Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 661 St. Michaelis 1623

Beschreibung

Epitaph für die Eheleute Otto von Bothmer und Adelheid von Stöckheim. Stein, farbig gefaßt. Das Epitaph stammt aus der Martinikirche und wurde beim Umzug der Martinigemeinde 1857 in die Michaeliskirche mitgenommen. Es befindet sich an der Westwand des nordwestlichen Querhauses. Teile des Epitaphs sind im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Im Hauptgeschoß des Epitaphs im Vordergrund in vollplastischen Figuren kniend die verstorbenen Eheleute und vier Söhne.1) Im Hintergrund im Hochrelief Christus vor Maria Magdalena, darüber in einer Kartusche die gemalte Inschrift A. Links und rechts in zwei Nischen Fides (mit Kreuz), die rechte Figur, wahrscheinlich eine weitere Tugend, ist nicht zu identifizieren. Links und rechts außen Fortitudo und eine weibliche Figur, die einen Kranz in der Hand hält. Das in Form einer Ädikula gestaltete Obergeschoß zeigte im Relief Christus am Kreuz mit heute nur in der oberen Hälfte erhaltenem Titulus (B). Unter dem Kreuz Maria Magdalena, Johannes und Maria. Bis auf Maria Magdalena fehlen heute sämtliche Figuren der Kreuzigungsgruppe. Links und rechts neben der Kreuzigung zwei stehende Engel mit den Leidenswerkzeugen (?), darüber zwei weitere Engel, der eine hält das Schweißtuch mit dem Antlitz Christi. Links und rechts außen zwei weitere Tugenden, die linke Figur ist nicht zu identifizieren, rechts die Sanftmut (Mansuetudo) in Gestalt eines Hirten. Auf dem Giebel Christus als Erlöser. Er steht auf einem Sockel mit einer Darstellung des Jona, nachdem ihn der Wal ausgespien hat. Links und rechts davon Personifikationen des Lebens und des Todes (Skelett). Links außen ein Putto mit einer Leiter, rechts ein weiterer Putto. Im Untergeschoß des Epitaphs zwei sechzehnteilige Ahnenproben,2) die heute bis auf die Mitteltafel mit den Wappen Bothmer und Stöckheim zerstört sind. Älteren Abbildungen zufolge befanden sich im Feld links davon in zwei Reihen acht Wappen, darunter in einer Reihe weitere sieben. Im Feld rechts von der Mitteltafel acht Wappen in zwei Reihen, darunter eine weitere Reihe mit sieben Wappen. Die Wappen waren mit den Beischriften E versehen, die jeweils auf Schriftbändern unterhalb der Wappenschilde angebracht waren. Sie sind auch auf den älteren Photographien nur noch vereinzelt lesbar.3) Den unteren Abschluß des Epitaphs bilden drei Kartuschen, in der mittleren, von zwei sitzenden weiblichen Figuren gehaltenen, sind die Inschriften C zwischen vorgezogenen Linien aufgemalt. Sie sind ebenso wie die Wappenbeischriften im 19. oder 20. Jahrhundert erneuert worden. Die beiden äußeren Kartuschen sind leer. Unterhalb der mittleren Kartusche befand sich ursprünglich eine weitere heute fehlende Kartusche mit Inschrift D.

Wappenbeischriften und Inschrift D nach Photo NLD, C nach heutigem Befund.

Maße: H.: ca. 570 cm; B.: ca. 350 cm; Bu.: 5–6 cm (A), 1 cm (C), 3,6 cm (E).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, D, E); Antiqua des 19. oder 20. Jahrhunderts (C).

