Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 357 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche) 1573, 1574, 1609

Beschreibung

Epitaph für den Grafen Eberhard von Hohenlohe und seine Frau Agatha geb. Gräfin von Tübingen. Innen an der Südwand des Chors. Monumentales, mehrgeschossiges Grabmal aus grauem Sandstein, Schrifttafeln aus schwarzem Schiefer. Als Giebelbekrönung Figur des Heilands mit der Siegesfahne; im Giebel zwei Vollwappen in Rundmedaillons, die von einem Putto gehalten und von zwei sitzenden Putti mit Posaunen flankiert werden; unter einem weit vorkragenden Sims schließt sich ein Fries an, der mit sechs Vollwappen belegt ist, die, jeweils von innen nach außen zu lesen, zusammen mit den beiden oberen Wappen zwei Vierahnenproben ergeben. Darunter ist ein Zwischengeschoß eingeschoben, dessen Mittelachse von einem Rundbogen eingenommen wird; auf der Stirnseite des Bogens acht Vollwappen, die die beiden Ahnenproben erweitern; in den Bogenzwickeln Löwenmasken, auf den aus Roll- und Beschlagwerk gebildeten Seitenteilen zwei Täfelchen mit eingehauenem Herstellungsjahr (A), davor die sitzenden Figuren der Caritas und Fides, jeweils mit Beischrift auf dem Sims darunter: links (B), rechts (C). Die Figur der Fides hält die Gesetzestafeln in Händen, darauf Inschrift (D). Im Bogenfeld, das sich zum Hauptgeschoß hin öffnet, in hohem Relief die Darstellung Gottvaters und der Taube des Hl. Geistes, umgeben von Putti. Das hohe Gebälk, das in der Mittelachse durch den Rundbogen unterbrochen ist, zeigt im Fries zwei Bildreliefs: links Moses mit der Ehernen Schlange, rechts Meerwurf und Ausspeiung des Jonas, jeweils mit den entsprechenden Bibelstellenangaben darunter (E, F). Die Hauptzone wird seitlich gerahmt von zwei reich ornamentierten Pilastern, denen auf Postamenten stehende Figuren von Tugendpersonifikationen vorgelagert sind; die entsprechenden Beischriften (G, H) in Schrifttäfelchen auf den Pilastern. In der Bildnische vollplastischer Kruzifixus; oben am Kreuz Täfelchen mit eingehauenem und mit schwarzer Farbe ausgemaltem Titulus (I); unter dem Kreuz zu beiden Seiten in Anbetung des Heilands kniend die lebensgroßen Figuren von Graf Eberhard und Gräfin Agatha sowie von deren vier Söhnen und drei Töchtern; über den beiden Figurengruppen zwei von Roll- und Beschlagwerk gerahmte Schiefertafeln mit Bibelsprüchen (K, L), jeweils eingehauen und mit goldener Farbe nachgemalt. In einer schmalen Leiste, die den oberen Abschluß des Sockels bildet, zwei weitere Bibelsprüche: links (M), rechts (N). Im Sockel zwei große Schiefertafeln mit den jeweils in zwei Spalten eingehauenen und mit goldener Farbe nachgezogenen Sterbevermerken (O, P), dazwischen ein kleines quadratisches Täfelchen mit Bibelspruch (Q); an den Außenseiten des Sockels in zwei querrechteckigen Kartuschen ein weiteres Herstellungsjahr (R); im Unterhang querovales Medaillon mit Darstellung des Tods mit Sanduhr und Totengräberutensilien vor einer Totenbahre. Die ursprüngliche Fassung ist ebensowenig erhalten wie eine zugehörige, auf die Wand gemalte architektonisch-ornamentale Umrahmung1. Ein Wappen der heraldisch rechten Ahnenprobe fehlt, mehrere Wappen der linken Ahnenprobe wurden zu unbekanntem Zeitpunkt vertauscht. Schrifttafel (P) senkrecht durchgebrochen.

Siehe Lageplan.

Maße: H. ca. 600, B. 381, Bu. ca. 4,0 (A), ca. 4,2 (B, C), ca. 1,8 (D), 3,8 (E, F), 2,8 (G), 3,0 (H), ca. 2,8 (I), 1,8 (K, L), 2,8 (M, N), 2,1 (O, P), 1,2 (Q, Humanistische Minuskel), 2,1 (Q, Fraktur), 3,7 cm (R).

Schriftart(en): Kapitalis (A–I, R), Fraktur und Kapitalis (K–N), Fraktur (O, P), Fraktur und Humanistische Minuskel (Q).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Helmut Hartmann, Bechtheim [1/16]

  1. A

    ANNO // · 1 · 5 · 74 ·

  2. B

    CHARITAS

  3. C

    FIDES

  4. D

    ICH BIN / DER HER / DEIN / GOTT // DER ICH / DICH (etcetera)2) / EXOD : / · XX ·

  5. E

    NVMERI . XXI .

  6. F

    . IONE . I .

