Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 86 Kloster Schöntal (Gde. Schöntal), Kloster, Kreuzgang 1480

Beschreibung

Epitaph des Hans von Berlichingen des Älteren zu Schrozberg. Im Ostflügel des Kreuzgangs, siebter Stein von Norden; bis zur Neuanordnung der Grabmäler im Zuge des barocken Neubaus des Kreuzgangs 15. Epitaph von Norden1. Hochrechteckige Sandsteinplatte. Auf polygonal vorspringendem Standsockel die fast vollrunde, auf einem kauernden Löwen stehende Figur des Verstorbenen in Ganzharnisch mit Schaller. Die rechte Hand, die vielleicht eine Waffe (Fahnenlanze?) hielt, ist abgebrochen, die Linke ruht an der Parierstange des Schwerts. Heraldisch rechts oben in der Ecke ein Wappenschild, das zugehörige vollplastische Oberwappen über der linken Schulter des Ritters. Unten seitlich am Standsockel zwei weitere Wappenschilde, von denen der heraldisch rechte von dem Löwen gehalten wird. Die zwischen Ritzlinien eingehauene Inschrift läuft nur an der Kopfseite und den beiden Längsseiten um. Sie beginnt links oben und wird durch Helmzier und Helmdecken unterbrochen. Reste farbiger Fassung. Ränder bestoßen, Gesicht und Schaller der Figur verstümmelt, Schwert weitgehend zerstört.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 232, B. 92, Bu. 5,7–6,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/4]

  1. Anno · d(omi)ni · M · cccc //a) lxxx · am · freytag · vor · jnuocauit · starb · der · er(n)festb) · hans // · von · berlichingen · der · elter · czv · schroczberg · gesessen · den · got · genad · amen ·

Datum: 18. Februar 1480.

Wappen:
Berlichingen;
Seinsheim, Küchenmeister von Rothenburg2.

Kommentar

Die schmal proportionierte Minuskel ist kunstvoll gestaltet. Die Oberschäfte von b, h, l und t sind gespalten; Fahnen, Balken- und Bogenenden sind häufig mit eingerollten Haarstrichen verziert. Auch die Worttrenner-Quadrangel laufen nach oben und unten in eingerollte Zierlinien aus. Auffällig ist der leicht nach links durchgebogene Schaft des g und der charakteristisch gekrümmte Unterbogen, der links durch einen rechtsschrägen Haarstrich geschlossen ist. Der zweite Schaft des u ist oben nicht gebrochen, sondern rechtsschräg geschnitten. Der A-Versal basiert auf der pseudounzialen Form. Der mit starker Bogenschwellung versehene linke Schrägschaft wird innen von einer geraden Zierlinie begleitet, die bis unter die Grundlinie reicht und an der nach rechts der Mittelbalken ansetzt. Der Deckbalken steht links weit über, und alle Sporen sind zu eingerollten Zierlinien ausgezogen. Diese Schriftausprägung läßt sich bislang anderweitig nicht nachweisen. Allerdings liefert die figürliche Gestaltung Hinweise auf Werkstattzusammenhänge: Die Form des Standsockels sowie die Gestaltung des kauernden Löwen und die Haltung, in der er mit beiden Pranken den Seinsheimer Wappenschild umklammert, entspricht bis in Details derjenigen der beiden Löwen auf dem Würzburger Epitaph für den 1466 verstorbenen Bischof Johann III. von Grumbach3, das dem Würzburger Meister Linhard Remer4 zugeschrieben wird. Das ebenfalls von dessen Hand stammende Epitaph für Bischof Gottfried Schenk von Limpurg († 1455) zeigt ein Versal-A, das weitgehend mit dem auf dem Schöntaler Grabmal übereinstimmt5. Demnach könnte das Epitaph Hans’ von Berlichingen ein Spätwerk des Meisters sein, bei dem eine weiterentwickelte und stärker verzierte Minuskel als bei den Würzburger Denkmälern zum Einsatz kam. Eindeutig von derselben Hand ist schließlich m. E. das Epitaph für den 1481 verstorbenen Dietz Truchseß von Wetzhausen in der ev. Pfarrkirche zu Wetzhausen (Markt Stadtlauringen, Lkr. Schweinfurt), das in der Haltung und der Rüstung des Ritters bis in Einzelheiten Parallelen zum Schöntaler Grabmal zeigt, ebenso in der Haltung und Stilisierung des Löwen und der Form der Wappenschilde6. Jedenfalls besteht für das Epitaph Hans’ von Berlichingen weder vom stilistischen Befund noch von der Entwicklungsstufe der dargestellten Rüstung noch von den Schriftformen her ein Grund, es erst ins Ende des 15. Jahrhunderts zu rücken7. Die Gemeinsamkeiten mit den um diese Zeit gefertigten Schöntaler Berlichingen-Epitaphien (nrr. 119, 126) sind nicht so weitgehend, daß man auf eine zeitgleiche Entstehung in einer Serie schließen muß. Vielmehr deutet die Tatsache, daß hier ein anderes Wappen für die Küchenmeister von Rothenburg gewählt wurde als bei den ab 1497 entstandenen Berlichingen-Grabmälern (vgl. Anm. 2), darauf hin, daß das vorliegende Epitaph das früheste in dieser Reihe ist und somit durchaus um 1480 entstanden sein kann.

