Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 287 Öhringen, Friedhofskapelle St. Anna 1556

Beschreibung

Grabplatte des Sebastian Rücker. Im Chor im Boden, zweite Reihe von Westen, dritte Platte von Norden. Roter Sandstein. Schmaler, profilierter Rahmen; im Feld oben eine querrechteckige, oben und unten von Blattvoluten gerahmte Tafel mit Sterbevermerk (A), der nur die Hälfte des Schriftfelds einnimmt; darunter in Flachrelief Darstellung Rückers, nach links hin im Gebet kniend, bekleidet mit einer kurzen, ärmellosen Schaube, mit umgegürtetem Schwert; über seinem Kopf ein verschlungenes Schriftband mit Gebet (B), in den beiden oberen Ecken zwei Vollwappen. Am Boden liegen ein Totenschädel und Knochen, darüber vor der knienden Figur ein kleines Täfelchen mit Inschrift (C). Stark abgetreten.

Siehe Lageplan.

Maße: L. 195,5, B. 110, Bu. 3,0 (A), 2,3 (B), 2,0–2,2 cm (C).

Schriftart(en): Verfremdete Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/4]

  1. A

    ANNOa) DOM(IN)Y 1556 · VF · MICHAELI · IST · DOTS / VERSCHIDEN · DER ERNHAFT VND FVRNEM SE:/BAstIAN RVCKER ALTER BVRGAMEIstER JN ORING DER / SEL GOT GENEDIG SEY

  2. B

    JCH HOFF AVFF D/ICH O · HER1) · ERLVS · MICHb) / DER · PSALc) 29

  3. C

    VND ER · VARTHd) / ALHIE EINER / FRVLICH / AVFFER/SVGe)

Datum: 29. September 1556.

Wappen:
Rücker2, Eisenhut3.

Kommentar

Die verfremdete Kapitalis greift vielfach auf den Formenschatz der Frühhumanistischen Kapitalis zurück, der Steinmetz ist sichtlich um ein dekoratives Schriftbild bemüht. Dazu tragen auch die – nur unregelmäßig gesetzten – ringförmigen I-Punkte und Worttrenner bei. In das Majuskelalphabet sind wiederholt der Minuskel entlehnte st-Ligaturen eingestreut. Doppelformen sind für D (offen kapital und unzial-spitzoval) verwendet, weiterhin – ausschließlich am Wortanfang – zweibogiges E, J mit geschwungenem Deckbalken und V mit gebogenen Schrägschäften neben den kapitalen Formen. Der Schaft des I ist zumeist mit einer rechtsschrägen kurzen Unterlänge versehen. Der Steinmetz ist derselbe, der das auch in der bildlichen Darstellung verwandte Schöntaler Epitaph für Götz von Berlichingen (nr. 299) sowie zahlreiche weitere Inschriftendenkmäler im Bearbeitungsgebiet geschaffen hat4. Wie auf dem Schöntaler Epitaph ist auch hier die Formel mit der Auferstehungserwartung getrennt vom Sterbevermerk in einem kleinen Schrifttäfelchen innerhalb des Bildreliefs untergebracht. Eine weitere auffällige Parallele stellt die Verwendung derselben Anrufung (B) mit falscher Psalmstellenangabe dar. Die Auswahl der angeblichen „Bibelstellen“ scheint demnach offenbar durch den Steinmetz und nicht durch die Auftraggeber erfolgt zu sein.

Sebastian Rücker war 1544 Mitglied der Öhringer Kommission, die mit Kaspar Huberinus über die Bedingungen seiner Anstellung als Prediger in Öhringen verhandelte5. 1546 ist er erstmals als Bürgermeister in Öhringen nachweisbar. 1555 wurde er zum gräflich hohenlohischen Rat ernannt. Verheiratet war er mit Kunigunde Eisenhut, die wahrscheinlich eine Tochter des Öhringer Ratsherrn Albrecht Eisenhut war.

Textkritischer Apparat

  1. Leicht vergrößerter Versal: A mit fast senkrecht stehenden, geschwungenen Schäften und markant geschwungenem, beidseitig weit überstehendem Deckbalken, der von einer geschwungenen Zierlinie begleitet wird.
  2. Vom H nur noch der obere Teil des linken Schafts sichtbar.
  3. Das P entstammt dem Repertoire der Versalien der humanistischen Kursive.
  4. Fehlerhafte Worttrennung.
  5. So statt AVFFERSTEHVNG. Die drei Buchstaben in der letzten Zeile stehen zentriert und sind in deutlich kleinerem Schriftgrad ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Vielleicht nach Ps 31,15: „Ich aber, Herr, hoffe auf dich“. Derselbe Text mit derselben falschen Bibelstellenangabe auch auf dem vom selben Steinmetzen gefertigten Schöntaler Epitaph für Götz von Berlichingen mit der Eisernen Hand (nr. 299).
  2. Linksgewendet. Drei deichselförmig angeordnete Lindenblätter mit sich überkreuzenden Stielen; Helmzier: Adler mit drei Blättern im Schnabel.
  3. Eisenhut mit Halsriemen; Helmzier: mit der Schildfigur belegter Flug; vgl. Alberti 158, dort abweichend ein Halbflug als Helmzier.
  4. Vgl. Einl. 66.
  5. Vgl. Maisch, Aus dem Werk früherer Heimatforscher (KrAHK) 2f.; danach auch das Folgende. Zu Huberinus vgl. nr. 276.

Nachweise

  1. Maisch, Aus dem Werk früherer Heimatforscher (KrAHK) 1 (ungenau).
  2. Ders., St. Anna-Kirche.
  3. Birkenstock 20 Nr. 18.
  4. Erdmann, Diareihe St. Anna-Kapelle 9 (ungenau).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 287 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0028704.