Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 73: Hohenlohekreis (2008)
Nr. 324 Kocherstetten (Stadt Künzelsau), ev. Pfarrkirche vor 1568, 1568
Beschreibung
Epitaph für die Eheleute Wolfgang von Stetten († 1547) und Anna geb. von Rosenberg († 1548) sowie für Anna von Leyen geb. von Dienheim († 1568). Innen an der Westwand des Langhauses; ursprünglich an der Südwand des Langhauses1. Sandsteinädikula, die nachträglich nach rechts hin zu einer zweiachsigen Ädikula erweitert wurde. Dazu wurden Teile der Rahmenarchitektur umgearbeitet, um ein durchgehendes Gebälk und einen durchgehenden Sockel zu erhalten.
I. Epitaph des Wolfgang und der Anna von Stetten. Roll- und Beschlagwerkgiebel mit zentralem Rundmedaillon, darin eine Widdermaske, seitlich zwei volutenartig eingerollte Delphine. Im hohen Fries des (beidseitig nachträglich beschnittenen) Gebälks der siebenzeilige Sterbevermerk (A). Die Hauptzone wird von zwei mit je vier Ahnenwappen belegten Pilastern gerahmt; von den aus gestreckten Voluten gebildeten Seitenteilen wurde der rechte bei der Erweiterung des Grabmals an den neuen Rand versetzt. Im Feld vor einem runden Blendbogen das kniende Ehepaar in Anbetung des Kruzifixus, alle Figuren fast vollplastisch. Oben am Kreuz auf kleinem Täfelchen der Titulus (B). Wolf von Stetten ist in Vollharnisch dargestellt, vor ihm der abgesetzte Visierhelm. Auf der Kniebank der Anna von Stetten ein eingehauenes Monogramm (C). In den Bogenzwickeln zwei skulptierte Vollwappen. Im Sockel längsrechteckige Schrifttafel mit Bibelspruch (D). Im aus Roll- und Beschlagwerk gebildeten Unterhang seitlich zwei Menschenmasken und zentral eine Löwenmaske. Für alle Inschriften wurden die Zeilen vorgeritzt. Leichte Stoßschäden; ausgebrochene Ränder stellenweise ergänzt.
Textkritischer Apparat
- Anfangsbuchstabe vergrößert.
- 8 aus 7 verbessert.
- Letzte Zeile zentriert.
- Das zweite R zunächst vergessen und vom selben Steinmetz nachträglich geschickt zwischen E und T eingefügt.
- Danach als Zeilenfüller ein Linienspiel aus mehrfach sich überschneidenden Kontraschleifen.
Anmerkungen
- Vgl. OAB Künzelsau 631; Abb. in Demmler, Taf. 18.
- Io 11,26.
- Sämtliche Wappen der Schwertseite linksgewendet.
- Anordnung der linken Ahnenprobe abweichend von der der rechten: das Wappen der väterlichen Großmutter (Kronberg) ist hier mit dem der mütterlichen Großmutter (Berlichingen) vertauscht.
- Nach Lk 18,38.
- Vgl. bereits Marbod von Rennes, Carm. 37 c. 1672 A: „mors est his ianua vitae“; vgl. Lat. Hexameter-Lexikon 3, 8.
- Die oberen zwei Drittel des Schilds zerstört.
- Demmler 204 Anm. 2 geht dagegen davon aus, daß das gesamte Grabmal für alle drei Personen erst nach dem Tod der Anna von Dienheim 1568 geschaffen wurde.
- Schlörs eigenhändige Kapitalis der frühen Werke ist dagegen wesentlich rustikaler und hat schmale Proportionen; vgl. nrr. 280, 288 sowie die beiden Epitaphien des Jörg von Bemelberg († 1553) und der Margaretha von Vellberg († 1529) in Vellberg-Stöckenburg (Lkr. Schwäbisch Hall) von 1556 (Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften) und das Doppelgrabmal des Friedrich und der Margarethe Sturmfeder in Oppenweiler (Rems-Murr-Kreis) von 1558 (DI 37 [Rems-Murr-Kreis] nr. 167). Der Meister hat später möglicherweise die Schriftausführung seinen Gehilfen überlassen.
