von Maisch, Aus dem Werk früherer Heimatforscher (KrAHK) 5.Beyer ist 1527 in Speyer geboren, war von 1567 bis 1582 Rektor des Öhringer Gymnasiums und anschließend Rektor in Pforzheim; vgl. ebd.
  3. Alle biographischen Angaben nach Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 151 Nr. 878. Zur Person vgl. ferner ausführlich Maisch, Aus dem Werk früherer Heimatforscher (KrAHK) 6–8.
  4. Zur Generalvisitation von 1556 vgl. Franz, Kirchenleitung 16–27.
  5. Ebd. 63–70.

Nachweise

  1. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 386f.
  2. Maisch, Aus dem Werk früherer Heimatforscher (KrAHK) 4f.
  3. Ders., St. Anna-Kirche (m. Abb.).
  4. Birkenstock 43f. Nr. 42.
  5. Öhringen. Stadt u. Stift, Abb. 83.
  6. Franz, Vom Chorherrenstift 58 (Abb.).
  7. Erdmann, Diareihe St. Anna-Kapelle 12 (C nur in dt. Übersetzung).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 365 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0036503.