Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 60 Öhringen, ev. Stadtkirche (ehem. Stiftskirche) 1454

Beschreibung

Steinquader mit Grundsteinlegungsinschrift. Außen am Strebepfeiler der Chornordwand, unmittelbar unter dem unteren Kaffgesims. Auf der Stirnseite des querrechteckigen Sandsteinquaders die in drei Zeilen eingehauene und von einer Ritzlinie rechteckig umrahmte Inschrift. Schrift vermutlich bei einer Restaurierung nachgehauen; untere Hälfte des linken Randes sowie der gesamte rechte Rand des Quaders modern ergänzt, dabei die ursprünglich rechts außerhalb des Schriftfelds eingehauenen Schriftzeichen in formaler Anlehnung an den ursprünglichen Befund neu ausgeführt1.

Siehe Lageplan.

Maße: H. 39, B. 91, Bu. 8,0–8,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Heilbronn [1/3]

  1. +a) Anno · d(omi)nib) · Mo ·c) cccc[o]d) / liiiio · an · dem · sontag · / letare · Jst ·e) der ·f) erst ·e) stein ·g) gele[gt]h)

Datum: 31. März 1454.

Kommentar

Die wuchtige Minuskel ist nicht sonderlich regelmäßig und mit leicht schwankender Zeilenführung und -höhe eingehauen. Während die Oberlängen nur unmerklich über den Mittellängenbereich hinausragen, ist die Unterlänge des g deutlich ausgeprägt. Das d und einmal sogar das lange s – hier mit waagerecht umgeknickter Fahne – sind ganz in den Mittellängenbereich eingezwängt. Der Schaft von l und t, einmal auch von Schaft-r, ist oben rechtsschräg geschnitten. Der Balken des e ist – von einer Ausnahme abgesehen – zu einem nach rechts hochgebogenen Häkchen umgebildet; analog dazu sind die Abstriche am oberen Bogenabschnitt des c, an der quadrangelförmigen Fahne des r und am Balken des t geformt. Die Buchstaben c und e sind dadurch völlig gleich. Der obere Bogen des a ist als s-förmig geschwungener Haarstrich in den oben offenen unteren Bogen hineingeführt. Besonders auffällig ist das sechseckige o, dessen Seiten keinen Strichstärkenwechsel aufweisen, sondern alle gleich breit sind. Die schlichten, etwas unförmigen Versalien sind fast völlig in den Mittellängenbereich eingefügt. Der mittlere Schaft des aus der Minuskelform abgeleiteten M hat einen Mittelbalken, der linke Schaft ist unten nach rechts eingerollt und weist oben keine Brechung auf. Als Worttrenner dienen Quadrangel, die zumeist oben und unten mit einem Zierhäkchen versehen sind.

Der spätromanische Bau der Öhringer Stiftskirche war im 15. Jahrhundert baufällig geworden. Nachdem auf Initiative des Stifts und der Grafen Kraft V. und Albrecht II. von Hohenlohe 1451, 1452 und 1453 Ablässe zur Finanzierung des Neubaus ausgeschrieben worden waren, wurde um 1453, vielleicht auch bereits etwas früher, mit der spätgotischen Neuanlage der Krypta begonnen, die um 1454 fertiggestellt war2. 1457 wurden drei Altäre in der Krypta geweiht3. Die vorliegende Grundsteinlegungsinschrift bezieht sich demnach auf die Errichtung des Hochchors, die offenbar schon vor der endgültigen Fertigstellung der Krypta in Angriff genommen wurde. Die Weihe des oberen Choraltars 1467 markiert den endgültigen Abschluß der Bauarbeiten am Chor4.

Textkritischer Apparat

  1. Tatzenkreuz, dessen Balken deutlich kürzer ist als der Schaft.
  2. Kürzungsstrich oberhalb der das Schriftfeld begrenzenden Ritzlinie.
  3. Der Worttrenner unter dem hochgestellten o, das die obere Zeilenhälfte ausfüllt, nach unten auf die Grundlinie verschoben und verkleinert.
  4. Das hochgestellte o ursprünglich außerhalb des Schriftrahmens; auf dem neu angesetzten Randstück wurde die Neuausführung des Schriftzeichens versäumt.
  5. Das Worttrennerquadrangel unter dem Balkenabstrich des t weit nach unten gerückt.
  6. Worttrenner klein und unter der Fahne des r nach unten verschoben.
  7. Winziger Worttrenner, nachträglich in den engen Buchstabenzwischenraum eingefügt.
  8. Die letzten beiden Buchstaben außerhalb des Schriftrahmens. Die auf dem angestückten Stein neu eingehauenen Buchstaben entsprechen zwar formal dem ursprünglichen Befund, sind aber viel zu breit ausgeführt und zu weit nach rechts vom Rest des Worts abgerückt.

Anmerkungen

  1. Vgl. zum ursprünglichen Befund die recht zuverlässige Abb. (Kupferstich) in Boger, Stiftskirche Öhringen 58 und Knoblauch I/2, Abb. 55 (Foto von vor 1970).
  2. Bauer, Stiftskirche Oehringen 270. Die erste erhaltene Baurechnung datiert vom Oktober 1453; vgl. Knoblauch, Baugeschichte d. Stiftskirche 91; ausführlich Knoblauch I/1, 299.
  3. Knoblauch I/1, 300; ders., Baugeschichte d. Stiftskirche 91.
  4. Ebd. 92.

Nachweise

  1. Baier, Monumenta (HZAN GA 10 Schubl. 2 Nr. 81), p. [14].
  2. Wibel, Hohenloh. Kyrchen- u. Reformations-Historie I, 50.
  3. HZAN GA 55 (Nachlaß Albrecht) IX. Bü 271 (Öhringen). = Knoblauch, Beschreibung Slevogt 176.
  4. HZAN GA 55 (Nachlaß Albrecht) IX. Bü 273: Hanselmann, Beschreibung der Stiftskirche zu Oehringen 1732 (Abschrift 1830), p. 11.
  5. Albrecht, Stiftskirche Oehringen 7; Abb. auf beiliegendem Kirchengrundriß.
  6. Denkmale des Alterthums 163.
  7. [H. Merz], Spaziergang durch die vornehmsten württembergischen Kirchen (Zweiter Gang, Forts.), in: Evang. Kirchenblatt zunächst für Württemberg 6 (1845) 542–548, hier: 544.
  8. OAB Öhringen 103.
  9. Boger, Stiftskirche Öhringen 58 (m. Abb.).
  10. Öhringer Heimatbuch 440 (nur erwähnt), Taf. 6 (Abb.).
  11. Elisabeth Grünenwald, Der Neubau der Stiftskirche wurde 1454 begonnen, in: Hohenloher Chronik 3 (1955) Nr. 9, 3f., hier: 3.
  12. Der Lkr. Öhringen 2, 23 (nur erwähnt).
  13. Knoblauch I/1, 299 Anm. 10; I/2, Abb. 55.
  14. Erdmann, Stiftskirche Öhringen 32.

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 60 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0006003.