- Vgl. Biedermann, Ottenwald, tab. XXXVII.
- Begraben in Spabrücken (Lkr. Bad Kreuznach); vgl. DI 35 (Bad Kreuznach) nr. 306. Die genealogischen Angaben in Biedermann, Ottenwald, tab. XXXVIII, sind falsch. Annas Eltern sind Paul Wiegand von Dienheim und Anna von Eltz; vgl. Humbracht, Taf. 121.
Nachweise
- OAB Künzelsau 631 (nur A, E, G, H).
- Demmler 180, 204 (nur erwähnt), Taf. 18 (Abb.).
- Kdm. Künzelsau 201f. (nur erwähnt).
- Rauser, Künzelsauer Heimatbuch II, 285 (erwähnt, nach Kdm.).
- Der Hohenlohekreis 1, 221 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 324 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0032402.
Maße: H. 240, B. (ursprünglich, geschätzt) 134, Bu. 1,6 (A), 2,1 (B, C), 2,2–2,3 cm (D).
Schriftart(en): Kapitalis.
NACHa) DER GEBVRT IESVa) CHRISTIa) 1547 · AM FREITAG NACH / MARTINI , IST VERSCHIEDEN DER EDEL VND EHRNVEST WOLFGANGa) VON / STETTEN , ZV KOCHENSTETTEN · VNDa) AVCH HERNACH IM 1548b) · / IAR AM MONTAG NACH QVASIMODO GENITI , IST VERSCHIEDEN DIE / EDEL VND TVGENTSAM FRAW ANNAa) VON STETTEN GEBORNE VON / ROSENBERG , SEIN EHLICHE HAVSFRAW DISEN VERLEIHE GOT EIN / FROLICHEc) VRSTEND AMEN
INRI
AH
OMNISa) QVI VIVIT ET CREDIT / IN ME , NON MORIETVR IN AE=/TERNVM2) · IOAN: XI ·
Übersetzung:
Ein jeder, der lebt und glaubt an mich, wird nicht sterben in Ewigkeit.
Datum: 18. November 1547, 9. April 1548.
II. Epitaph der Anna von Leyen. In stilistischer Anlehnung an das bestehende Epitaph als schmaleres Pendant rechts angesetzt unter Mitbenutzung der vorhandenen Rahmenarchitektur. Bekrönung aus Roll- und Beschlagwerk, im Rundmedaillon ein skulptiertes Vollwappen, seitlich zwei zu Voluten eingerollte Delphine. Im Gebälk der gestaffelt zentriert eingehauene Sterbevermerk (E). Die Hauptzone wird von dem rechten Pilaster des ursprünglichen Grabmals und einem gleich gestalteten, aber nicht mit Wappen belegten Gegenstück gerahmt; im Feld vor einem runden Blendbogen die Figur der nach links hin vor einem Altar knienden und den Kruzifixus anbetenden Verstorbenen; oben am Kreuz der Titulus (F), im Bogenfeld über der Frau ein reich verschlungenes Spruchband mit der Anrufung (G); in den Bogenzwickeln zwei Wappenschilde. Im Sockel zweizeiliger Bibelspruch (H) zwischen zwei weiteren Wappenschilden. Im Unterhang eine Muschel in ovalem Medaillon, seitlich zwei Menschenmasken. Witterungsschäden, dadurch das obere heraldisch rechte Wappen weitgehend zerstört; linke Hälfte des Kreuztitulus abgebrochen und notdürftig ergänzt; Beine der Christusfigur verstümmelt.
Maße: H. 240, B. (beide Grabmäler zusammen) 210, Bu. 1,5 (E), 1,8 (F), 1,7–2,0 (G), 3,5 cm (H).
Schriftart(en): Kapitalis.