Christine Wulf [1/2]

  1. A

    O HOMO ECCE4)

  2. B

    I(ESUS) N(AZARENUS) R(EX) I(UDAEORUM)5)

  3. C †

    Anno 1616 Sonntags den 21 Juli alten / Kalenders zwischen 8 und 9 Uhr Morgens, ist der / wohledle, gestrenge, veste Otto von Bothmer im Herrn sanft / und selig entschlafen, und hiernach den 15 August allhier in dieser Kirche in / sein Kämmerlein gesetzt worden seines Alters im 70tena) Jahre. Anno 1623, Donnerstags den 1 Januar Abends zwischen 8 und 9 Uhr / ist dessen hinterlassene Wittwe die wohledle ehrsamste und vieltugent/hafte Frau Adelheid, geborene v(on) StöcKheim. auch im / Herrn sanft u(nd) selig entschlafen und hernach den / 17. Februar hier in dieser Kirche in ihr / Kämmerlein gesetzet worden.

  4. D †

    HODIE MIHI / CRAS TIBI6)

  5. E †
    v(on) BOTMER. v(on) STOCKEM. 
    [ - - - ] [ - - - ] 
    [ - - - ] [ - - - ] 
    [ - - - ] v(on) BAR[NER] 
    v(on) FREITAG v(on) HANENSE 
    [ - - - ] [v(on) M]ANDELSLOH 
    v(on) WENSE v(on) KLENKE 
    [ - - - ] [ - - - ] 
      
    [MANDELSL]OH [...]MINA 
    [ - - - ]EN [ - - - ] 
    ZERSSEN [ - - - ] 
    [.....]ER [ - - - ] 
    KNIGGE [....]NSEN 
    v(on) HOLTORF [MA]NELS[LOH] 
    v(on) S[.]ERSEN  [ - - - ] 
    v(on) REHBOCK [BOT]HMER 

Übersetzung:

O Mensch, sieh! (A)

Heute mir, morgen dir. (D)

Wappen:
Bothmer* Stöckheim11)
Quernheim?7)?12)
Hake*?13)
Kerssenbrock*Barner*
Freitag I*Hanensee*
?8)Mandelsloh*
von derWense9)Klenke*
?10)?14)
Mandelsloh*?21)
Hassberge15)Bock von Northolz*
Zersen* Rheden I22)
Werder II16)Steinberg23)
Knigge17)Jeinsen24)
Holtorf18)Mandelsloh*
Rehbock19)Schwichelt25)
Sürsen20)Bothmer*

Kommentar

Otto von Bothmer wurde im Jahr 1546 geboren,26) am 7. November 1591 heiratete er Adelheid von Stöckheim.27)

Der Zusatz alten Kalenders ist wahrscheinlich erst bei der Erneuerung der Inschriften im 19. Jahrhundert dem Datum hinzugefügt worden. Beide Todesjahre liegen tatsächlich in dem Zeitraum, in dem in Hildesheim nach dem alten Kalender datiert wurde. Der Gregorianische Kalender wurde im Bistum Hildesheim durch Ausschalten des 15. bis 26. März 1631 eingeführt, die Stadt reagierte jedoch zunächst zögerlich auf die landesherrliche Anordnung, erst ab dem 8. Januar 1633 datierte die Stadt ausschließlich im neuen Stil. 1634 wurden kurzfristig noch einmal Doppeldatierungen verwendet, ab September 1634 wurde dann ausschließlich der Gregorianische Kalender benutzt.28)

