Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 276 Öhringen, Friedhofskapelle St. Anna 1553

Beschreibung

Grabplatte oder Epitaph des Pfarrers Kaspar Huberinus. Innen unmittelbar am Kanzelaufgang in die Südwand des Chors eingemauert. Hochrechteckige Platte aus rotem Sandstein. Zwischen Linien umlaufend eingehauener Sterbevermerk (A), der sich in zwei Zeilen oben im Feld fortsetzt; darunter dreizeiliger Vers (B1); in der Mitte des Feldes ein Wappenschild in Flachrelief, darin zu beiden Seiten der Hauptfigur die Nameninitialen (C) und unter der Figur die Initialen (D); unter dem Wappen zwei weitere Initialen (E), darunter schließen sich zwei je dreizeilige Verse (B2, B3) an, die die Fortsetzung von (B1) bilden; ganz unten im Feld ein Monogramm (F). Inschriften mit schwarzer Farbe nachgezogen. Leichte Schäden an den Rändern, ringsum eingeputzt und stellenweise übertüncht.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 169, B. 69, Bu. 6,0–6,5 bzw. 5,7 (A)1, 5,7 bzw. 4,2–4,4 (B1)2, 5,6 bzw. 4,0 (B1, B2)2, 5,5 (C), 3,2 (D), 6,2 (E), 5,0 cm (F).

Schriftart(en): Kapitalis (A–E), schrägliegende Kapitalis (F).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

  1. A

    AN(N)Oa) 1553 · 6 . OCTO(BRIS)b) / VERSCHID IN · GOT · DER · WIRDIG · HER(R) ·c) CASPARVS / HVBERINVS · DER / ·d) PREDICANT · IN · ORINGEV · WAS ·c) DEN GOT · FRÖ=//LICH · AVFER=/STAN · LAS ·e)

  2. B1

    ACHa) · EIN · SV̈ND(ER)f) / GEBORN · GELEBT · / GESTORBE(N) · BIN · ICH ·d)

  3. B2

    CHRISTE · MEI(N) · HER(R) / ERNEV · VERGIB · AVF=/ERWECKE · MICH ·d)

  4. B3

    JCHa) · BIN · GLAVBIG · / ERHALT · VERKLER · MA/CHE · MICH ·
    SELIG ·e)3)

  5. C

    C(aspar) H(uberinus)

  6. D

    I R4)

  7. E

    · M(ein) · H(err)5) ·

  8. F

    · HB6) ·

Versmaß: Prosa in Reimversen (B).

Wappen:
Huberinus7.

Kommentar

Das Schriftbild der Kapitalis ist unruhig. Dafür mitverantwortlich ist ein ausgeprägter, allerdings nicht einheitlicher Strichstärkenwechsel, der vor allem die Senkrechten betont. Die Schrägschäfte sind zum freien Ende hin keilförmig verdickt. Die Sporen sind an den Balken- und Bogenenden zumeist zu kräftigen Dreiecken geformt. Die Cauda des R ist mit markanter Krümmung s-förmig geschwungen. I-Punkte kommen häufig, aber nicht regelmäßig vor. Die Worttrenner-Quadrangel weisen gelegentlich oben und unten angesetzte Zierhäkchen auf. Besonders auffällig sind neben den geschwungenen Kürzungsstrichen die aus Buchstaben der Gotischen Majuskel abgeleiteten Versalien am Beginn der Inschriften (A) und (B). Die unten auf der Platte angebrachten, in Nexus litterarum verbundenen Initialen HB bezeichnen vermutlich den Steinmetzen8.

Format und Maße des Grabmals sprechen eher für eine ursprüngliche Verwendung als Grabplatte; Abtretungsspuren sind allerdings nicht festzustellen. Im 18. Jahrhundert befand sich der Stein jedenfalls bereits an seinem jetzigen Standort in der Wand.

