Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 172 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche) 1510

Beschreibung

Wandnischengewände. Innen an der Nordwand der Nordsakristei unter dem Treppenaufgang1. Quadratische Wandnische mit Gewände aus rotem Sandstein. Im Sturz, dessen Oberfläche durch schräge Scharrierung geglättet ist, die eingehauene Inschrift. Gewände mit hellbrauner Steinfarbe gestrichen, die Schriftzeichen mit schwarzer Farbe ausgemalt. Die Nische ist mit einer Eisentür verschlossen.

Siehe Lageplan.

Maße: H. (Gesamt) 101, (Werkstück) 12, B. 95, Bu. 5,2–5,8 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/2]

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Übersetzung:

Aufbewahrung des Gemeinen Brots.

Kommentar

Die Schrift ist sehr schmal proportioniert. Die freien Schaft-, Balken, und Bogenenden sind leicht keilförmig verbreitert und weisen keine Sporen auf. Die Schäfte von I, N und 1 sind dagegen eigenartigerweise in der Art der Gotischen Minuskel an beiden Enden, der Schaft des P nur am unteren Ende gebrochen. A hat einen geknickten Mittelbalken, E ist zweibogig, O spitzoval, R hat einen sehr kleinen, unten offenen Bogen und eine lange, steile Cauda. Der Bogen des P ist oben offen. Das als Versal abweichend gestaltete R am Beginn der Inschrift greift auf den Formenschatz der Gotischen Majuskel zurück und ist deutlich breiter als die übrigen Buchstaben, gleichwohl aber in derselben Strichstärke eingehauen. So ist die Bogenschwellung der Cauda – wie auch der Halbnodus links am Schaft – nur in Kontur ausgeführt. Der Schaft trägt lange Sporen. Als Worttrenner dienen paragraphzeichenförmig verzierte Quadrangel. Eng verwandt ist die Schrift einer Öhringer Grabplatte von 1515 (nr. 188), die vom selben Steinmetz gefertigt worden sein könnte.

Die Stiftung des „Gemeinen Brots“ erfolgte 1371 und diente der Verbesserung des Lebensunterhalts der Öhringer Kanoniker2. Das Anfangskapital wurde von Kraft III. von Hohenlohe, seiner Frau Anna von Leuchtenberg, Dekan und Kapitel und weiteren niederadeligen und bürgerlichen Stiftern zusammengebracht. Die Stifter von Jahrzeiten erhielten das Recht der Bestattung im Kreuzgang der Stiftskirche, und das Kapitel verpflichtete sich zu wöchentlichen Vigil- und Seelmeßfeiern sowie zum Abhalten der Jahrzeiten. Im Gegenzug wurde dreimal in der Woche von dem gestifteten Geld und aus dem gestifteten Getreide Brot gebacken und an die Stiftsherren, an die Stiftsvikare und an den Pfarrer verteilt. Die Verwaltung des Gemeinen Brotes besorgte ein eigens aus den Reihen des Kapitels bestellter Brotmeister, und zur Dokumentation der Stiftungen wurde ein Brotseelbuch angelegt. Die inschriftlich bezeichnete verschließbare Wandnische diente zur Aufbewahrung der von Kraft III. von Hohenlohe besiegelten Stiftungsurkunde von 1371, vielleicht auch zur Aufbewahrung des Brotseelbuchs.

Anmerkungen

  1. Zum Bau der Treppe vgl. Knoblauch I/1, 448.
  2. Vgl. ausführlich Fischer, Beiträge 194ff.; Boger, Stiftskirche Öhringen 53–55; zuletzt knapp Sodeik, Chorherrenstift (wie unten) 84f.

Nachweise

  1. HZAN GA 55 (Nachlaß Albrecht) IX. Bü. 272 (Öhringen Stiftskirche): Abzeichnung, ohne Standortangabe.
  2. Albrecht, Stiftskirche Oehringen 30.
  3. OAB Öhringen 105 (ohne Jahreszahl).
  4. Fischer, Beiträge 196.
  5. Boger, Stiftskirche Öhringen 63.
  6. Knoblauch I/1, 314, 381.
  7. Heinz Sodeik, Das Chorherrenstift Öhringen, in: Öhringen. Stadt u. Stift 80–87, hier: 85.
  8. Öhringen. Stadt u. Stift, Abb. 55.
  9. Erdmann, Stiftskirche Öhringen 30.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 172 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0017208.