Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 299 Kloster Schöntal (Gde. Schöntal), Kloster, Kreuzgang 1550–59

Beschreibung

Epitaph des Götz von Berlichingen zu Hornberg „mit der Eisernen Hand“ († 1562). Im Ostflügel des Kreuzgangs, 15. Stein von Norden; bis zur Neuanordnung der Grabmäler im Zuge des barocken Neubaus des Kreuzgangs viertes Epitaph von Norden1. Sandstein-Ädikula. Anstelle des Giebels – bzw. wohl eher als Rest einer ursprünglich aufwendigeren Bekrönung – eine annähernd quadratische Schrifttafel mit profiliertem Rahmen, darin mehrere Inschriften zeilenweise eingehauen: fünfzeiliger Sterbevermerk (A), in der fünften Zeile zentriert und beiderseits flankiert von Bibelstellenangaben, die sich auf die folgenden, in elf Zeilen angeordneten Gebete (B) beziehen. Die letzten drei Zeilen wurden vom Steinmetzen versehentlich vertauscht. Unter vorkragendem Sims und zwischen Pilastern im Hauptgeschoß die nach rechts hin vor dem Kruzifixus kniende und betende reliefierte Figur des Adeligen im Ganzharnisch, der federgeschmückte Visierhelm und die Panzerhandschuhe sind am Boden abgelegt. Oben am Kreuz in kleinem Schrifttäfelchen der Titulus (C). Oben an den Pilastern zwei Vollwappen. Auf dem polygonal vorspringenden Sockel in der Mitte eine Schrifttafel mit Inschrift (D), seitlich in Muschelnischen zwei weitere Vollwappen. Alle Zeilen durch Hilfslinien vorgeritzt.

Maße: H. 272, B. 109, Bu. 3,0 (A, B), 1,2 (C), 2,2–2,5 cm (D).

Schriftart(en): Verfremdete Kapitalis mit einzelnen Minuskeln.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/8]

  1. A

    ANNOa) DOM(IN)I 155 ⟨. . . . . . . . . . .⟩b) IST / DOTS · vERSCHIDE(N)c) DER · EDEL · vND · / ERNVESTd) · GOT · FRIDT · vON · bERLICHEN · / ZVOe) · hORNBERG · DER · SEL · GOT · GENEDIG · / · SEI · AMEN ·f)

  2. B

    39 // 28 PSA(LM)g) · / Oh) · MEIN · GOT · vN(D) · MEIN · vATER · JcZVN(D)i) / BEVEISE · MEINE · ARME · SELE · DAS · SIE · JN(N)E · / vERDE · DV · SEIstk) · M(EIN)l) FELS · BVORGe)2) · SCHILDT3) / thVRN · hORT · SChVCZ · ZVERSICHm) · HILFF / ZVFLVCHTn) · SCHIRM · vN(D)c) GVeTEo) · DAS · ICH / JN · DISEN · GROSEN · NOTEN ·p) O · HER · IN · / DEINE · HENDE · BEVIL · JCHq) · MEIN · GEIstk) · HER / · DV · DREVER · GOT4) · ERLVS · MEINE · ARME /r) JCHs) · HOFF · AVF · DICH5) · O · HER · ERLOeSt) · / MICH · vND · SEI · MIR · GENEDIG · 29 · PSA(LM)u) · / · SEL · vON · DEM · GRAVSAME(N) · FEINDT ·

  3. C

    iNRiv)

  4. D

    vND · ER · WARTHETw) / ALHIE · EINER FR/OeLLICHENt) · AVFER/STHEVNGx)

Wappen:
BerlichingenThüngen
AdelsheimSteinau gen. Steinrück.

