Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 286 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche), Kreuzgang vor 1556, 1556

Beschreibung

Grabplatte des Stiftsherrn Peter Thenner. Im Westflügel des Kreuzgangs an der Außenseite aufgerichtet, 14. Stein von Norden. Sandstein. In dem von einer profilierten Leiste umrahmten, eingetieften Mittelfeld oben eine fast quadratische, mit Blattvoluten verzierte Schrifttafel mit Sterbevermerk (A); in der unteren Hälfte ein großes Hochkreuz, das durch Anfügung eines nach rechts weisenden kreisrunden Bogens an den Kreuzungspunkt zugleich das Namenmonogramm (B) des Verstorbenen bildet. Der waagerechte Kreuzbalken wies eine Beschriftung (C) auf, von der nur mehr die letzten Buchstaben erkennbar sind. Zu Seiten des Kreuzstamms zwei Wappenschilde. Stark verwittert, Oberfläche vor allem in der unteren Hälfte großflächig absandelnd (Schriftverlust).

Siehe Lageplan.

Maße: L. 166, B. 88,5, Bu. 3,3 (A)1, 78,0 (B), ca. 3,5 cm (C).

Schriftart(en): Verfremdete Kapitalis (A, C), Kapitalis (B).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Helmut Hartmann, Bechtheim [1/3]

  1. A

    ANNOa) · DOM(INI) · 15 · 〈56〉 · / DIE · 〈28〉 · 〈AVGVSTI〉 · OBIIT / VENERABILIS · D(OMI)N(V)S · PETRVS / THENNER [·] SENIOR (ET) TVSTOSb) / HVIVS [·] ECCL(ES)IE [·] A(N)I(M)AM [·] DEO · / JN [·] PACE · COM(M)ENDAVIT · / VND [·] ER [·] WARTET · ALHIE · / DERc) [·] FRÖLICHEN · AVFFERSTEVNG

  2. B

    P(eter) T(henner)d)

  3. C

    [– – –]DV(M)e)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1556 am 28. Tag des August starb der ehrwürdige Herr Peter Thenner, Senior und Kustos dieser Kirche. Er hat seine Seele Gott in Frieden übergeben.

Wappen:
Thenner2, unbekannt3.

Kommentar

Die verfremdete Kapitalis schöpft vielfach aus dem Formenschatz der Frühhumanistischen Kapitalis, auch die schmalen Proportionen sind dieser Schrift entlehnt. A ist stets trapezförmig-asymmetrisch mit einseitig überstehendem Deckbalken und einem senkrecht stehenden Schaft, die Ausrichtung wechselt. Offenes unziales D und O sind spitzoval. Als Doppelform kommt ein breites kapitales D mit stark verkürztem Schaft vor. Der Balken des H und der Schrägschaft des N sind ausgebuchtet, die Bogenenden des S sind weit eingebogen. Die schrägen Schäfte des M sind weit ausgestellt, der Mittelteil reicht nicht ganz bis zur Zeilenmitte hinab. Auffällig ist daneben das I mit unter die Grundlinie gezogener Spitze. Am Wortanfang wird dagegen ein Fraktur-J verwendet. Als Worttrenner dienen neben kleinen Kreisen paragraphzeichenförmig verzierte Quadrangel. Der Steinmetz ist derselbe, der auch das Epitaph für Götz von Berlichingen „mit der Eisernen Hand“ in Kloster Schöntal (nr. 299) angefertigt hat und von dem weitere Werke im Bearbeitungsgebiet nachweisbar sind4.

Die großen Wortabstände in den ersten beiden Zeilen sowie geringfügig abweichende Ziffernformen (5 mit deutlich kürzerem Balken) deuten darauf hin, daß die Grabplatte mitsamt der Inschrift bereits zu Lebzeiten Thenners geschaffen wurde und die Sterbedaten erst später – aber jedenfalls vom selben Steinmetzen – nachgetragen worden sind. Eigentümlich ist der Sprachwechsel in Inschrift (A) vom lateinischen Sterbevermerk zur deutschsprachigen Bekundung der Auferstehungsgewißheit.

Die vorliegende Grabplatte ist das letzte erhaltene Grabmal für einen Kanoniker des Öhringer Kollegiatstifts, das offiziell im Zuge der Reformation im Todesjahr Thenners aufgehoben wurde. Den älteren Chorherren blieb in der Folgezeit der Chor der Stiftskirche auf Lebenszeit vorbehalten, er wurde vom Langhaus durch eine Mauer abgetrennt (bis 1581)5.

Textkritischer Apparat

  1. A als vergrößerter Frakturversal.
  2. So statt CVSTOS. Dem zunächst korrekten C wurde durch das Einfügen eines Schafts und einen darübergesetzten geschwungenen Deckbalken dieselbe Gestalt gegeben wie dem T-Versal des Namens THENNER am Beginn der Zeile. Steinmetzfehler.
  3. Letzte Zeile aus Platzgründen in kleinerem Schriftgrad.
  4. Die beiden Buchstaben T und P sind in Nexus litterarum zu einem Monogramm verbunden, das auch gleichzeitig als aus den griechischen Buchstaben Chi und Rho gebildetes Christogramm aufgefaßt werden kann.
  5. Die vorgeschlagene Auflösung der Abkürzung (Kürzungsstrich über dem V) geht von der Annahme aus, daß es sich um einen lateinischen Text handelte. Von den beiden Buchstaben, die auf einem um 1970 entstandenen Foto (Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften) noch deutlich zu erkennen sind, sind mittlerweile nur mehr die oberen Abschnitte erhalten.

Anmerkungen

  1. Letzte Zeile aus Platzmangel nur 2,5 cm.
  2. Restlos zerstört. Auf einem um 1970 entstandenen Foto (wie Anm. e) ist noch ein Dreiberg erkennbar, darauf vielleicht als redendes Wappenbild eine Tanne. Die auf dem Foto noch schwach sichtbaren Konturen widersprechen dieser Deutung zumindest nicht. Die Hauptfigur könnte von kleinen sechsstrahligen Sternen begleitet gewesen sein.
  3. Greifvogelklaue. Mittlerweile fast völlig zerstört.
  4. Vgl. Einl. 66.
  5. LdBW IV, 234; Gunther Franz, Die Reformation in Öhringen und die Aufhebung des Stifts, in: Öhringen. Stadt und Stift 98–116, hier: 113–115.

Nachweise

  1. Esenwein, Grabsteine, Nr. A3 (nur A teilw.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 286 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0028607.