Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 100 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche) 1487

Beschreibung

Grabplatte des Chorherrn Johann Eisenhut. Ursprünglicher Standort unbekannt; vermutlich seit 1702 in der nördlichen Seitenkapelle der Krypta im Boden1. Sandsteinplatte mit Messingauflagen. Rahmenleisten mit erhaben gegossener Umschrift zwischen schmalen Randstegen, in den Ecken unterbrochen durch Darstellungen der vier Evangelistensymbole in spitz verkröpften Dreipässen2; im Feld ein Kelch über einem Wappenschild. Stark verschmutzt. Von den Schriftleisten sind drei Stücke (obere Hälfte der rechten Längsseite und beide Hälften der linken Längsseite) ausgebrochen, am linken Rand wurden die verbliebenen Vertiefungen mit Zementmörtel zugestrichen.

Siehe Lageplan.

Maße: L. 193, B. 105, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/8]

  1. Anno · d(omi)ni · m° · cccc° · lxxxvij · vi° · / [– – – venerabi]lisa) · d(omi)n(u)s · iohannes · ysennhut · olim · / senior · et · custos · (et)c(etera) · hui(us) · / [ecclesie – – –]b)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1487 am 6. (… starb) der ehrwürdige Herr Johann Eisenhut, einst Senior und Custos usw. dieser Kirche (…).

Wappen:
Eisenhut3.

Kommentar

Die sehr regelmäßigen Minuskeln weisen keine charakteristischen Besonderheiten auf. Zu erwähnen ist allenfalls das hakenförmig nach rechts umgebogene Ende des unter die Grundlinie verlängerten Bogens des h; das untere Ende der j longa ist analog dazu gestaltet. Der Versal am Beginn der Inschrift ist eine breite pseudounziale A-Lombarde mit verdoppeltem linken Schrägschaft, der eine kräftige Schwellung aufweist, und mit geschwungenem Mittelbalken. Der Buchstabe ist unten durch einen Abschlußstrich geschlossen. Der Kürzungsstrich über dni ist nach oben gewölbt und nach links hin keilförmig verbreitert. Die Form des Versals und des Kürzungszeichens deutet auf eine Entstehung der Metallteile in der Nürnberger Vischer-Werkstatt hin4.

Der Kleriker entstammt einem in Hall und Öhringen ansässigen Bürgergeschlecht, das sich auch nach Braunsbach (Lkr. Schwäbisch Hall) und Enningen (Burg bei Braunsbach) zubenannte, das auch mit niederadeligen Geschlechtern verschwägert5 und das mit mehreren Chorherren im Öhringer Stift vertreten war.

Textkritischer Apparat

  1. Halbe rechte Randleiste ausgebrochen.
  2. Linke Randleiste zerstört; im 19. Jh. war offenbar noch ein Stück erhalten: eccles[– – –] HZAN GA 55 IX. Bü 272.

Anmerkungen

  1. 1885 von Boger, Stiftskirche Öhringen 64 an dieser Stelle bezeugt: „Die Untersuchung der Grabplatten auf dem Fussboden der Kapelle ist wegen der Menge der darin aufgestellten Särge unthunlich, die einzige Grabplatte, die zugänglich war, zeigte das Datum 1487; daran war ein Kreuz und in den Ecken die 4 Evangelisten und das Eisenhut’sche Wappen zu erkennen“. Die Grabplatte ist – ohne Standortangabe – beschrieben in HZAN GA 55 (Nachlaß Albrecht) IX. Bü 272 (Öhringen Stiftskirche). Die Platte liegt quer im Eingangsbereich des Raums, der seit 1702 als Begräbnis für das Haus Hohenlohe dient und in dem zahlreiche Särge aufgestellt sind. Wahrscheinlich wurde die Platte seinerzeit als Bodenbelag für die neue Nutzung des Raums hierher verlegt. Auch an dieser Stelle möchte ich mich nochmals herzlich bedanken bei Herrn Mesner Hermann Wagner für seine freundliche Unterstützung bei der ungemütlichen Inspizierung des zuvor viele Jahre verschlossenen Raums und bei der Säuberung der Grabplatte.
  2. Anordnung: oben Adler und Löwe, unten Engel und Stier. Alle vier Wesen halten Schriftbänder, auf denen aber keine Inschriften erkennbar sind.
  3. Eisenhut mit Halsriemen; vgl. Alberti 158.
  4. Vgl. z. B. die sehr ähnlichen Schriftformen auf der Grabplatte des Meißener Domherrn Heinrich Stercker von Mellrichstadt († 1483) im Dom zu Meißen: Die Grabmonumente im Dom zu Meißen, hg. v. Matthias Donath (Quellen und Materialien zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 1), Leipzig 2004, 353f. Nr. 122 (m. Abb.). Weiteres reiches Vergleichsmaterial bietet neuerdings Sven Hauschke, Die Grabdenkmäler der Nürnberger Vischer-Werkstatt (1453–1544) (Bronzegeräte des Mittelalters 6), Petersberg 2006. Besondere Ähnlichkeiten weist die Schrift auf dem um 1480 entstandenen Denkmal für die Bischöfe Hariolf und Erlolf in Ellwangen (Ostalbkreis) auf: ebd. 145 Taf. 1. Dieselbe Form des A-Versals u. a. auf dem vermutlich kurz vor 1490 hergestellten Epitaph für Ulrich II. von Rechberg in Donzdorf (Lkr. Göppingen); vgl. DI 41 (Göppingen) nr. 139 m. Abb. 69.
  5. Knappe Angaben in Alberti 158.

Nachweise

  1. HZAN GA 55 (Nachlaß Albrecht) IX. Bü 272 (Öhringen Stiftskirche).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 100 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0010002.