Kommentar

Der Steinmetz ist sichtlich darum bemüht, ein dekoratives Schriftbild zu erzeugen, das Ergebnis wirkt aber eher unbeholfen. Fremdformen der Kapitalis, die auf den Formenschatz der Frühhumanistischen Kapitalis zurückgreifen, sind spitzovales O, spitzovales unziales, links offenes D (neben der nur zweimal eingesetzten Kapitalisform), trapezförmiges A mit überstehendem Deckbalken, häufig auch mit senkrechtem rechten Schaft, zweistöckiges Z sowie H mit nach oben ausgebuchtetem Balken. I hat fast durchweg einen kreisförmigen Punkt und ist mit einer kurzen Spitze unter die Grundlinie verlängert, jedoch deutlich unterschieden von einer geschwungenen J-longa mit Deckbalken. Unsicherheiten in der Formgebung zeigen sich am Beginn der Inschrift (A) bei dem D in DOTS, das wie ein spiegelverkehrtes G mit waagerecht umgeknickter Cauda gebildet ist, und beim retrograden, stark nach links geneigten S. Bemerkenswert ist die Häufung von Nexus litterarum. Vorwiegend an Wortanfängen werden Gemeine der Gotischen Minuskel und der Fraktur verwendet und erhalten somit – in Verkehrung des sonst üblichen Brauchs – Versalfunktion in einer Majuskelschrift. Zusätzlich bedient sich der Steinmetz aufwendiger verzierter und vergrößerter Frakturversalien. Als Worttrenner kommen neben kleinen Kreisen und Quadrangeln beide Varianten auch mit Zierhäkchen in Paragraphzeichenform vor, außerdem einmal ein Dreieck. Die zahlreichen Schreibfehler, das Auslassen von Textpassagen und das Vertauschen kompletter Zeilen deuten darauf hin, daß der Steinmetz vermutlich des Schreibens unkundig oder jedenfalls nicht gerade konzentriert bei der Arbeit war. Der Textanschluß von Inschrift (D) ist ebenso unklar wie die Bedeutung der Psalmstellenangaben in Inschrift (B), die nicht oder nur mit Mühe mit den Gebetstexten der Inschrift in Einklang zu bringen sind. Demselben Steinmetzen sind den Schriftformen nach die Bauinschrift Götz’ von Berlichingen in Rossach von 1540 (nr. 238), vier Öhringer Grabplatten von 1552 und 1556 (nrr. 272, 286, 287, 289), zwei Wappentafeln von 1558 in Neuenstein (nr. 296) und das Epitaph des Sebastian Geyer von Giebelstadt in Neunkirchen (Stadt Bad Mergentheim, Main-Tauber-Kreis) von 15636 zuzuweisen. Von all diesen Inschriften ist die vorliegende die variantenreichste.

Das Epitaph wurde nach Ausweis des zunächst nicht vervollständigten Sterbevermerks in den 50er Jahren des 16. Jahrhunderts gefertigt. Die Tatsache, daß die Angabe des Jahrzehnts bereits inschriftlich ausgeführt wurde, könnte auf eine Entstehung eher am Beginn dieses Zeitraums hinweisen, da man kurz vor 1560 vermutlich die unsichere vorletzte Stelle der Jahreszahl vorsichtshalber ausgespart hätte. Dazu paßt, daß Götz von Berlichingen im August 1550 in Erwartung eines nahen Todes sein Testament machte7. Der Auftrag zu dem Epitaph könnte zur selben Zeit erfolgt sein. Der Nachtrag des Todestages wurde später wohl nur aufgemalt, jedenfalls sind jetzt von dem durch Müller/Stöcklein überlieferten Text8 keine Spuren mehr zu erkennen.