Kaspar Huber(inus) ist 1500 in der Nähe von Augsburg geboren9. Nach seinem Studium in Wittenberg (imm. 1522) wirkte er ab 1525 – ohne Kirchenamt – in Augsburg als Parteigänger Luthers, 1535 war er an der Vorbereitung der Wittenberger Konkordie beteiligt. Im selben Jahr wurde er Diaconus an Heiligkreuz in Augsburg, 1537 an der Augsburger Dompfarrei und 1542 schließlich Pfarrer an St. Georg und St. Stephan. 1544 beriefen ihn die Grafen Albrecht und Georg von Hohenlohe an die Öhringer Stiftskirche, wo er – nicht ohne Widerstände – als erster evangelischer Prediger wirkte. Die 1506 eingerichtete Prädikatur war zuvor lange Zeit unbesetzt gewesen. Berufungen nach Stuttgart, Rothenburg ob der Tauber und Nördlingen, die Huberinus ablehnte, versetzten ihn in die Lage, den Grafen 1546 die Reformation des Gottesdienstes und der Lateinschule in Öhringen sowie die Berufung eines evangelischen Pfarrers und eines Schulmeisters abzutrotzen. Zum Interim nahm er eine nachgiebige Haltung an, was ihm erhebliche Kritik aus dem protestantischen Lager einbrachte. Als einer der führenden Interimsgeistlichen wurde er auf Wunsch des Kaisers 1551 auf die Augsburger St.-Anna-Pfarrei berufen, kehrte aber schon im April 1552 nach Öhringen zurück, wo er im darauffolgenden Jahr starb. Er war verheiratet mit der vormaligen Benediktinernonne Afra Seld, einer Tochter des bedeutenden Augsburger Goldschmieds Jörg II. Seld († 1527) und einer Schwester des späteren Reichshofrats und Reichsvizekanzlers Georg Sigismund Seld. Huberinus’ Sohn David (1540–1590) wurde der erste evangelische Superintendent des Stifts Verden.

Huberinus verfaßte und veröffentlichte zahlreiche und weit verbreitete theologische Schriften, vornehmlich Predigten, Katechismen und theologische Volksliteratur10. Besonders erfolgreich war seine unter unterschiedlichen Titeln erschienene, erstmals 1529 veröffentlichte Trostschrift für Kranke und Sterbende. Die Versinschrift (B) hat Huberinus selbst anläßlich seines 50. Geburtstags verfaßt; sie ist zusammen mit einer lateinischen Fassung erstmals in der 1552 in Nürnberg gedruckten Schrift „Zehenerley Kurtze Form zu Predigen“ veröffentlicht worden11.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstabe als vergrößerter Versal, Form aus der Gotischen Majuskel abgeleitet.
  2. Bogen des ersten O in der linken Hälfte gebrochen, Form offenbar aus einem Frakturversal abgeleitet; zweites O verkleinert unter den Balken des T geschoben; Suspensionskürzung durch Doppelpunkt.
  3. Drei ins Dreieck gestellte Quadrangel.
  4. Drei übereinandergestellte Quadrangel.
  5. Als Schlußzeichen und zugleich als Zeilenfüller fünf schrägkreuzweise angeordnete Quadrangel, der mittlere zudem zu beiden Seiten von einer kurzen Wellenlinie begleitet.
  6. Suspensionskürzung durch Doppelpunkt und zusätzlich durch einen langen, oben eingerollten Haken.

