Inschriftenkatalog: Stadt Hildesheim

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 58: Stadt Hildesheim (2003)

Nr. 642 St. Michaelis 1618

Beschreibung

Taufe. Bronze. Die aus Fuß, Schaft, Becken und Deckel bestehende Taufe befindet sich im nordöstlichen Querhaus. Sie stammt aus St. Martini und wurde beim Umzug der Martinigemeinde im Jahr 1857 in die Michaeliskirche dorthin mitgenommen. Der runde Fuß wird getragen von vier Knaben mit Bällen. Auf der Fußzarge verläuft Inschrift A zwischen zwei Doppelstegen. Auf dem Fuß die vier Evangelistensymbole mit leeren Schriftbändern. Am Schaft in zwei Reihen zwischen Säulen im Halbrelief die zwölf Apostel. Auf dem Schaftring die Künstlersignatur (B). An der Beckenwandung sind in sechs durch vollplastische Säulen getrennten Feldern Reliefszenen angebracht, die in einer thematischen Beziehung zur Taufe stehen. Innerhalb der einzelnen Szenen sind auf kleinen Täfelchen jeweils die zugehörigen Bibelkapitel angegeben: 1. Taufe Jesu im Jordan, die Inschrift C1 neben Christus, neben Johannes C2; 2. links Aussendung der Jünger, rechts die Himmelfahrt Christi (D); 3. Paulus und Silas mit dem Kerkermeister von Philippi, Inschrift E rechts oben; 4. Säuglingstaufe (F); 5. links eine männliche und eine weibliche Figur, rechts Heilung des Saulus durch Ananias, dazwischen Inschrift G; 6. Pfingstpredigt, rechts unten die Tafel mit Inschrift H.

Auf dem Deckel sind weitere sechs von flachen Dreipaßbögen überwölbte Darstellungen mit Inschrifttafeln angebracht: 1. Bekehrung und Taufe des Hauptmanns Kornelius, unter dem linken Teil des Dreipaßbogens Inschrift I; 2. Jesus und Nikodemus, unter dem linken Teil des Dreipaßbogens ein Dämon, unter dem rechten Inschrift J; 3. Sintflut, unter dem mittleren Bogen des Dreipasses die Arche, unter dem linken die Tafel mit der Inschrift K; 4. Philippus tauft den Kämmerer aus Äthiopien (den Eunuchen), Inschrift L unter dem linken Teil des Dreipasses; 5. Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer, rechts im Bild Inschrift M; 6. Vision des segenspendenden Wassers, das aus dem Tempel fließt, unter dem rechten Bogen Inschrift N. In den Zwickeln der Dreipaßbogenfelder drei Vollwappen sowie drei Beschlagwerkornamente, die in Masken übergehen. Der Deckel wird bekrönt von einer Balustersäule, die eine Darstellung des Gnadenstuhls trägt (die Taube des Heiligen Geists fehlt). Am unteren Rand des Deckels verläuft zwischen zwei Stegen die Inschrift O. Die Inschriften sind glatt erhaben gegossen vor vertieftem Hintergrund. Als Worttrenner stehen hochgestellte Quadrangeln, einzelne Blüten an den Textanfängen der Inschriften A und O.

Maße: Becken: H.: 115 cm; Dm.: 84,5 cm. Deckel: H.: 122 cm; Dm.: 84,5 cm. Fuß: Dm.: 86 cm; Bu.: 3 cm (A), 2,7 cm (B), 0,7 cm (C–N), 3,3 cm (O).

Schriftart(en): Kapitalis.

Christine Wulf [1/7]

  1. A

    · S(ANCTVS) · PAVLVS · AD TIT(VM) · CAP(ITVLO) · 3 · NACH · SEINR BARM/ERZICK(EIT) · MACHT ER VNS SELIG · DURC DAS BAD DER WIDERGEBV(RT) · V(ND) · ERNEWR(VNG) · DES · H(EILIGEN) · GEISTES1)

  2. B

    ANNO · 1618 · DIDERICH MENTE · GOES MICH IN HILDESHEIMB

  3. C1

    ISA. XL · / MAL. III

  4. C2

    MAT · III / MAR · I · / IO · I · / LV · III

  5. D

    MAT XXVIII / MAR XVI.

  6. E

    ACTO / XVI ·

  7. F

    MAT · XIX / MAR. X · / LV · XVIII

  8. G

    ACTO · / IX ·

  9. H

    ACTO · / II.

  10. I

    ACTO · / X ·

  11. J

    IOHA · / III ·

  12. K

    GENISIS / VI · VII · VIII ·

  13. L

    ACTO / VIII

  14. M

    EXODVS / XIIII.

