Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 296 Neuenstein, ev. Gemeindehaus (Hintere Straße 34) 1558

Beschreibung

Zwei Wappentafeln des Grafen Ludwig Kasimir von Hohenlohe und seiner Frau Anna geb. Gräfin von Solms. Beide Steine stammen von der ehemaligen Zehntscheuer, die an gleicher Stelle stand, 1959/60 abgebrochen und durch den 1961/62 errichteten Neubau des Gemeindehauses ersetzt wurde. Die Tafeln aus rotem Sandstein befanden sich außen an der Südwestseite des gemauerten Erdgeschosses links und rechts oberhalb eines (zuletzt vermauerten) großen Torbogens1. Jetzt außen an der Südostseite des Neubaus neben dem Haupteingang in Augenhöhe eingemauert.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

I. Wappentafel des Grafen Ludwig Kasimir. Hochrechteckige Platte, darin oben ein reliefierter linksgewendeter Wappenschild in quadratischem Feld, das oben und seitlich von durchsteckten Rundstäben gerahmt wird; die seitlichen Rundstäbe mit hohen kannelierten Sockeln. Unter dem Wappen ein querrechteckiges Feld mit profiliertem Rahmen, darin die Inschrift, deren drei Zeilen mit tiefen Ritzlinien vorliniiert sind. Die zuletzt stark abgewitterte Oberfläche des Steins im unteren Bereich wurde bei einer Restaurierung ergänzt, die Inschrift ist in diesem Bereich jetzt lediglich aufgemalt.

Maße: H. 76, B. 60, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Verfremdete Kapitalis.

  1. LVDWIGa) · CASIMIR · GROFE · / [V]ONb) · HOHENLOE · VND · HER · / [ZV · LANGENBVRG ·]c) 1558d)

 
Wappen:
Hohenlohe-Langenburg2.

II. Wappentafel der Gräfin Anna. Ähnliche Gestaltung wie Tafel I, aber mit abweichender Schildform und abweichender Rahmengestaltung: das Wappenfeld ist hier oben und an den Seiten mit einem Wulstprofil eingerahmt, das links und rechts aus volutengeschmückten Sockeln hervorwächst. Bestoßen.

Maße: H. 74, B. 55, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Verfremdete Kapitalis.

  1. ANNAe) · GREVI(N)f) · VON · HOHENLOE (ETCETERA)g) / GEBOR(NE) · GREFY(N)f) · VON · SOLMS · VND · / FRAWE · ZV · MVNCZENBERG 1558

 
Wappen:
Solms-Münzenberg3.

Kommentar

Die Inschrift der ersten Wappentafel zeigt als Fremdformen der Kapitalis flachgedecktes A mit senkrechtem rechten Schaft, unter die Grundlinie reichendem linken Schrägschaft und einseitig nach links überstehendem Deckbalken sowie offenes D mit deutlich verkürztem Schaft. Das untere Schaftende des I ist nach links spitz unter die Grundlinie ausgezogen. O ist spitzoval, und der Bogen und die weit nach rechts ausgreifende und unter die Grundlinie geführte Cauda des R setzen unverbunden untereinander am Schaft an. Als Worttrenner dienen paragraphzeichenförmig verzierte Quadrangel.

Fraglos vom selben Steinmetz wurde auch die zweite Tafel geschaffen, auch wenn die Schrift hier noch deutlich mehr Verfremdungselemente aufweist. Die Proportionen sind insgesamt gestreckter. Das C ist entsprechend der Form des spitzovalen O jetzt erheblich schmaler, neben kapitalem E begegnet die zweibogige Form, der Balken des H und der Schrägschaft des N sind ausgebuchtet, M hat schräggestellte Schäfte und einen kurzen Mittelteil, Z ist zweistöckig. Bogen und Cauda des R setzen hier, abweichend von der ersten Inschrift, gemeinsam am Schaft an. Als Worttrenner sind kleine Punkte, einfache und paarweise übereinandergesetzte Kreise in unregelmäßigem Wechsel verwendet. Die charakteristischen Schriftformen weisen auf denselben Steinmetzen hin, der unter anderem das Schöntaler Epitaph für Götz von Berlichingen mit der Eisernen Hand (nr. 299) und eine Bauinschrift in Schloß Rossach (nr. 238) angefertigt hat.

Das 1558 errichtete herrschaftliche Gebäude diente ursprünglich als Bandhaus mit Brauerei, Werkstatt und Wohnung des Hofküfers, im Keller lagerten die Fässer4. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert wurden das Fachwerkobergeschoß und der Dachboden zur Lagerung von Getreide und Zehntfrüchten genutzt.

Zu Graf Ludwig Kasimir und Anna von Solms vgl. nrr. 325, 477.

Textkritischer Apparat

  1. Der Anfangsbuchstabe war als vergrößerter Versal ausgeführt. Geringe erhaltene Reste lassen erkennen, daß es sich um einen frakturähnlichen Buchstaben mit geschwungenem Schaft und Balken handelte, vermutlich mit begleitenden Zierlinien; jetzt als einfaches Kapitalis-L aufgemalt.
  2. Vom O nur die rechte Hälfte erhalten. Das breite V ist auf einem älteren Foto (LDA Esslingen, Fotoarchiv, o. Neg.-Nr.) noch deutlich erkennbar.
  3. Ob sich die Formen der aufgemalten Buchstaben auf ältere Abbildungen stützen oder ob sie lediglich in Orientierung an der Gestaltung der übrigen Inschrift ausgeführt wurden, ist unklar. Die ungleichmäßigen Buchstabenabstände passen jedenfalls schlecht zu der ansonsten recht regelmäßig eingehauenen Inschrift.
  4. Große Abstände zwischen den Ziffern.
  5. Als Anfangsbuchstabe ein deutlich überhöhter und unter die Grundlinie reichender A-Versal mit parallelen geschwungenen Schäften, geschwungenem Deckbalken, geradem Mittelbalken und mit begleitenden Zierlinien.
  6. Kein Kürzungszeichen erkennbar.
  7. Ungewöhnliches Kürzungszeichen in Form einer spitzen Drei mit an den Bogen rechts angesetztem, aufwärtsgebogenem Haken.

Anmerkungen

  1. Undatierte Gesamtaufnahme des Gebäudes im LDA Esslingen, Fotoarchiv (o. Neg.-Nr.). Auf dem Foto in Lamm, Im alten Neuenstein, Abb. 57b ist die heraldisch rechte Wappentafel durch ein über dem Kellereingang angebrachtes Vordach verdeckt.
  2. Linksgewendet. Quadriert von Hohenlohe und Langenburg, alle Figuren einheitlich nach rechts gekehrt.
  3. Quadriert von Solms und Münzenberg.
  4. Vgl. Lamm, Im alten Neuenstein 78f.

Nachweise

  1. LDA Esslingen, Fotoarchiv: zwei undatierte Fotos von Pöhlmann/Schwäb. Hall (o. Neg.-Nr.).
  2. Lamm, Im alten Neuenstein, Abb. 57a.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 296 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0029602.