Inschriftenkatalog: Hohenlohekreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 73: Hohenlohekreis (2008)

Nr. 32 Stuttgart, Landesmuseum Württemberg A. 15. Jh.?

Beschreibung

Halskette. Hausschmuck des Hohenlohischen Gesamthauses. In der Erbeinung von 1511 erstmals im Besitz des Hauses Hohenlohe als fester Bestandteil des in Neuenstein aufbewahrten Hausschatzes bezeugt1. Zuletzt im Hohenlohe-Museum in Schloß Neuenstein, seit 1984 als Leihgabe im Württembergischen Landesmuseum (Inv.-Nr. L 1984-352). Gold, Email, neun Saphire, Kameo. Die Kette besteht aus 16 abwechselnden Gliedern: zwischen acht großen Saphiren in Goldfassungen mit Blattwerkumrahmung befinden sich jeweils zwei ineinander verflochtene, kahle knorrige Zweige aus massivem Gold, das mit bläulich-grauem Email überzogen ist. Das Email ist mit goldenen Flämmchen bestreut, und auf jedes Glied sind fünf Buchstaben mit Goldfarbe aufgemalt. Die Buchstabenfolge ist auf allen Gliedern dieselbe2. Als Anhänger eine weiß-emaillierte Rose über dunkelgrün-emailliertem und mit goldenen Flammen gesprenkeltem Rosenzweig mit Blättern; die Rosenblüte belegt mit einem Narrenkopf im Profil (Kappe violett emailliert und mit einem Rubin besetzt, als Gesicht ein Kameo), der Rosenzweig belegt mit einem weiteren Saphir.

Maße: Dm. 36, Bu. 0,25 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. m h b n m

Kommentar

Die Oberlänge des h ist deutlicher als die des b gespalten, und der senkrechte Teil seines gebrochenen Bogens reicht weit unter die Grundlinie. Eine überzeugende Deutung der Inschrift – vermutlich einer abgekürzten Devise – ist bislang nicht gelungen3. Auch sind Herkunft und ursprüngliche Bestimmung der Halskette, bei der es sich wahrscheinlich um ein Werk der Pariser Hofkunst handelt, nach wie vor ungeklärt. Am plausibelsten erscheint allerdings eine von W. Fleischhauer erstmals erwogene Verbindung zum Hof der Grafen von Kleve4: Graf Adolf I. von Kleve († 1394) hatte 1381 mit 35 weiteren Herren und Rittern eine „Geselschap van den Gecken“ auf die Dauer von zwölf Jahren gegründet. Außer dem Stiftungsbrief fehlen weitere Nachrichten zu dieser ordensähnlichen Hofgesellschaft. 1393, demnach genau zwölf Jahre später und somit vermutlich als Nachfolgeorganisation der Geckengesellschaft, gründete Graf Adolf dann eine „Geselschap van den Rosenkrentzen“, über die freilich ebenfalls keine näheren Informationen vorliegen5. Rosen- und Narrensymbol der vorliegenden Kette passen recht gut in diesen Zusammenhang, und man könnte sich vorstellen, daß der Halsschmuck als Insigne des von den Ordensgesellen alljährlich zu wählenden „Königs“ getragen wurde. Trifft diese Vermutung über die Herkunft der Kette zu, könnte sie als Erbe über Graf Ulrich von Württemberg, der in erster Ehe mit einer Enkelin des Grafen Adolf von Kleve verheiratet war, und über Ulrichs Tochter Helena (aus dritter Ehe), die Gemahlin Krafts VI. von Hohenlohe, ans Haus Hohenlohe gelangt sein6.

