Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 226 Kloster Schöntal (Gde. Schöntal), Kloster, kath. Pfarrkirche St. Joseph (ehem. Klosterkirche) 1535

Beschreibung

Grabplatte des Abts Erhard Öser. Innen an der Südwand des südlichen Seitenschiffs, vierter Stein von Westen. Ursprünglich im Boden des Kapitelsaals als vierte Grabplatte vom Abtschor aus1, vor dem Abtssitz2 im Zuge des barocken Kirchenneubaus vor 1717 (Weihe der Kirche) am jetzigen Standort auf einem Sockel aufgerichtet, der mit einer von Abt Knittel verfaßten Versinschrift versehen wurde3. Sandstein. Eingehauene Umschrift zwischen erhabenen Leisten, unten in der Mitte durch einen Wappenschild unterbrochen; im Feld in flachem Relief die Darstellung des Abtes in der Kukulle, mit Mitra und Pontifikalhandschuhen, in der Rechten den Krummstab haltend, die Linke auf die Brust gelegt. Die Mitra ragt, die Umschrift unterbrechend, in die obere Schriftleiste hinein. Links unten im Feld Stz. nr. 1a. Das Mittelband der Inschrift ist vorgeritzt. Ränder bestoßen, Nase der Figur verstümmelt. Schrift mit grauer Farbe nachgezogen.

Siehe Lageplan.

Maße: L. 201, B. 99,5, Bu. 6,4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Kapitalisversalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/1]

  1. Anno · dom(in)i // · 1535 · / Terciodecimo Kalendas Iulij obijt Reuerendus In chr(ist)o pater / et d(omi)n(u)s // Erhardus / Abbas huius mo(na)sterij cuius anima requiescat In pace · am(en) ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1535 am 13. Tag vor den Kalenden des Juli (19. Juni) starb der in Christo ehrwürdige Vater und Herr Erhard, Abt dieses Klosters. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Wappen:
Öser4.

Kommentar

Dem Steinmetzzeichen zufolge stammt das Bildrelief von der Hand des – sicherlich in Schöntal beheimateten – Steinmetzen, der ab 1465 zahlreiche Schöntaler Grabmäler geschaffen und zumeist auch signiert hat5. Die Schrift ist aber völlig anders. Der Kanon der Textura ist stark aufgelockert, was sich vorweg in der Ausrundung einzelner Bögen (p, Schluß-s) bemerkbar macht. Die Oberlängen von b, h und l sind nach rechts oben spitz ausgezogen, b und h besitzen zudem am Schaft in Höhe der Oberlinie des Mittelbandes einen aus dem Anstrich abzuleitenden Dorn. Am Schaft des q findet sich ein entsprechender Dorn rechts unten in Höhe der Grundlinie. Der obere Bogenabschnitt des c und die Fahne des langen s sind waagerecht umgebrochen. Über u ist regelmäßig als diakritisches Zeichen ein asymmetrischer runder Haken gesetzt. Die schlichten Versalien entstammen ausnahmslos dem Kapitalis-Alphabet. Der rechte Schaft des A steht senkrecht. Der Befund läßt sich wohl nur so erklären, daß der signierende Steinmetz nur das Bildrelief geschaffen hat und den Rand für die Beschriftung zunächst komplett frei ließ. Die Grabplatte dürfte schon bald nach Amtsantritt des Abts Erhard 1511 in Auftrag gegeben worden sein, da der bis dahin fast ausnahmslos für die Schöntaler Abtsgrabplatten zuständige Steinmetz bereits für die Grabmäler der 1514 und 1517 verstorbenen resignierten Äbte Johannes und Georg (vgl. nrr. 181, 196) nicht mehr zur Verfügung stand, also wohl 1514 bereits verstorben war. Gegenüber dem frühesten erhaltenen Werk des Steinmetzen, der Grabplatte für den 1465 verstorbenen Abt Simon (nr. 67), ist – bei grundsätzlich identischem Bildaufbau – eine deutliche Weiterentwicklung des bildhauerischen Könnens festzustellen. Die von anderer Hand geschaffene Abtsfigur auf der von unserem Steinmetzen lediglich beschrifteten Grabplatte des Abts Bernhard († 1486, nr. 99) diente bei dem vorliegenden Grabmal ganz offensichtlich als Vorbild für das Gesicht und für die Gestaltung der Gewandfalten. Das Steinmetzzeichen kann somit für die Inschrift von 1535 nicht in Anspruch genommen werden6.

Erhard Öser aus Möckmühl wurde 1511 Propst des Schöntaler Hofs in Mergentheim und noch im selben Jahr Abt von Schöntal7. In seine Amtszeit fällt die Verwüstung des Klosters während des Bauernkriegs, der unter anderem die Glasmalereien der Kirche und die Orgel zum Opfer fielen8.

Anmerkungen

  1. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 23r.
  2. Vgl. Kremer (WLB HB XV 68) p. 272 (fol. 138v neu): „in Capitulo ante sedem praesidis“.
  3. VEXABAT MULTUS . SUB ERHARDO CLAUSTRA TUMULT(US) / RUSTICA GENS NON FLENS / FUERAT TUNC PESSIMA GAUDENS.
  4. Boot, aus dem zwei schräggekreuzte Ruder hervorkommen.
  5. Vgl. Einl. 58.
  6. Die Schlußfolgerung Himmelhebers (Kdm. Künzelsau 340–342), alle Grabmäler mit diesem Stz. seien in derselben Werkstatt „um die Mitte des 16. Jahrhunderts“ entstanden, ist jedenfalls hinfällig.
  7. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 74v.
  8. Kdm. Künzelsau 272.

Nachweise

  1. Hebenstreit (StAL B 503 II Bü 10) p. 72.
  2. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 23v.
  3. OAB Künzelsau 781.
  4. Kdm. Künzelsau 342 (nur erwähnt).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 226 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0022601.