  15. N

    HESEKIEL / XLVII ·

  16. O

    · DIESE TAVF HAT HANS OLEM VND SEINE ERBEN GEBEN · WARN ALHY · M(AGISTER) · GEORGI(VS) VOGELSANG · HANS SVSTERM(ANN) · HART(VNG) CABVS · HANS HVSM(ANN) · TONIS FISCHR

Wappen:
?2), ?3), Wandschneidergilde4)

Kommentar

Für die Herstellung einer Taufe hatte der Rechtsgelehrte Johannes Lübbern bereits 1612 der Martinikirche eine Schuldverschreibung überlassen. 1617 kam die Stiftung des Hans Olem und seiner Erben dazu, so daß die Kirchenältesten von St. Martini Hans Süstermann, Hartung Kabbus, Hans Hausmann und Tonnies Fischer bei dem Gießer Dietrich Mente für das Jahr 1618 eine neue Taufe in Auftrag geben konnten.5) In dem zwischen den Kirchenältesten und Mente geschlossenen Vertrag wurde festgelegt, daß die Ausführung derjenigen der heute verlorenen Taufe in der St. Pauli-Kirche entsprechen sollte. Vorbild für beide Taufen war das Taufbecken der Andreaskirche von 1547 (Nr. 358).

Hans Olem (Olum) war im Jahr 1545 Mitglied des Vierundzwanziger-Kollegiums.6) Tonnies Fischer gehörte im Jahr 1600 zu den Sechsmannen oder Beikämmerern, 1603 und 1604 war er Mitglied des Vierundzwanziger-Kollegiums.7) Hans Süstermann ist seit 1605 im Rat nachzuweisen. Nach Auskunft der für seine Witwe Catharina Fegebanck gehaltenen Leichenpredigt ist er am 16. Januar 1634 gestorben.8) Georg Vogelsang ist 1603 in der Matrikel der Universität Wittenberg nachzuweisen mit dem Vermerk, daß er dort am 23. März 1607 den Titel eines Magisters erworben habe.9) Er stammte aus Hildesheim und war von 1614 bis 1620 Pastor an St. Martini.10) Zu Dietrich Mente vgl. den Kommentar zu Nr. 601.

Die Inschriften C–N entsprechen den auf der Taufe in St. Andreas angebrachten Inschriften, lediglich die Ritzinschrift auf der Arche fehlt. Die eigens für die Taufe der Martinikirche angefertigten Texte (A, B und O) lassen nicht mehr die prononciert lutherisch geprägte Intention des Inschriftenprogramms der St. Andreas-Taufe erkennen.

Anmerkungen

  1. Tit. 3,5.
  2. Wappen ? (gespalten, vorn eine Krone, durchsteckt von drei gestürzten Schwertern, hinten gekreuzt ein Spachtel und ein unbekanntes Werkzeug über einem Fisch). Die von drei gestürzten Schwertern durchsteckte Krone steht häufig für das Wappen der Messerschmiede, vgl. Alfred Grenser: Zunft-Wappen und Handwerker-Insignien. Wien 1889, Tafel XVI, S. 66ff. Für freundliche Hilfe bei der Identifizierung der Werkzeuge danke ich Herrn Professor Dr. Friedrich-Karl Azzola, Trebur.
  3. Wappen ? (gespalten, vorn dreiblättriges Kleeblatt, hinten eine Krone, durchsteckt von drei Nägeln). Es ist nicht ausgeschlossen, daß es sich bei den beiden Wappen um zusammengesetzte Wappen handelt. Weder die Kombinationen noch die Einzelbilder sind mit den auf der Taufe genannten Namen in eine Beziehung zu bringen.
  4. Wappen Wandschneidergilde (der heilige Martin zu Pferd, den Mantel teilend, unter ihm der Bettler). Vgl. StaHi, Bestand 856, Nr. 50/268/9, Kasten 31.
  5. Der Vertrag mit Dietrich Mente wurde ediert von Johann Heinrich Gebauer: Das bronzene Taufbecken der St.=Michaelis=Kirche. In: Alt-Hildesheim 9 (1929), S. 40–42.
  6. Joachim Brandis’ Diarium, S. 58.
  7. Joachim Brandis’ Diarium, S. 492, S. 506, S. 519 u. S. 545.
  8. Schlotter, Bürgermeister und Ratsherren, S. 347–351; Roth, Leichenpredigten, R 2857.
  9. Matrikel Wittenberg, N. R. 1, S. 10, Nr. 292.
  10. Mathies, Protestantische Taufbecken, S. 64.

Nachweise

  1. Beiträge zur Hildesheimischen Geschichte 2, S. 132.
  2. Kd. Hildesheim, Kirchen, S. 220f.
  3. Mathies, Protestantische Taufbecken, S. 131 (B, O), Abb. 39–41, 46, 51, 54.
  4. Slg. Rieckenberg, S. 1016–1019, zwei Photos.

Zitierhinweis:
DI 58, Stadt Hildesheim, Nr. 642 (Christine Wulf), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0064205.