Götz von Berlichingen wurde um 1480 geboren als Sohn des Kilian von Berlichingen († 1498) und der Margaretha von Steinau gen. Steinrück9. Seine Erziehung erhielt er durch seinen Onkel Konrad (vgl. nr. 119). Ab 1497 stand er in Diensten des Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Ansbach. Nachdem ihm im Landshuter Erbfolgekrieg, an dem er auf seiten von Bayern-München teilgenommen hatte, 1504 die rechte Hand zerschossen worden war, ließ er sich eine eiserne Unterarmprothese anfertigen, der er den Beinamen „mit der Eisernen Hand“ verdankt. Die Behinderung hielt ihn nicht davon ab, in der Folgezeit zahlreiche Fehden zu führen, die ihm zweimal die Verhängung der Reichsacht einbrachten (1512, 1518). Auch geriet er wiederholt in längere Gefangenschaft. Seine zeitweilige Beteiligung am Bauernkrieg an der Spitze des Odenwälder Haufens führte 1529/30 zu anderthalbjähriger strenger Haft in Augsburg, nach der er vom Schwäbischen Bund zu lebenslanger ritterlicher Haft auf seiner eigenen Burg Hornberg am Neckar begnadigt wurde. Diese Strafe wurde durch Kaiser Karl V. nach elf Jahren aufgehoben. Hornberg, nach dem sich Götz – wie auch in der vorliegenden Inschrift – zubenannte, hatte er 1517 als würzburgisches Mannlehen gekauft10. Nach seiner Rehabilitation auf dem Regensburger Reichstag zog er 1542 und 1544, nunmehr bereits über 60jährig, im kaiserlichen Heer gegen die Türken und gegen Frankreich. Im hohen Alter diktierte er seine berühmten Lebenserinnerungen11. Er war offenbar zweimal verheiratet: in erster Ehe mit Dorothea Gailing von Illesheim (1531 V 1 †) und in zweiter Ehe mit einer bislang namentlich nicht Bekannten, die 1550 noch am Leben war, aber wohl vor Götz gestorben ist12.

Götz starb am 23. Juli 1562. Seine Grabplatte ist ebenfalls erhalten (nr. 307).

Textkritischer Apparat

  1. A als vergrößerter Frakturversal.
  2. 1552 . den 23 . Junij (so statt Julij) Müller/Stöcklein. Das Datum war vermutlich 1562 nur aufgemalt worden. Die dritte Stelle der Jahreszahl dürfte dabei korrigierend übermalt worden sein, was im späten 17. Jh. offenbar nicht mehr sichtbar war.
  3. Kürzung durch Doppelpunkt (zwei übereinandergesetzte Kreise).
  4. E als vergrößerter, zwei Zeilen beanspruchender Frakturversal.
  5. O klein über das V gestellt.
  6. Die beiden Wörter stehen in der Zeile zentriert und sind von kleinen Efeublättchen eingefaßt. Links und rechts davon stehen die zu Inschrift (B) gehörenden Bibelstellenangaben.
  7. Bibelstellenangabe, in der Mitte der Zeile unterbrochen durch den Schluß von Inschrift (A), vgl. Anm. f. PS monogrammatisch verschränkt, das S um den Schaft des P geschlungen.
  8. Vergrößerter Zierversal mit Binnenzeichnung.
  9. c verkleinert auf halber Zeilenhöhe eingefügt.
  10. Fraktur-st-Ligatur, der Schaft des t reicht kaum bis zur Zeilenmitte hinab.
  11. M nachträglich über dem Worttrenner in den Zeilenzwischenraum eingehauen.
  12. So statt ZVVERSICHT.
  13. Im HT-Nexus der Balken des T nur nach rechts an den Schaft angesetzt.
  14. e zur Bezeichnung des Umlauts verkleinert über V gestellt.
  15. Hier hat der Steinmetz offenbar eine Textpassage ausgelassen. Der folgende Text gehört jedenfalls zu einem neuen Satz.
  16. J als Frakturversal.
  17. Die folgenden drei Zeilen sind vertauscht. Der begonnene Satz setzt sich in der letzten Zeile fort: ERLVS MEINE ARME // SEL VON DEM GRAVSAMEN FEINDT. Die beiden eingeschobenen Zeilen müßten am Ende stehen.
  18. J als vergrößerter Frakturversal.
  19. e zur Bezeichnung des Umlauts verkleinert über O gestellt.
  20. PS monogrammatisch verschränkt, das S um den Schaft des P geschlungen.
  21. Beide i aufgrund der Schaftbrechungen eindeutig als Minuskelbuchstaben aufzufassen.
  22. Falsche Worttrennung.
  23. Der Wortteil steht annähernd zentriert in der Zeile und wird von zwei Zierranken als Zeilenfüllern eingerahmt.