Anmerkungen

  1. Die Fortsetzung der Inschrift im Feld in etwas kleinerem Schriftgrad.
  2. Erste Zeile deutlich größer als die beiden folgenden.
  3. Zu dem Spruch vgl. den Kommentar mit Anm. 11.
  4. Eine befriedigende eindeutige Auflösung der Initialen ist nicht gelungen. Birkenstock 31 erwägt (nach Maisch, vgl. unten) eine Zusammengehörigkeit der Initialenpaare (C) und (D) und schlägt als Lesung I(esus) R(ex) M(ein) H(err) vor; ebenso Franz, Grabschrift (wie unten) 139. Die Deutung hat einiges für sich, wenngleich sich die ersten beiden Buchstaben im Wappenschild befinden, während die Buchstaben M H außerhalb des Schilds stehen und erheblich größer ausgeführt sind. Die Buchstaben IR lassen sich auch zusammen mit den Nameninitialen Huberinus’ im Uhrzeigersinn als CHRI(STE) lesen, so daß die Inschriften (C), (D) und (E) zusammen Christe, mein Herr ergeben.
  5. Die Auflösung dieses Initialenpaars dürfte angesichts des Wortlauts der nachfolgenden Inschrift (B2) gesichert sein.
  6. Steinmetzsignatur? Nach Knoblauch II/1, 303 Anm. 2 „vielleicht der Meister des Stiftsamtshauses von 1554 Hans Bruckner“.
  7. Trinitätssymbol (Marke nr. M2: Dreieck, dessen untere Seitenlinie innen mit einem Kreuzchen besetzt ist), unten begleitet von einer Krone; zu beiden Seiten der Marke die Initialen C H, zu beiden Seiten der Krone die Initialen I R. Das Zeichen verwendete Huberinus auch ohne Wappenschild in seinem Siegel sowie als Autorenmarke (mit der Devise SVMMA SAPIENTIA STVLTITIA als Umschrift) in einigen seiner gedruckten Werke, so erstmals 1537 in der in Augsburg erschienenen Schrift „Vom Waren erkendtnuß Gottes“; vgl. Franz, Grabschrift (wie unten) 140f.
  8. Vgl. Anm. 6.
  9. Zu den biographischen Daten vgl. Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 197 Nr. 1157; ausführlich ferner: Gunther Franz, Kaspar Huberinus. Der Öhringer Reformator als international bekannter Erfolgsautor, in: WFr 59 (1975) 26–51; ders., Kaspar Huberinus (1500–1553), in: Öhringen. Stadt u. Stift 532–534; ders., Die Reformation in Öhringen und die Aufhebung des Stifts, ebd. 103–116, hier: 104–112; ders., Kaspar Huberinus und die Reformation in Hohenlohe, in: Reformationsgeschichte Württembergs in Porträts, hg. v. Siegfried Hermle, Holzgerlingen 1999, 344–362.
  10. Knappe Werkübersicht in Pfarrerbuch Württ. Franken 2, 197 Nr. 1157; ausführliche Bibliographie in Gunther Franz, Huberinus, Rhegius, Holbein, Nieuwkoop 1973.
  11. Bl. CCCXXVIv–CCCXXVIIr; vgl. dazu und zur weiteren Verbreitung dieses „Epitaphiums“ ausführlich Franz, Grabschrift (wie unten) 139f. Vgl. auch bereits den Hinweis in Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 381. Die etwas abweichende lateinische Fassung lautet: EPITAPHIVM . Casparis Huberini . / PECCATOR . Natus . Vixi . Mortuus . / CHRISTE . Renoua . Condona . Resuscita . / HVBERINVM . Conserua . Clarifica . Beatifica .

Nachweise

  1. Johann Christian Wibel, Zuverläßige Nachricht von weyl. Caspar. Huberino, in: Fortgesezte nüzliche Anmerckungen über allerhand Materien aus der Theologie, Kirchen- und Gelehrten-Historie, Bd. 2, 16. Sammlung, Weimar 1743, 335–349, hier: 345.
  2. Ders., Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 381.
  3. Fischer I, 155 (nur erwähnt).
  4. Maisch, Aus dem Werk früherer Heimatforscher (KrAHK, Manuskriptenslg. 10. 11. 10) 9f.
  5. Ders., St. Anna-Kirche (m. Abb.).
  6. Karl Schumm, Grabmale berühmter Männer in Hohenlohe, in: Hohenloher Chronik 2 (1954) Nr. 10, 1–3, hier: 2.
  7. Birkenstock 30f., Nr. 34.
  8. Gunther Franz, Grabschrift und Wappen des Theologen Caspar Huberinus in seinen Schriften, in: Gutenberg-Jb. 1971, 138–143, hier: 139 (m. Abb.).
  9. Ders., Kaspar Huberinus…, in: WFr 59 (1975) (wie Anm. 9) 33 (nur B–E).
  10. Öhringen. Stadt u. Stift, Abb. 82.
  11. Franz, Vom Chorherrenstift 56 (Abb.).
  12. Knoblauch II/1, 303.
  13. Gunther Franz, Kaspar Huberinus und die Reformation in Hohenlohe, in: Reformationsgeschichte Württembergs in Porträts, hg. v. Siegfried Hermle, Holzgerlingen 1999, 344–362, hier: 359 (nur B).
  14. Erdmann, Diareihe St. Anna-Kapelle 8.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 276 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0027601.