Anmerkungen

  1. Hohenlohe-Waldenburg, Mittelalterliche Kleinodien (wie unten) 368: „… ein goldenes Halsband von köstlichen Saphirsteinen ersetzt, acht am Halsband und ein kleiner unten daran, mit einem Narrenkopf“.
  2. Das sechste Glied ist verkehrtherum eingehängt, so daß die Inschrift auf dem Kopf steht.
  3. H. H. Figge (wie unten) liefert zwar eine ansprechende Deutung der Symbolik der Kettenglieder, indem er die verdorrten, ineinander verschlungenen Zweige bzw. „Wurzeln“ mit den 16 Lastern des Paulusbriefs an die Galater und die neun Saphire mit den dort genannten neun Tugenden gleichsetzt (Gal 5, 19–23), seine Theorie zur Bedeutung der Inschriften – und somit auch die vermutete Verbindung zu Herzog Amadeus VIII. von Savoyen – ist freilich völlig abwegig und nicht nachzuvollziehen.
  4. Fleischhauer (wie unten) 48–55.
  5. Vgl. Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland. Ein systematisches Verzeichnis, hg. v. Holger Kruse, Werner Paravicini u. Andreas Ranft (Kieler Werkstücke D1), Frankfurt am Main (u. a.) 1991, 118–122, 170–173. Ebd. 172 allerdings eher zurückhaltend zu einem etwaigen Zusammenhang der beiden Gesellschaften mit dem Hausschmuck der Hohenlohe.
  6. Fleischhauer (wie unten) 57. Ebd. 58 zur zeitlichen Ansetzung der Kette; vgl. zustimmend dazu auch zuletzt R. Kahsnitz in Das Goldene Rößl (wie unten) 246, während die Kette in der früheren Literatur meist später datiert wird.

Nachweise

  1. Friedrich Karl [Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg], Mittelalterliche Kleinodien des Hohenlohischen Gesammthauses, in: Archiv für Hohenlohische Geschichte 2 (1870) 367–374, 2 Taf.; hier: 367–372, Taf. I (Abb.).
  2. Franconia sacra. Meisterwerke kirchlicher Kunst des Mittelalters in Franken. Jubiläums-Ausstellung zur 1200-Jahrfeier des Bistums und der Erhebung der Kiliansreliquien … im Mainfränkischen Museum Würzburg, München 1952, 68 Kat.-Nr. D 31, Abb. 57.
  3. Erich Steingräber, Alter Schmuck. Die Kunst des europäischen Schmuckes, München 1956, 62, 64f. Abb. 92f.
  4. Europäische Kunst um 1400. Achte Ausstellung unter den Auspizien des Europarates, Kunsthistorisches Museum Wien, Wien 1962, Kat.-Nr. 451 (m. Abb.).
  5. W. Wieland, Des Hauses Hohenlohe kostbarstes Kleinod. Der mittelalterliche Familienschmuck wird auf einer europäischen Kunstausstellung gezeigt, in: Hohenloher Chronik 9 (1962) Nr. 6, 1 (m. Abb.).
  6. Theodor Müller/Erich Steingräber, Die französische Goldemailplastik um 1400, in: Münchner Jb. der bildenden Kunst 3. F. 5 (1954) 29–79, hier: 58f. (Abb.), 75 Nr. 21.
  7. Marie-Madeleine Gauthier, Emaux du moyen âge occidental, Fribourg 21973, 300f. (m. Abb.).
  8. Werner Fleischhauer, Zur Kette mit dem Narrenkopf in der Rose des Hohenlohischen Fürstenhauses, in: ZWLG 37 (1978) 46–59 (m. Abb.).
  9. Eva Kovačs, L’orfèvrerie parisienne et ses sources (Problèmes de style autour de 1400, 1), in: Revue de l’art 28 (1975) 25–33, hier: 31f., Abb. 10f.
  10. Werner Mezger, Hofnarren im Mittelalter. Vom tieferen Sinn eines seltsamen Amts, Konstanz 1981, 35–38 (m. Abb.).
  11. Horst H. Figge, Der Hausschmuck der Hohenlohe, in: WFr 67 (1983) 31–44.
  12. Françoise Autrand, Charles VI. La folie du roi, Paris 1986, nach 576 (Abb.).
  13. Taddey, Kostbarkeiten [o. S.zählung] (m. Abb.).
  14. Das Goldene Rößl. Ein Meisterwerk der Pariser Hofkunst um 1400, hg. v. Reinhold Baumstark, München 1995, 246–248 (Rainer Kahsnitz), (m. Abb.).

Zitierhinweis:
DI 73, Hohenlohekreis, Nr. 32 (Harald Drös), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di073h016k0003209.