Zu Hans von Berlichingen vgl. seine Grabplatte (nr. 95).

Textkritischer Apparat

  1. Unterbrechung durch die Helmzier, danach Zeilenumbruch, der Beginn der rechten Schriftleiste wiederum verdeckt durch die Helmdecken.
  2. Ohne Kürzungszeichen.

Anmerkungen

  1. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 20v.
  2. Zwei Balken. Da das rechte Wappen (Seinsheim) das der väterlichen Großmutter ist, müßte hier das der Mutter (Küchenmeister von Rothenburg) stehen. Dieses zeigt jedoch auf den Schöntaler Epitaphien des ausgehenden 15. Jh. und des 16. Jh. stets den mit zwei Kolben besteckten Helm – ursprünglich das Oberwappen der Küchenmeister. Allerdings ist für die von Seldeneck und die Küchenmeister von Nordenberg, Zweige der Küchenmeister von Rothenburg, ein dreimal geteilter Schild bezeugt (vgl. u. a. Alberti 556; Schöler, Familienwappen, Taf. 4), der wohl hier – wenn auch nicht korrekt wiedergegeben – gemeint ist. Immerhin ist für die Küchenmeister von Wächtersbach, einem weiteren Zweig des Geschlechts, auch ein Zweibalkenwappen nachzuweisen; vgl. Schöler, Familienwappen, Taf. 5. Das Zweibalkenwappen erscheint in derselben Wappenanordnung und -kombination auch auf dem Schöntaler Epitaph für Hans’ Bruder Götz (nr. 98).
  3. DI 27 (Stadt Würzburg I) nr. 266 m. Abb. 73.
  4. Vgl. Thieme/Becker 32, 202 s. v. „Strohmeier (Strohmaier), Linhard“.
  5. DI 27 (Stadt Würzburg I) nr. 241 m. Abb. 70. Dasselbe A übrigens auch auf der Grabplatte der Margarethe Schmidt († 1456) im Mainfränkischen Museum Würzburg (ebd. nr. 243 m. Abb. 71), das auch aufgrund der übereinstimmenden Wappenformen Meister Linhard zuzuschreiben sein wird.
  6. Vgl. Bruhns, Grabplastik, Taf. I Abb. 1. Für einen Schriftvergleich reicht die Abb. nicht aus.
  7. So Kdm. Künzelsau 348f.

Nachweise

  1. Kremer (WLB HB XV 68) p. 219 (fol. 112r neu).
  2. Hebenstreit (StAL B 503 II Bü 10) p. 67.
  3. Müller/Stöcklein (WLB Cod. Don. 600) fol. 20v.
  4. Schönhuth, Grabdenkmale Berlichingen 450.
  5. Berlichingen-Rossach, Denkmale 297.
  6. Ders., Götz 724.
  7. Schönhuth, Burgen … Württembergs IV, 225.
  8. OAB Künzelsau 787.
  9. Köpchen 36f. (nur erwähnt).
  10. Meisinger, Taf. X Abb. 1.
  11. Kdm. Künzelsau 348f.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 86 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0008607.