Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 91 Kloster Schöntal (Gde. Schöntal), Kloster, kath. Pfarrkirche St. Joseph (ehem. Klosterkirche) um 1470–80?

Beschreibung

Grabplatte des Abts Heinrich VI. Höfling († 1445). Innen an der Nordwand des nördlichen Seitenschiffs, erster Stein von Westen; ursprünglich im Boden des Kapitelsaals als fünfte Grabplatte vom Abtschor aus1; 1717 an den jetzigen Standort versetzt und auf einem Sockel aufgerichtet, der mit einer von Abt Knittel verfaßten Versinschrift versehen wurde2. Sandstein. Umschrift zwischen Ritzlinien; die linke Schriftleiste nur zur Hälfte ausgefüllt. Im Feld, teils in Ritzzeichnung, teils in sehr flachem Relief, ein senkrecht gestellter Krummstab, der von einem aus dem rechten Rand hervorkommenden rechten Arm gehalten wird und von einer Mitra überhöht ist; unten, hinter dem Stab, ein kleiner Wappenschild. In der linken unteren Ecke des Mittelfelds Stz. nr. 1. Für das Mittelband der Inschrift sind die Hilfslinien vorgeritzt. Schrift mit grauer Farbe unsachgemäß nachgezogen.

Siehe Lageplan.

Maße: L. 185, B. 75,5, Bu. 8,2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/2]

  1. Anno d(omi)ni · M cccc · / xlv · xij k(a)l(e)n(das) Junjia) Obijt d(omi)n(u)s heinricus abbas xv Jn Speciosa / valle cuius ani/ma requiescat Jn pace ·b)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1445 am 12. Tag vor den Kalenden des Juni (21. Mai) starb Herr Heinrich, der 15. Abt zu Schöntal. Seine Seele ruhe in Frieden.

Wappen:
Zisterzienserorden.

Kommentar

Die Schrifteigentümlichkeiten der schmal proportionierten Minuskel stimmen mit denen der übrigen Werke überein, die von dem mit Stz. nr. 1 signierenden Steinmetzen zwischen 1465 und etwa 1511 in Schöntal geschaffen wurden3. Über u ist häufig ein v-förmiges diakritisches Zeichen gesetzt, i hat meist den i-Punkt. Der zweite Schaft des v ist in einem Fall oben nicht gebrochen, sondern linksschräg geschnitten. Die breiten Versalien weisen auch in der vorliegenden Inschrift nur schwache Bogenschwellungen auf. Als Zierelemente werden Linienverdoppelungen (am geschwungenen Mittelbalken des A), Dornen und Halbnodi (beim kreisrund geschlossenen S) sowie zwei untereinandergesetzte Quadrangel (links am Schaft des J) eingesetzt.

Die Grabplatte ist demnach erst einige Jahrzehnte nach dem Tod des Abts Heinrich entstanden. In der Schriftgestaltung steht die Inschrift der auf der Grabplatte des 1468 verstorbenen Abts Johannes (nr. 71) am nächsten. Auch der Faltenwurf des Ärmels und die Form des Abtsstabs zeigen – abgesehen von der unterschiedlichen Technik (Ritzzeichnung bzw. Flachrelief) – weitgehende Parallelen. Da in der vorliegenden Inschrift auch noch die fehlerhafte Abtszählung vorkommt, auf die in den Sterbeinschriften seit 1486 verzichtet wird (vgl. nr. 99), wird man nicht fehlgehen, die Grabplatte des Abts Heinrich in zeitlicher Nähe zu der von 1468, jedenfalls aber vor 1486, anzusetzen. Der konkrete Anlaß für die Herstellung der Platte – sicherlich anstelle eines älteren, die Grabstelle des Abtes deckenden Steins – läßt sich nicht mehr ermitteln, doch dürfte ein Zusammenhang bestehen mit der ebenfalls nachträglichen Fertigung der Grabplatten für den 1371 verstorbenen Abt Konrad (nr. 90) und für Albrecht von Hohenlohe-Möckmühl (nr. 89).

Heinrich Höfling war ab 1425 Bursarius und Abt des Klosters Schöntal4. Er war der erste Schöntaler Abt, der nach der Privilegierung durch das Basler Konzil 1439 die Mitra tragen durfte5. Möglicherweise wurde mit der vorliegenden, diese Pontifikalienverleihung demonstrativ ins Bild setzenden Grabplatte eine schlichtere Platte (ohne Darstellung der Mitra?) ersetzt, die in den Augen von Abt und Konvent einige Jahre später dem neugewonnenen Status nicht mehr genügend Rechnung trug. Abt Heinrich wurde 1442 von König Friedrich III. zum Kaplan angenommen6.

Textkritischer Apparat

  1. Das zunächst vergessene zweite i in kleinerem Schriftgrad auf Zeilenmitte in den engen Zwischenraum zwischen j-longa und dem folgenden Wort eingefügt.
  2. Danach ein nachträglich aufgemaltes Ornament.

Anmerkungen

  1. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 23v.
  2. HENRICUM SENUM / MERITORUM PONDERE PLENUM / NEMO POSTPONAT, / QUIA PRIMUM MITRA CORONAT .
  3. Vgl. Einl. 58.
  4. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 70v.
  5. Vgl. OAB Künzelsau 798.
  6. Ebd.

Nachweise

  1. Kremer, Chronicon (WLB Cod. hist. F 422) p. 1471 (nur erwähnt).
  2. Hebenstreit (StAL B 503 II Bü 10) p. 71.
  3. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 23v.
  4. OAB Künzelsau 780.
  5. Kdm. Künzelsau 340 (nur erwähnt).
  6. Brümmer, Kunst u. Herrschaftsanspruch 169 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 91 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0009102.