Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 73: Hohenlohekreis (2008)
Nr. 188 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche), Kreuzgang 1515, 1525
Beschreibung
Grabplatte der Barbara von Sindringen mit Nachbestattungsinschrift für einen 1525 Verstorbenen, vermutlich ihren Ehemann. Im Westflügel des Kreuzgangs zwischen den beiden mittleren Jochen im Boden; etwa in der Mitte durchgetrennt, die beiden Fragmente jetzt nebeneinander, aber nicht in der ursprünglichen Anordnung in den Fußboden eingelassen. Sandstein. Umlaufend zwischen Linien eingehauener Sterbevermerk (A); die zeilenweise eingehauene Nachbestattungsinschrift (B) nimmt nur etwas mehr als die obere Hälfte des Mittelfeldes ein. Abgetreten; Ausbrüche an den Rändern und entlang der Bruchkanten; im linken Teil der oberen Hälfte großflächige Oberflächenabwitterung (Schriftverlust). Merkwürdigerweise sind in diesem Bereich Reste von Buchstaben erhaben stehengeblieben, während der Schriftgrund ringsum stärker abgewittert ist1.
Maße: L. (Gesamt) ca. 183, B. 91, Bu. 7,5–8,4 (A), 5,5–6,5 cm (B). .
Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis
- A
ANNO · D(OMI)NI · M · C · C · C · C · C · xV · / · AM · FREITAG · NACH · RE[M]INISCERE · STARB · DIE / ERBAR · FRAWE · BARRARAa) / · VON · SINDRING(EN)b) · Ḍ[. . . .] SALWẸc) · Ḥ[AVSF]ṚAWd) · D(ER) · G(OTT) · G(NAD)
- B
ANNO · DOMINI · / 15 · 25 · DEN · /e) [· 5̣ DECE]M BRISf) · / S[TARB · DER · E]RBARg) / [– – –]h) / DEM · GOT · GENAD ·
Datum: 9. März 1515.
Textkritischer Apparat
- Sic! Die Cauda des zweiten R überschneidet den linken Schrägschaft des A.
- Als Suspensionskürzungszeichen ein rechtsschräger, oben in einem großen Quadrangel endender Strich, der die senkrechte Cauda des G durchschneidet.
- Buchstabenreste jetzt erhaben; vgl. Beschreibung des Inschriftenträgers. Die Genitivform des hier zu erwartenden Namens des Ehemannes erfordert wohl einen Kürzungsstrich über dem abschließenden E, so daß vermutlich SALWE(N) zu lesen ist.
- Buchstabenreste jetzt erhaben (wie Anm. c).
- Danach ein sehr großer Abstand von etwa vier leeren Zeilen. Möglicherweise befand sich hier ursprünglich eine – später gründlich abgearbeitete (?) – Wappendarstellung, der die Inschrift ausweichen mußte.
- Falsche Worttrennung. Ergänzung nach Foto von etwa 1970 (Fotokartei der Inschriftenkommission der Heidelberger Akademie der Wissenschaften).
- Ergänzung nach üblichem Formular. Von dem Wort DER sind die obersten Buchstabenabschnitte noch schwach zu erkennen.
- Gesamte Zeile durch die Bruchkante restlos zerstört.
Anmerkungen
- Der Befund ist vielleicht dadurch zu erklären, daß sich die Struktur des Steins im Bereich der Schriftkerben, wo er mit dem Meißel bearbeitet wurde, verändert hat und dadurch gegen die Abwitterung resistenter wurde. Mir sind bislang keine Parallelen für dieses Phänomen bekannt.
- Vgl. Alberti 735. Einige Angehörige des Geschlechts benannten sich auch nach Ottersbach, einer beim Schleierhof (Muthof, Stadt Forchtenberg) gelegenen Wüstung, zu; vgl. Tilman Mittelstrass, Die Ritter und Edelknechte von Hettingen, Hainstadt, Buchen und Dürn. Niederadelige Personengruppen im Bauland und Kraichgau (Zwischen Neckar und Main 26), Buchen 1991, 247 (Register). Ein Hermann von Sindringen war 1493 Schultheiß in Öhringen; vgl. Taddey, Öhringen im späten Mittelalter 65.
- Vgl. DI 54 (Mergentheim), Einl. XLI.
Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 188 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0018806.
Kommentar
Inschrift (A) zeigt die für die Frühhumanistische Kapitalis charakteristischen schmalen Proportionen. Etwas breiter sind lediglich das unziale (unten spitze) D, das G mit senkrechter, rechtwinklig nach innen geknickter Cauda und das S, sofern es am Wortanfang steht. Das trapezförmige A hat einen sehr kurzen, nur nach links überstehenden Deckbalken. Neben dem äußerst schmalen kapitalen E kommt die zweibogige Doppelform vor. D besitzt eine kapitale Doppelform mit verkürztem Schaft und waagerecht auf der Grundlinie verlaufendem unteren Bogenabschnitt. Die Schäfte des M stehen senkrecht, der Mittelteil reicht nur bis zur Zeilenmitte hinab, O ist spitzoval. P und R haben einen winzigen Bogen. Für die Jahreszahl ist als Fremdform für das Zehner-Zahlzeichen ein x der Gotischen Minuskel verwendet. Die Worttrenner-Quadrangel sind zumindest teilweise, soweit sich das noch erkennen läßt, paragraphzeichenförmig verziert. Die auffällige Verwendung von Elementen der Gotischen Minuskel sowie einige charakteristische Einzelformen verbinden die vorliegende Inschrift mit einer 1510 ausgeführten Öhringer Inschrift (nr. 172), die von demselben Steinmetz angefertigt worden sein könnte.
Die Schriftformen der Nachbestattungsinschrift differieren etwas. Die Proportionen sind insgesamt breiter, und der Deckbalken des spitzen A steht beidseitig weit über. Der Schaft des offenen kapitalen D ist wesentlich kürzer als in Inschrift (A), und der Bogen ist auf der Grundlinie nicht gebrochen. Die beiden Bögen des zweibogigen E überschneiden sich. Angesichts dieser Unterschiede dürfte der Nachtrag von anderer Hand ausgeführt worden sein, die vermutlich über zehn Jahre später auch die Inschriften nrr. 231 und 310 geschaffen hat.
Die 1515 Verstorbene gehörte offenbar einem bislang 1479 zuletzt nachweisbaren nach Sindringen zubenannten Niederadelsgeschlecht an, das mit den von Maienfels stammgleich war2. Das Epitheton erbar anstelle von edel muß dem nicht widersprechen, es war in der fränkischen Ritterschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts durchaus üblich3. Der Name von Barbaras (bürgerlichem?) Mann ist nicht mehr vollständig zu entziffern.