  7. G

    IVSTICIA

  8. H

    PRVDE(NTIA)a)

  9. I

    I · N · R · I

  10. K

    Jch weisz das mein Erloser lebet , Vnd / er wirt mich hernach ausz der Erden / auffwecken , Vnd werde darnach mit / dieser meiner haut vmgeben werden / Vnd werde Jn meinem fleisch Gott sehen3) . / IOB AM . XIXb) .

  11. L

    Also hat Gott die Welt geliebet , das / er seinen einigen Sohn gabe , Auff / das alle die an Jn glauben , nitt / verloren werden , sonder das / Ewigc) leben haben4) . / IOAN : AM . IIIb) .

  12. M

    Christus ist mein leben , vnd sterben ist mein gewin5) . PHILIP : I .

  13. N

    Jch werde nit sterbe(n) , so(n)der lebe(n) , vnd des Her(n) werck verku(n)dige(n)6) . PSAL(M) : 118b) .

  14. O

    Von Hohenloh Graff EberhartAuss dieser Welt gefordert ward Am neu(n)te(n) tag des Mertze(n) zwarNach siebnzig fu(n)fzehn hu(n)dert JarDes Säligmachers gburt Jr gnadWie falscher lehr gewehret hat /d)Die Kirche(n) schuolne) vnd Regime(n)tZue Gottes ehr wol angewendt Mit dero Gmahl darzue bej lebn An tag vier Hern drej Fraewlef) gebnDie seel bej Christo lebt im Friedn Jn dem sie glaubig abgeschiedn .

  15. P

    Die Wolgeborn Fraw AgataVon Hohnloh Graeffinf) ruhet daGeborne Graeffi(n)f) auss de(m) gshlechtWelchs Tüwigen gene(n)netrecht Den Vnderthanen Jhr GenadViel lieb vnd trew bewiese(n) hat /d)Zue ihre(m) Gmahl Graff EberhardAuss Gottes gshick begrabe(n) wardDes 〈Junij〉 Mondts de(n) 〈28〉 tagMit trawriger gemeiner klagDie zahl nach Christ geburt als war〈1609〉g) Jar

  16. Q

    Sapie(ntiae)h) / . II . / Durchs Teü:/ffels neÿdt ist / der tod in die / welt komme(n)7)

  17. R

    ANNO // 1573

Versmaß: Deutsche Reimverse (O, P).

Datum: 8. Juli 1609 n. St.

Wappen:
Hohenlohe-Langenburg Tübingen
Waldburg Zweibrücken-Bitsch8
Württemberg9 Arco
Oettingen Wild- und Rheingrafen10
[Oettingen] Hohenlohe-Langenburg11
Hohenzollern12 Lichtenberg
Savoyen Moers-Saarwerden13
Anhalt14 Lupfen15.

Kommentar

Wie die beiden Jahresangaben (A) und (R) anzeigen, wurde das Epitaph in den Jahren 1573 bis 1574 geschaffen. Der ganz überwiegende Teil der Inschriften dürfte erst 1574 entstanden sein. Die stilistischen Ähnlichkeiten mit dem 1570 fertiggestellten Epitaph für den Grafen Ludwig Kasimir von Hohenlohe und dessen Frau (nr. 345), zu dem das hier besprochene Grabmal als Pendant konzipiert war, lassen keinen Zweifel daran, daß auch dieses in der Werkstatt des Bildhauers Johann von Trarbach in Simmern geschaffen wurde16. Die Zuschreibung läßt sich auch eindeutig durch inschriftenpaläographische Gemeinsamkeiten stützen, die bislang von der Forschung merkwürdigerweise nicht berücksichtigt wurden. Die mit flach-rechteckiger Kerbe ausgehauene, breit proportionierte Kapitalis mit sorgfältiger Serifenbildung und regelmäßiger Beachtung der Linksschrägenverstärkungen stimmt bei beiden Werken sowohl im Duktus als auch in den Einzelformen völlig überein17. Auch bei der Fraktur sind deutliche Parallelen erkennbar. So stammen die Bibelsprüche (K) und (L) mit Sicherheit von derselben Hand, die die Versinschriften (D) und (E) am Epitaph Ludwig Kasimirs gehauen hat. Etwas gestreckter, ansonsten aber gleich geformt sind die Buchstaben der beiden gereimten Sterbevermerke (O) und (P), die zudem erheblich reicher verziert sind, indem Ober- und Unterlängen eingerollt oder zu Schleifen und Kontraschleifen ausgezogen sind.

Graf Eberhard von Hohenlohe-Waldenburg, der infolge seiner bei der „Waldenburger Fastnacht“ erlittenen Brandverletzungen 1570 gestorben ist, wurde im Langhaus der Öhringer Stiftskirche beigesetzt. Seine Witwe, die ihn um fast 40 Jahre überlebte, wurde 1609 neben ihm bestattet; beider Grabplatten sind erhalten (nrr. 340, 613). Agatha ist die einzige Tochter des Grafen Konrad IV. von Tübingen aus dessen erster Ehe mit Johanna Gräfin von Zweibrücken-Bitsch18. Die Ehe mit Eberhard von Hohenlohe wurde 1554 geschlossen. Nach dessen frühem Tod führte die Gräfinwitwe zehn Jahre lang die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn Friedrich. Schloß Pfedelbach, für dessen Fertigstellung sie sorgte, diente ihr als Witwensitz (vgl. nr. 352).