Anmerkungen

  1. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 19v.
  2. Nach Ps 31,4: „Denn du bist mein Fels und meine Burg“.
  3. Vielleicht nach Ps 28,7: „Der Herr ist meine Stärke und mein Schild“.
  4. Nach Ps 31,6; vgl. auch Lk 23,46.
  5. Vielleicht nach Ps 31,15: „Ich aber, Herr, hoffe auf dich“.
  6. DI 54 (Mergentheim) nr. 187. Ein ebd. von mir noch dieser Werkgruppe zugeordnetes Möckmühler Denkmal von 1581, das mit Steinmetzzeichen und den Initialen B A bzw. B AL signiert ist, zeigt sehr verwandte Schriftmerkmale, ist aber wohl doch von anderer Hand.
  7. Vgl. Ulmschneider, Götz 235, 240–242; Abdruck des nur fragmentarisch erhaltenen Testaments ebd. 286–288.
  8. Vgl. Anm. b.
  9. Zur Biographie vgl. ausführlich Ulmschneider, Götz, passim; Berlichingen-Rossach, Götz, 85–468; Volker Press, Götz von Berlichingen (ca. 1480–1562) – vom „Raubritter“ zum Reichsritter, in: ZWLG 40 (1981) 305–326; Kurt Andermann, Götz von Berlichingen (um 1480–1562). Adliger Grundherr und Reichsritter, in: Fränkische Lebensbilder 20 (2004) 17–35.
  10. Vgl. zuletzt Kurt Andermann, Burg Hornberg über dem Neckar, Neckarzimmern 1997, 11.
  11. Maßgebliche Edition: Helgard Ulmschneider, Götz von Berlichingen. Mein Fehd und Handlungen (Forschungen aus Württ. Franken 17), Sigmaringen 1981.
  12. Dazu Ulmschneider, Götz 241–243, mit der begründeten Ablehnung einer in der älteren Literatur behaupteten ersten Ehe Götz’ mit einer Dorothea von Sachsenheim.

Nachweise

  1. Kremer (WLB HB XV 68) p. 291 (fol. 148r neu).
  2. Hebenstreit (StAL B 503 II Bü 10) p. 69.
  3. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 19v.
  4. Schönhut, Chronik Schönthal 196f.
  5. Kloster Schönthal, das Begräbnis der Berlichingen, in: Morgenbl. für gebildete Leser 1851, 914.
  6. Schönhuth, Grabdenkmale Berlichingen 451.
  7. Berlichingen-Rossach, Götz 726 (m. Abb., ungenaue Zeichnung).
  8. Schönhuth, Burgen … Württembergs IV, 226f.
  9. Kröll 104, 107f.
  10. OAB Künzelsau 788f.
  11. Betzendörfer, Kloster Schöntal 62f. (m. Abb.).
  12. Kdm. Künzelsau 352 (nur erwähnt).
  13. Rudolf Schlauch, Einkehr und Andacht. Kunstbetrachtungen in Hohenlohe, Gerabronn Crailsheim 1965, 76f.
  14. Alfred Zappe, Grundriß der Heraldik, Limburg 1968, Taf. X (Abb.).
  15. Bernhard Sprotte, Geleit im Tauberland, Wertheim 1975, 41 (m. Abb.).
  16. Hummel, Kloster Schöntal 26 (Abb. d. Bildreliefs m. C, D).
  17. Bauer, Gang durch’s Kloster 57 (nur A, D, ungenau).
  18. Der Hohenlohekreis 1, 44 (Abb. d. Bildreliefs m. C, D).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 299 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0029908.