NACHa) DER GEBVRT IESVa) CHRISTI VNSERS SE=/LIGMACHERS 1568 AM FREITAG DEN 26 / NOVEMBRIS ISTa) VERSCHIEDEN DIE EDEL / VND TVGENTSAM FRAW ANNA VON / LEYEN GEBORNE VON DIENHEIM DER / GOT GNEDIG VND BARMHERTZIGd) SEY / AMEN
[IN]RI
O / IESV / DV / SVHN / DA/VIDS / ERBARM DICH / V̈BER / MICHe)5)
MORSa) IA=/NVA VITAE6) ·
Übersetzung:
Der Tod ist der Eingang zum Leben.
Kommentar
Die Kapitalis des linken, ursprünglichen Grabmals zeichnet sich durch große Regelmäßigkeit und Sorgfalt in der Ausführung aus. Die Buchstaben haben in der Regel quadratische Proportionen, sogar das R ist durch die weit ausgestellte geschwungene Cauda in das Quadrat eingepaßt. E hat einen langen unteren, einen mittellangen Deck- und einen sehr kurzen Mittelbalken. Neben den breiten Proportionen bestimmen vor allem die ausgeprägten Linksschrägenverstärkungen und die linksschrägen Schattenachsen der Bögen das Gesamtbild. Der Schrägschaft des N greift seitlich deutlich über beide Schäfte hinaus. Der Mittelteil des M reicht bis zur Grundlinie. Sämtliche Bogensporen und alle Balkensporen mit Ausnahme derer an den Mittelbalken von E und F sind rechtsschräg gestellt. Die senkrechte Cauda des G ist leicht nach links eingerückt. Als Interpunktionszeichen sind Quadrangel auf halber Zeilenhöhe und gebogene Kommata verwendet. Genau dieselben Schriftmerkmale lassen sich auch in der rechts angefügten Epitapherweiterung beobachten. Da auch die figürlichen Darstellungen, Rahmenarchitektur und Ornamente stilistisch weitgehend übereinstimmen, ist davon auszugehen, daß auch der neue Teil des Grabmals vom selben Bildhauer geschaffen wurde. Ein allzu großer zeitlicher Abstand zwischen der Erstanfertigung und der Umarbeitung sollte daher nicht angenommen werden. Demnach entstand das Epitaph erst geraume Zeit nach dem Tod des Ehepaars Wolfgang und Anna von Stetten8. Möglicherweise ist das Monogramm AH im Bildrelief als Signatur auf den Steinmetz zu beziehen. Er scheint ein Mitarbeiter der Werkstatt des Haller Bildhauers Sem Schlör gewesen zu sein. Darauf deutet sowohl der Schriftbefund hin – in Schlörs Werken findet sich exakt dieselbe Kapitalisausprägung gelegentlich ab den 1570er Jahren9 – als auch die im bekrönenden Wappenmedaillon des rechten Epitaphteils (nicht aber bei den Wappen des linken Teils) zu beobachtende, für viele Schlör-Werke charakteristische Ausgestaltung der Helmdecken.
Wolfgang von Stetten war ein Sohn des Götz von Stetten zu Buchenbach († 1505) und der Barbara von Gebsattel10. Seine Frau Anna entstammt der Ehe des Michael von Rosenberg († 1508) und der in Kocherstetten beigesetzten Agnes Rüdt von Bödigheim (vgl. nr. 213). Auftraggeber des Grabmals war sicherlich Eberhard von Stetten († 1583), der Sohn des Paares, der mit Margaretha von Leyen verheiratet war. Dies erklärt, warum das Grabmal 1568 für Anna von Dienheim erweitert wurde: Sie war Margarethas Mutter, und nach dem Tod ihres Mannes, des pfalz-simmernschen Hofmeisters Peter von Leyen († 1551)11, hatte sie sich offenbar zu ihrer Tochter nach Kocherstetten zurückgezogen. Außer Margaretha (vgl. nr. 440) sind auch ein Sohn und eine weitere Tochter Annas in Kocherstetten beigesetzt (nrr. 350, 566).