Textkritischer Apparat

  1. Kürzung durch Doppelpunkt und zusätzlich durch Kürzungsstrich über dem E.
  2. Zahlzeichen überstrichen.
  3. Die letzten beiden Zeilen gestaffelt zentriert; der leere Platz zu beiden Seiten mit Kontraschleifenmotiven gefüllt.
  4. Spaltenwechsel.
  5. Das o klein über das u gesetzt.
  6. Das e zur Umlautbezeichnung winzig über das a gesetzt.
  7. Da beim Nachtrag lediglich die vier Ziffern der Jahreszahl eingehauen wurden, statt – wie vorgesehen – die Zahl auszuschreiben, blieb ein großer Teil der Zeile leer.
  8. Wort in Humanistischer Minuskel; Kürzung durch Doppelpunkt.

Anmerkungen

  1. Reste davon wurden bei einer Renovierung 1953 aufgedeckt, aber wieder zugetüncht; vgl. Ernst-Hofmann, Grabdenkmäler 2001, 85f.
  2. 2 Mo 20,2.
  3. Hi 19,25–26.
  4. Jh 3,16.
  5. Phl 1,21.
  6. Ps 118,17.
  7. Wsh 2,24.
  8. Linksgewendet! Quadriert von Zweibrücken und Bitsch.
  9. Quadriert von Württemberg und Mömpelgard.
  10. Quadriert und mit Mittelschild belegt; der Mittelschild gespalten und halbgeteilt, vorn Kyrburg, hinten Ober-Salm und Finstingen; 1/4. Wildgrafen, 2/3. Rheingrafen, alle Löwen des Hauptschilds einwärts gekehrt; nur eine Helmzier: Rheingrafen.
  11. Das Wappen gehört eigentlich nicht in die Ahnenprobe. An dieser Stelle müßte das Wappen von Lupfen stehen, das jetzt an letzter Stelle eingereiht ist. Da die Ahnenprobe offensichtlich bereits ursprünglich durch die Aufnahme des hohenlohischen Wappens einen Fehler enthielt, ist eine zweifelsfreie Rekonstruktion der ursprünglichen Wappenanordnung nicht möglich. Wiedergabe daher nach derzeitigem Befund.
  12. Quadriert von Reichserbkämmereramt und Stammwappen Zollern.
  13. Quadriert und mit Mittelschild (Moers) belegt, 1/4. Moers, 2/3. Saarwerden. Dieses Wappen müßte korrekterweise an achter Stelle eingereiht sein, an seiner Stelle wäre dagegen das Wappen von Martinengo zu erwarten (Barbara di Martinengo, Mutter der Gräfin Agatha von Arco), das jedoch in der vorliegenden Ahnenprobe fehlt; vgl. dazu auch nr. 339 Anm. 5.
  14. Quadriert und mit Mittelschild (Anhalt) belegt. Der Hauptschild (1/4. Aschersleben, 2/3. Bernburg) ist linksgewendet, nicht aber der Mittelschild!
  15. Das Wappen müßte korrekterweise an fünfter Stelle der Ahnenprobe eingereiht sein.
  16. Vgl. Ernst-Hofmann, Grabdenkmäler 2001, 123–132, speziell zum Vergleich der beiden Öhringer Epitaphien 130–132.
  17. Vgl. zu den typischen Merkmalen der Kapitalis der Werkstatt Johann von Trarbachs DI 34 (Bad Kreuznach) nr. 340; DI 57 (Pforzheim) nr. 192 (nur Inschrift A).
  18. Vgl. Eur. Stammtaf. NF XII, Taf. 49.

Nachweise

  1. Hansselmann, Kurtze Historische Beschreibung (HZAN GA 10 Schubl. 2 Nr. 81) p. [63]f.
  2. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 338 (nur O, P).
  3. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) IX. Bü 271 (Öhringen), (nur M, N, O, P; K, L teilw.). = Knoblauch, Beschreibung Slevogt 180f.
  4. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) IX. Bü 272 (Öhringen Stiftskirche), (teilw.).
  5. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) IX. Bü 273 (Hansselmann, Beschreibung d. Stiftskirche zu Oehringen 1732, Abschr. 1830), p. 29f.
  6. Albrecht, Stiftskirche Oehringen 36f.
  7. OAB Öhringen 108 (nur erwähnt).
  8. Fischer II/1, 92 f. (teilw.).
  9. H. Wagner, Johann von Trarbachs Werke in der Stiftskirche zu Öhringen, in: WVjh 11 (1888) 137–139, hier: 139 (nur A, R).
  10. Pfedelbach 1037–1987, Abb. 7.
  11. Knoblauch II/3, Abb. 100 (nur O, Q).
  12. Ernst-Hofmann, Grabdenkmäler (Mag.arb.) 97–99.
  13. Dies., Grabdenkmäler 2001, 132 (nur K, L), Abb. 2, 15, 16, 20, 24.
  14. Der Hohenlohekreis 1, 220 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 357 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0035701.