Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 339 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche) 1570

Beschreibung

Grabplatte des Grafen Georg III. von Tübingen. Ursprünglich im Fußboden des Langhauses, im Mittelgang die südliche Platte in der dritten Reihe von Osten1; seit der Kirchenrenovierung 1888 im Erdgeschoß des Blasturms an der Nordwand angebracht, dritter Stein von Osten. Sandsteinplatte mit Messingauflagen: umlaufende Schriftleiste mit sehr flach erhaben gegossener Inschrift zwischen mit je zwei begleitenden Ritzlinien versehenen Randstegen; in der Mitte des Feldes ein gegossenes Vollwappen, umgeben von vier weiteren Schilden. Die Platte wurde zusammen mit zwei weiteren in einen neogotischen Rahmen eingefügt, wodurch alle Ränder bis auf den rechten verdeckt sind. Die unebene und an einigen Stellen ausgebrochene Oberfläche der Steinplatte wurde bei der Neuaufstellung mit einer Gipsschicht geglättet und grau bemalt; Gips und Farbe abblätternd. Metallteile durch Abtretung abgenutzt.

Siehe Lageplan.

Maße: L. ca. 213 (sichtbar: 203), B. ca. 124, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/1]

  1. ANNO DOMINI . MDLXX AVF DEN V / MARCIa) . STARB DER WOLGEBORN HERR HERR . IEORG / GRAVE ZV TIBINGEN VND / HERR ZV . LIECHTENECKH2) DESS . SEELEN GOT . GENAD .

Wappen:
Tübingen;
Waldburg3 Arco4
OettingenMartinengo5.

Kommentar

Die Kapitalis ist sehr gleichmäßig ausgeführt, mit genauer Beobachtung der Linksschrägenverstärkung und der linksschrägen Schattenachse der Bögen. Die Buchstaben entsprechen weitgehend dem klassischen Formenkanon. Die Cauda des R ist zumeist stachelförmig und leicht durchgebogen, in zwei Fällen jedoch geschwungen (in IEORG und GRAVE). Die unregelmäßig gesetzten Worttrenner sind dreieckig und sitzen auf der Grundlinie. Nur der Anfangsbuchstabe der Inschrift ist etwas vergrößert.

Georg ist der einzige Sohn des Grafen Konrad IV. von Tübingen († 1569) aus dessen zweiter Ehe mit Katharina von Waldburg, einer Tochter des „Bauernjörg“ Georg III. Truchseß von Waldburg6. Aus seiner 1564 geschlossenen Ehe mit Walpurgis Gräfin von Erbach († 1592) gingen fünf Söhne hervor, von denen der jüngste erst nach Georgs Tod geboren wurde. Mit dem Haus Hohenlohe war Graf Georg doppelt verwandtschaftlich verbunden: Die Schwester seiner Mutter, Helena von Waldburg, hatte 1529 den Grafen Georg I. von Hohenlohe-Waldenburg geheiratet (vgl. nr. 320), und seine Halbschwester Agatha Gräfin von Tübingen war 1554 mit Graf Eberhard von Hohenlohe, einem Sohn aus dieser Ehe, vermählt worden7. Bei seinen Verwandten zu Besuch, wurde Georg wie sein Schwager Eberhard ein Opfer der „bösen Fastnacht“ auf Schloß Waldenburg am 7. Februar 1570, als bei einem Maskenfest die Kostüme Feuer fingen und das Schloß in Brand setzten8. Er starb einen Monat nach dem Unglück an den Folgen seiner schweren Brandverletzungen und wurde in Öhringen neben seinem Schwager beigesetzt.

Textkritischer Apparat

  1. Febr. Schmid.

Anmerkungen

  1. Vgl. Lageplan in HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) II. 7. Bü 103. So auch noch im 19. Jahrhundert; vgl. OAB Öhringen 109.
  2. Lichteneck, abgegangene Burg bei Hecklingen (Stadt Kenzingen, Lkr. Emmendingen).
  3. Linksgewendet.
  4. Senkrecht gestellter Bogen (Schußwaffe).
  5. Adler. Es handelt sich um eine verschobene Ahnenprobe: Da das Tübinger Wappen in der Ahnenprobe nicht wiederholt ist, verschieben sich die drei übrigen Wappen der Großelterngeneration jeweils um einen Platz nach vorn, wodurch an letzter Stelle Platz geschaffen wird für ein Wappen der Urgroßelterngeneration. Hier ist allerdings nicht das zu erwartende Wappen der Mutter von Georgs väterlichem Großvater (Anna von Lupfen), sondern – weil vornehmer – das der Mutter der väterlichen Großmutter, der Barbara di Martinengo, angefügt; vgl. zu diesem Phänomen allg. Drös, Zur Heraldik 72f. Zu den genealogischen Zusammenhängen der vorliegenden Ahnenprobe vgl. Eur. Stammtaf. NF XII, Taf. 49.
  6. Ebd.
  7. Ebd.; Eur. Stammtaf. NF XVII, Taf. 4, 15.
  8. Vgl. Fischer II/1, 92; Fr. Wilhelm Mader, Ein Schloßbrand im Jahre 1570, in: Schwäb. Merkur 1932 Nr. 7, Sonntagsbeilage; Felix Burkhardt, Die böse Fastnacht auf Schloß Waldenburg (Hohenlohe) 1570 nach Zürcherischen Quellen, in: Aus der Welt des Buches, Leipzig 1950, 273–282; Harald Schukraft, Das vermarktete Inferno: ein Renaissancefest auf Schloß Waldenburg endete tragisch, in: Schönes Schwaben 11/12 (1997) Nr. 2, 16–18.

Nachweise

  1. Baier, Monumenta 1579 (HZAN GA 10 Schubl. 2 Nr. 81), p. [13].
  2. Hansselmann, Kurtze Historische Beschreibung (HZAN GA 10 Schubl. 2 Nr. 81) p. 54f.
  3. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) II. 7. Bü 103 (mehrfache Wiedergabe der Inschrift u. Zeichnungen).
  4. HZAN GA 55 (Nachl. Albrecht) IX. Bü 273 (Hansselmann, Beschreibung d. Stiftskirche zu Oehringen 1732, Abschr. 1830), p. 25.
  5. Albrecht, Stiftskirche Oehringen 46.
  6. Ludwig Schmid, Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen. Mit Urkundenbuch, Tübingen 1853, 585.
  7. Boger, Stiftskirche Öhringen 91.
  8. OAB Öhringen 109 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 339 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0033900.