Textkritischer Apparat

  1. ten hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Beschreibung nach Photo NLD, Photoarchiv, Repro 20599. Eine detaillierte Beschreibung bietet: Paul Jonas Meier: Die Hildesheimer Bildhauerfamilie Ochsenkopf. In: Alt-Hildesheim 15 (1936), S. 23–30, hier S. 23f. Die Anordnung der Figuren entsprach wohl schon im 19. Jahrhundert nicht mehr dem Original, da der in Bethaltung dargestellte Verstorbene sich von dem hinter ihm dargestellten Christus eher abwendet.
  2. Die Wappen der heraldisch linken Seite sind bis auf das Wappen Schwichelt alle linksgewendet, die der rechten Seite dagegen nicht. Es ist daher zu erwägen, daß die gesamten Ahnenproben vertauscht sind. (Hinweis Dr. Harald Drös, Inschriftenkommission Heidelberg).
  3. Für die Blasonierung und Identifizierung der Wappen danke ich Herrn Dr. Harald Drös, Inschriftenkommission Heidelberg.
  4. Nach Io. 19,5.
  5. Io. 19,19.
  6. Vgl. Walther, Proverbia 2, Nr. 11085a.
  7. Wappen Quernheim? (Balken). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 102 u. Bd. 2, Tafel 251.
  8. Wappen ? (gespickelter Balken).
  9. Wappen von der Wense? (Balken belegt mit einem Zweig mit Weinblättern). Abweichend davon Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 17 u. Tafel 19: Balken belegt mit Weinrebe.
  10. Wappen ? (viersprossige, schräggelegte Leiter).
  11. Wappen Stöckheim (rechtsschräger, gebogener Stamm mit gestümmelten Ästen). Vgl. Siebmacher 1, S. 170; hingegen Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 9, S. 14 u. Tafel 13: gespalten, vorn fünf schmale Balken, hinten ein geasteter, senkrecht gestellter Stubben.
  12. Wappen ? (Rose).
  13. Wappen ? (Kammrad).
  14. Wappen ? (quadriert, 1 u. 4 Balken, 2 u. 3 Lilie?).
  15. Hassberge (Kammrad in Seitenansicht, überhöht von zwei Rosen). Vgl. Siebmacher 1, S. 186.
  16. Wappen Werder II? (quadriert, 1 u. 4 schreitendes Pferd mit Satteldecke, 2 u. 3 gerautet). Abweichend Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 17 u. Tafel 19: aufspringendes, gesatteltes und gezäumtes Pferd.
  17. Wappen Knigge (geteilt, oben wachsender Löwe, unten dreimal geteilt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 10 u. Tafel 10/11.
  18. Wappen Holtorf (achtmal geständert).
  19. Die Wappenbeischrift gehört zum folgenden Wappen Sürsen. Hier Wappen Rehbock (Rehbock auf einem Hügel). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 103 u. Bd. 2, Tafel 253.
  20. Die Wappenbeischrift gehört zum voraufgehenden Wappen Rehbock. Hier Wappen Sürsen (springender rechtshalber Hirsch). Vgl. Siebmacher 1, S. 185.
  21. Wappen ? (drei Äste dreiecksweise mit je einem Kleeblatt).
  22. Wappen Rheden I (dreimal geteilt). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 3, Abt. 2, S. 319 u. Tafel 373.
  23. Wappen Steinberg (steigender Steinbock). Vgl. Spießen, Wappenbuch, Bd. 1, S. 121 u. Bd. 2, Tafel 305.
  24. Wappen Jeinsen (Armbrustschaft). Vgl. Siebmacher 1, S. 185; vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 9, S. 9 u. Tafel 10.
  25. Wappen Schwichelt (drei abgerissene Löwenköpfe 2:1). Vgl. Siebmacher/Hefner, Wappenbuch, Bd. 2, Abt. 2, S. 9 u. Tafel 7.
  26. Meier (wie Anm. 1), S. 30, Anm. 1.
  27. Joachim Brandis’ Diarium, S. 303.
  28. Vgl. Peter Aufgebauer: Die Einführung des Gregorianischen Kalenders in Hildesheim 1631–1634. In: Alt-Hildesheim 59 (1988), S. 71–78.

Nachweise

  1. Photo NLD, Photoarchiv, Repro 20599.
  2. Kd. Hildesheim, Kirchen, S. 218 (C, D).
  3. Paul Jonas Meier: Die Hildesheimer Bildhauerfamilie Ochsenkopf. In: Alt-Hildesheim 15 (1936), S. 23f. (A, C).
  4. Slg. Rieckenberg, S. 1009.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 661 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0066100.